Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das belgische Rriegsziel unddieFriedenserklärungdesReichstages

militärischen Bedürfnissen dienstbar gemacht werden. Dies wäre an sich aus
dem Wege eines Militärabkommens möglich, etwa so wie es seinerzeit der
norddeutsche Bund mit Bauern geschlossen hat. Für später wäre bei einer
günstigen Entwicklung der deutsch-belgischen Beziehungen diese Regelung in
Aussicht zu nehmen. Einstweilen können wir freilich der belgischen Bevölkerung
noch nicht soviel Vertrauen schenken, sondern wir müssen die militärische Be¬
wachung des Landes auch im Frieden noch in der eigenen Hand behalten.
Wir müssen uns also im künftigen Friedensvertrag ein Besetzungsrecht des
Landes verschaffen, das sich mindestens auf die Festungen der Maaslinie, auf
Antwerpen und auf einen Kriegshafen an der flandrischen Küste erstrecken muß.

Mit der Maaslinie allein können wir uns nicht begnügen. Denn der
Schutz der Westgrenze unserer Rheinlands ist nur ein Teil der militärischen
Sicherung, die uns Belgien gewähren muß. Der andere Teil gilt unserer
Hochseeflotte, die unbedingt von der Nordsee her außer der Helgoländer Bucht
noch eine zweite Rückzugsltnie braucht. "Wir müssen heraus aus dem nassen
Dreieck"! Heute weiß jeder Gegner, daß unsere Flotte keine andere Basis hat
als die deutsche Bucht, heute besteht die dringende Gefahr, daß diese einzige
Rückzugsmöglichkeit von Westen her abgeschnitten werden kann. Der Besitz
eines Flottenstützpunktes in Flandern schränkt diese Gefahr ganz bedeutend ein,
macht also unsere Flotte in der Nordsee überhaupt erst voll gebrauchsfähig-
Auch unser Tauchbootkrieg wäre nicht in dem jetzigen Maße möglich, wenn
wir Zeebrügge nicht hätten*). Diese militärische Besetzung Belgiens würde
keineswegs nur unseren Interessen, sie würde auch dem Lande selber dienen.
Belgien würde in den Schutz des Deutschen Reiches eintreten und endlich einmal
aufhören, wie in der bisherigen Geschichte bei allen englisch-französisch-deutschen
Verwicklungen als Kriegsschauplatz zu dienen. In Frankreich würde es wegen
der offenbar sinkenden Macht und Volkszahl dieses Staates den gleichen Rück¬
halt nicht finden. England aber würde Belgien wie bisher nur als Brücken¬
kopf gelten lassen und jeder neuen Verheerung des Landes durch Krieg und
feindlichen Einfall gleichgültig zuschauen, wenn es nur den Brückenkopf als
solchen fest in der Hand behalten könnte**). Es kann also vom deutschen wie
vom belgischen Standpunkte aus als eine Notwendigkeit betrachtet werden,
beide Lander militärisch zu vereinigen. Genauere Vorschläge über die Formen
dieser Vereinigung macht Zitelmann. Außer einer Garde für das Staats¬
oberhaupt und einer Polizeitruppe für den inneren Dienst würde darnach
Belgien keine eigene Armee zu halten brauchen, sondern das deutsche Heer
würde den Landesschutz mit übernehmen. Die Belgier würden nicht wehr-




") Dies betont neben Zitelmann mit Recht auch Al. Meister, Unser belgisches Kriegs¬
ziel; Borgmeyer u. Co>, Münster i. W. 1917; S. 30."
**) Vgl. Oskar Poensgen, Das staatsrechtliche Problem Belgiens im "Panther, hrg-
"on A. NiPIe, III, Heft S. Leipzig 191S. Auch ein Sonderabdruck ist erschienen.
