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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Das Deutschtum im Auslande

romanischer, angelsächsischer oder ostasiatischer Länder, gilt es.Raum für sie in
der alten Heimat zu schaffen mit der Möglichkeit wirtschaftlichen Neuaufbaues,
wenn auch auf bescheidener Grundlage.

Können wir die Frage der Entschädigung der Auslandsdeutschen unserer
Diplomatie und unserem Auswärtigen Amte anempfehlen, dürfen wir ferner auf
Bereitstellung genügenden Ansiedlungsbodens von seiten des Staates auf deutscher
und bislang außerdeutscher Erde rechnen, so bleibt doch andererseits eine so
gewaltige Menge dringendster Fragen anderer Art zu lösen, daß es der Mit¬
arbeit des ganzen Volkes bedürfen wird, um ihrer Herr werden zu können.
Vor allem gilt es, diesen Heimatfremden viel Nachsicht, Geduld und freundliches
Verstehenwollen entgegenzubringen, denn es sind Leute, die in ganz anderer
Umgebung gelebt haben, denen naturgemäß unsere Zustände nicht ohne weiteres
behagen werden, die manche Wünsche vorbringen werden, die man gar nicht
erfüllen kann: Pflanzen, die unter anderer Sonne und in anderem Boden auf¬
gewachsen sind, sind meist schwer neu einzuwurzeln und es bedarf liebevoller
Gärtner, um die Verpflanzung ohne allzu fühlbare Härten für das Gewächs
überhaupt durchführen zu können.

Kaufleute oder Ingenieure aus anderen Ländern können ihre Fach- und
Landeskenntnisse noch nutzbringend bei der Wiederanbahnung der Handels¬
beziehungen und der Neubefruchtung des Wirtschaftslebens verwerten, ohne daß
sie umzulernen brauchen; aber wie schwer ist schon der Bauer daran, der an
Stelle seiner früher gewohnten Anbau- und Arbeitsmethode manches Neue, Orts¬
übliche lernen soll, das nicht so leicht in seinen Kopf gehen will; und was soll
z. B. aus dem heimkehrenden Kaffeepflanzer werden, der nicht, wie glücklicher¬
weise die meisten, von der Kaufmannschaft ausgegangen ist, und nun etwas
kann, was bei uns gar nicht zu verwerten ist! Wie schlimm ists für ihn
vollends, wenn er nicht mehr jung genug ist, um mit raschem Entschluß etwas
Neues zu erlernen! (Glücklicherweise ist aber für ihn und andere Tropen¬
pflanzer die Möglichkeit gegeben, in unseren Kolonien die erworbenen Kenntnisse
zu verwerten, zum hohen Nutzen dieser felbst, soweit noch die nötige Elastizität
des Geistes vorhanden ist, die eine Anpassung an durchaus neuartige Ver¬
hältnisse voraussetzt.)

Wenn bei uns schon jeder einzelne, der mit heimkehrenden Auslands¬
deutschen in Berührung kommt, durch freundlichen Rat und mitfühlendes Ent¬
gegenkommen sein Scherflein zur Linderung ihres Loses beitragen kann, so
werden in der Hauptsache doch nur größere Organisationen hier durchgreifende
Hilfe bringen können. Außer örtlichen, namentlich in den Hansastädten und den
verschiedenen Landes- und Provinzialhauptstädten zu schaffenden Hilfsvereinen
wird es vor allem einer zentralen Organisation bedürfen, die die verschlungenen
Fäden nach dem Auslande hin überschaut und andererseits das Können der
Auslandsdeutschen und deren Verwendungsfähigkeit in der Heimat richtig zu
beurteilen vermag.


Das Deutschtum im Auslande

romanischer, angelsächsischer oder ostasiatischer Länder, gilt es.Raum für sie in
der alten Heimat zu schaffen mit der Möglichkeit wirtschaftlichen Neuaufbaues,
wenn auch auf bescheidener Grundlage.

Können wir die Frage der Entschädigung der Auslandsdeutschen unserer
Diplomatie und unserem Auswärtigen Amte anempfehlen, dürfen wir ferner auf
Bereitstellung genügenden Ansiedlungsbodens von seiten des Staates auf deutscher
und bislang außerdeutscher Erde rechnen, so bleibt doch andererseits eine so
gewaltige Menge dringendster Fragen anderer Art zu lösen, daß es der Mit¬
arbeit des ganzen Volkes bedürfen wird, um ihrer Herr werden zu können.
Vor allem gilt es, diesen Heimatfremden viel Nachsicht, Geduld und freundliches
Verstehenwollen entgegenzubringen, denn es sind Leute, die in ganz anderer
Umgebung gelebt haben, denen naturgemäß unsere Zustände nicht ohne weiteres
behagen werden, die manche Wünsche vorbringen werden, die man gar nicht
erfüllen kann: Pflanzen, die unter anderer Sonne und in anderem Boden auf¬
gewachsen sind, sind meist schwer neu einzuwurzeln und es bedarf liebevoller
Gärtner, um die Verpflanzung ohne allzu fühlbare Härten für das Gewächs
überhaupt durchführen zu können.

Kaufleute oder Ingenieure aus anderen Ländern können ihre Fach- und
Landeskenntnisse noch nutzbringend bei der Wiederanbahnung der Handels¬
beziehungen und der Neubefruchtung des Wirtschaftslebens verwerten, ohne daß
sie umzulernen brauchen; aber wie schwer ist schon der Bauer daran, der an
Stelle seiner früher gewohnten Anbau- und Arbeitsmethode manches Neue, Orts¬
übliche lernen soll, das nicht so leicht in seinen Kopf gehen will; und was soll
z. B. aus dem heimkehrenden Kaffeepflanzer werden, der nicht, wie glücklicher¬
weise die meisten, von der Kaufmannschaft ausgegangen ist, und nun etwas
kann, was bei uns gar nicht zu verwerten ist! Wie schlimm ists für ihn
vollends, wenn er nicht mehr jung genug ist, um mit raschem Entschluß etwas
Neues zu erlernen! (Glücklicherweise ist aber für ihn und andere Tropen¬
pflanzer die Möglichkeit gegeben, in unseren Kolonien die erworbenen Kenntnisse
zu verwerten, zum hohen Nutzen dieser felbst, soweit noch die nötige Elastizität
des Geistes vorhanden ist, die eine Anpassung an durchaus neuartige Ver¬
hältnisse voraussetzt.)

Wenn bei uns schon jeder einzelne, der mit heimkehrenden Auslands¬
deutschen in Berührung kommt, durch freundlichen Rat und mitfühlendes Ent¬
gegenkommen sein Scherflein zur Linderung ihres Loses beitragen kann, so
werden in der Hauptsache doch nur größere Organisationen hier durchgreifende
Hilfe bringen können. Außer örtlichen, namentlich in den Hansastädten und den
verschiedenen Landes- und Provinzialhauptstädten zu schaffenden Hilfsvereinen
wird es vor allem einer zentralen Organisation bedürfen, die die verschlungenen
Fäden nach dem Auslande hin überschaut und andererseits das Können der
Auslandsdeutschen und deren Verwendungsfähigkeit in der Heimat richtig zu
beurteilen vermag.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/124>, abgerufen am 01.07.2024.