Das belgische Rriegsziel unddieFriedenserklärungdesReichstages

militärischen Bedürfnissen dienstbar gemacht werden. Dies wäre an sich aus
dem Wege eines Militärabkommens möglich, etwa so wie es seinerzeit der
norddeutsche Bund mit Bauern geschlossen hat. Für später wäre bei einer
günstigen Entwicklung der deutsch-belgischen Beziehungen diese Regelung in
Aussicht zu nehmen. Einstweilen können wir freilich der belgischen Bevölkerung
noch nicht soviel Vertrauen schenken, sondern wir müssen die militärische Be¬
wachung des Landes auch im Frieden noch in der eigenen Hand behalten.
Wir müssen uns also im künftigen Friedensvertrag ein Besetzungsrecht des
Landes verschaffen, das sich mindestens auf die Festungen der Maaslinie, auf
Antwerpen und auf einen Kriegshafen an der flandrischen Küste erstrecken muß.

Mit der Maaslinie allein können wir uns nicht begnügen. Denn der
Schutz der Westgrenze unserer Rheinlands ist nur ein Teil der militärischen
Sicherung, die uns Belgien gewähren muß. Der andere Teil gilt unserer
Hochseeflotte, die unbedingt von der Nordsee her außer der Helgoländer Bucht
noch eine zweite Rückzugsltnie braucht. „Wir müssen heraus aus dem nassen
Dreieck"! Heute weiß jeder Gegner, daß unsere Flotte keine andere Basis hat
als die deutsche Bucht, heute besteht die dringende Gefahr, daß diese einzige
Rückzugsmöglichkeit von Westen her abgeschnitten werden kann. Der Besitz
eines Flottenstützpunktes in Flandern schränkt diese Gefahr ganz bedeutend ein,
macht also unsere Flotte in der Nordsee überhaupt erst voll gebrauchsfähig-
Auch unser Tauchbootkrieg wäre nicht in dem jetzigen Maße möglich, wenn
wir Zeebrügge nicht hätten*). Diese militärische Besetzung Belgiens würde
keineswegs nur unseren Interessen, sie würde auch dem Lande selber dienen.
Belgien würde in den Schutz des Deutschen Reiches eintreten und endlich einmal
aufhören, wie in der bisherigen Geschichte bei allen englisch-französisch-deutschen
Verwicklungen als Kriegsschauplatz zu dienen. In Frankreich würde es wegen
der offenbar sinkenden Macht und Volkszahl dieses Staates den gleichen Rück¬
halt nicht finden. England aber würde Belgien wie bisher nur als Brücken¬
kopf gelten lassen und jeder neuen Verheerung des Landes durch Krieg und
feindlichen Einfall gleichgültig zuschauen, wenn es nur den Brückenkopf als
solchen fest in der Hand behalten könnte**). Es kann also vom deutschen wie
vom belgischen Standpunkte aus als eine Notwendigkeit betrachtet werden,
beide Lander militärisch zu vereinigen. Genauere Vorschläge über die Formen
dieser Vereinigung macht Zitelmann. Außer einer Garde für das Staats¬
oberhaupt und einer Polizeitruppe für den inneren Dienst würde darnach
Belgien keine eigene Armee zu halten brauchen, sondern das deutsche Heer
würde den Landesschutz mit übernehmen. Die Belgier würden nicht wehr-




») Dies betont neben Zitelmann mit Recht auch Al. Meister, Unser belgisches Kriegs¬
ziel; Borgmeyer u. Co>, Münster i. W. 1917; S. 30."
**) Vgl. Oskar Poensgen, Das staatsrechtliche Problem Belgiens im „Panther, hrg-
»on A. NiPIe, III, Heft S. Leipzig 191S. Auch ein Sonderabdruck ist erschienen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0146" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/332425"/>
          <fw type="header" place="top"> Das belgische Rriegsziel unddieFriedenserklärungdesReichstages</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_448" prev="#ID_447"> militärischen Bedürfnissen dienstbar gemacht werden. Dies wäre an sich aus<lb/>
dem Wege eines Militärabkommens möglich, etwa so wie es seinerzeit der<lb/>
norddeutsche Bund mit Bauern geschlossen hat. Für später wäre bei einer<lb/>
günstigen Entwicklung der deutsch-belgischen Beziehungen diese Regelung in<lb/>
Aussicht zu nehmen. Einstweilen können wir freilich der belgischen Bevölkerung<lb/>
noch nicht soviel Vertrauen schenken, sondern wir müssen die militärische Be¬<lb/>
wachung des Landes auch im Frieden noch in der eigenen Hand behalten.<lb/>
Wir müssen uns also im künftigen Friedensvertrag ein Besetzungsrecht des<lb/>
Landes verschaffen, das sich mindestens auf die Festungen der Maaslinie, auf<lb/>
Antwerpen und auf einen Kriegshafen an der flandrischen Küste erstrecken muß.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_449" next="#ID_450"> Mit der Maaslinie allein können wir uns nicht begnügen. Denn der<lb/>
Schutz der Westgrenze unserer Rheinlands ist nur ein Teil der militärischen<lb/>
Sicherung, die uns Belgien gewähren muß. Der andere Teil gilt unserer<lb/>
Hochseeflotte, die unbedingt von der Nordsee her außer der Helgoländer Bucht<lb/>
noch eine zweite Rückzugsltnie braucht. &#x201E;Wir müssen heraus aus dem nassen<lb/>
Dreieck"! Heute weiß jeder Gegner, daß unsere Flotte keine andere Basis hat<lb/>
als die deutsche Bucht, heute besteht die dringende Gefahr, daß diese einzige<lb/>
Rückzugsmöglichkeit von Westen her abgeschnitten werden kann. Der Besitz<lb/>
eines Flottenstützpunktes in Flandern schränkt diese Gefahr ganz bedeutend ein,<lb/>
macht also unsere Flotte in der Nordsee überhaupt erst voll gebrauchsfähig-<lb/>
Auch unser Tauchbootkrieg wäre nicht in dem jetzigen Maße möglich, wenn<lb/>
wir Zeebrügge nicht hätten*). Diese militärische Besetzung Belgiens würde<lb/>
keineswegs nur unseren Interessen, sie würde auch dem Lande selber dienen.<lb/>
Belgien würde in den Schutz des Deutschen Reiches eintreten und endlich einmal<lb/>
aufhören, wie in der bisherigen Geschichte bei allen englisch-französisch-deutschen<lb/>
Verwicklungen als Kriegsschauplatz zu dienen. In Frankreich würde es wegen<lb/>
der offenbar sinkenden Macht und Volkszahl dieses Staates den gleichen Rück¬<lb/>
halt nicht finden. England aber würde Belgien wie bisher nur als Brücken¬<lb/>
kopf gelten lassen und jeder neuen Verheerung des Landes durch Krieg und<lb/>
feindlichen Einfall gleichgültig zuschauen, wenn es nur den Brückenkopf als<lb/>
solchen fest in der Hand behalten könnte**). Es kann also vom deutschen wie<lb/>
vom belgischen Standpunkte aus als eine Notwendigkeit betrachtet werden,<lb/>
beide Lander militärisch zu vereinigen. Genauere Vorschläge über die Formen<lb/>
dieser Vereinigung macht Zitelmann. Außer einer Garde für das Staats¬<lb/>
oberhaupt und einer Polizeitruppe für den inneren Dienst würde darnach<lb/>
Belgien keine eigene Armee zu halten brauchen, sondern das deutsche Heer<lb/>
würde den Landesschutz mit übernehmen. Die Belgier würden nicht wehr-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_42" place="foot"> ») Dies betont neben Zitelmann mit Recht auch Al. Meister, Unser belgisches Kriegs¬<lb/>
ziel; Borgmeyer u. Co&gt;, Münster i. W. 1917; S. 30."</note><lb/>
          <note xml:id="FID_43" place="foot"> **) Vgl. Oskar Poensgen, Das staatsrechtliche Problem Belgiens im &#x201E;Panther, hrg-<lb/>
»on A. NiPIe, III, Heft S. Leipzig 191S. Auch ein Sonderabdruck ist erschienen.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0146] Das belgische Rriegsziel unddieFriedenserklärungdesReichstages militärischen Bedürfnissen dienstbar gemacht werden. Dies wäre an sich aus dem Wege eines Militärabkommens möglich, etwa so wie es seinerzeit der norddeutsche Bund mit Bauern geschlossen hat. Für später wäre bei einer günstigen Entwicklung der deutsch-belgischen Beziehungen diese Regelung in Aussicht zu nehmen. Einstweilen können wir freilich der belgischen Bevölkerung noch nicht soviel Vertrauen schenken, sondern wir müssen die militärische Be¬ wachung des Landes auch im Frieden noch in der eigenen Hand behalten. Wir müssen uns also im künftigen Friedensvertrag ein Besetzungsrecht des Landes verschaffen, das sich mindestens auf die Festungen der Maaslinie, auf Antwerpen und auf einen Kriegshafen an der flandrischen Küste erstrecken muß. Mit der Maaslinie allein können wir uns nicht begnügen. Denn der Schutz der Westgrenze unserer Rheinlands ist nur ein Teil der militärischen Sicherung, die uns Belgien gewähren muß. Der andere Teil gilt unserer Hochseeflotte, die unbedingt von der Nordsee her außer der Helgoländer Bucht noch eine zweite Rückzugsltnie braucht. „Wir müssen heraus aus dem nassen Dreieck"! Heute weiß jeder Gegner, daß unsere Flotte keine andere Basis hat als die deutsche Bucht, heute besteht die dringende Gefahr, daß diese einzige Rückzugsmöglichkeit von Westen her abgeschnitten werden kann. Der Besitz eines Flottenstützpunktes in Flandern schränkt diese Gefahr ganz bedeutend ein, macht also unsere Flotte in der Nordsee überhaupt erst voll gebrauchsfähig- Auch unser Tauchbootkrieg wäre nicht in dem jetzigen Maße möglich, wenn wir Zeebrügge nicht hätten*). Diese militärische Besetzung Belgiens würde keineswegs nur unseren Interessen, sie würde auch dem Lande selber dienen. Belgien würde in den Schutz des Deutschen Reiches eintreten und endlich einmal aufhören, wie in der bisherigen Geschichte bei allen englisch-französisch-deutschen Verwicklungen als Kriegsschauplatz zu dienen. In Frankreich würde es wegen der offenbar sinkenden Macht und Volkszahl dieses Staates den gleichen Rück¬ halt nicht finden. England aber würde Belgien wie bisher nur als Brücken¬ kopf gelten lassen und jeder neuen Verheerung des Landes durch Krieg und feindlichen Einfall gleichgültig zuschauen, wenn es nur den Brückenkopf als solchen fest in der Hand behalten könnte**). Es kann also vom deutschen wie vom belgischen Standpunkte aus als eine Notwendigkeit betrachtet werden, beide Lander militärisch zu vereinigen. Genauere Vorschläge über die Formen dieser Vereinigung macht Zitelmann. Außer einer Garde für das Staats¬ oberhaupt und einer Polizeitruppe für den inneren Dienst würde darnach Belgien keine eigene Armee zu halten brauchen, sondern das deutsche Heer würde den Landesschutz mit übernehmen. Die Belgier würden nicht wehr- ») Dies betont neben Zitelmann mit Recht auch Al. Meister, Unser belgisches Kriegs¬ ziel; Borgmeyer u. Co>, Münster i. W. 1917; S. 30." **) Vgl. Oskar Poensgen, Das staatsrechtliche Problem Belgiens im „Panther, hrg- »on A. NiPIe, III, Heft S. Leipzig 191S. Auch ein Sonderabdruck ist erschienen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/146
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/146>, abgerufen am 01.07.2024.