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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Das Deutschtum im Auslande

Heimat klimatisch und kulturell gut eingelebt und unter dem Einfluß der Um¬
gebung zahlreiche Erfahrungen gesammelt und neue Fähigkeiten und Eigen¬
schaften erworben, die sie sehr geeignet für die Wirtschaftsverhältnisse jener
Gegenden, aber vielfach bereits minder geeignet für die der alten Heimat machen
und zwar im allgemeinen um so mehr, je länger sie der Heimat ferngeblieben
sind. Daraus ergibt sich ein Doppeltes: die Auslandsdeutschen sind in ihrem
Siedlungsgebiet etwa neu ankommenden Landsleuten weit überlegen, würden
aber ihren Volksgenossen in der alten Heimat in den meisten Fällen an Leistungs¬
fähigkeit entschieden nachstehen. Es liegt daher im Interesse beider Teile, daß
man versuchen sollte, die Auslandsdeutschen, denen natürlich das Reich, wo
irgend möglich, eine genügende Entschädigung sür ihre Verluste erwirken müßte,
in ihrem Adovtivvaterland zurückzuhalten und sie nach Kräften von der Heimat
aus zu stützen, denn ihre Erfahrungen und persönlichen Beziehungen sind ein
äußerst wertvolles Aktivum, wenn es gilt, nach Friedensschluß die abgebrochenen
Handelsbeziehungen wieder anzuknüpfen, was der Hand erfahrener Landeskenner
jedenfalls sehr viel eher gelingen wird, als der des Neulings. Sie kennen den
Boden und die Bevölkerung, deren Geschmack und Sitten, psychologische Eigen¬
art und Umgangsformen: wenn irgend jemand, so können sie die geschäftlichen
Unternehmungen wieder ins Leben zurückrufen, die Wege wieder gangbar machen,
die einst den Warenaustausch vermittelt hatten, neuen Kapitalsanlagen, neuen
Krediten sichere Unterbringung verschaffen; sie können am ehesten wieder vermitteln
und dem deutschen Namen neue Anerkennung schaffen selbst in Fällen, wo der
Neuankömmling in seiner Unerfahrenheit keinerlei Aussichten dazu fände, be-
sonders noch, wenn er etwa gar die gesellschaftlichen Untugenden mancher Kreise
unserer Heimat an sich hätte (wie z. B. überlautes Sprechen, nervöse Hastigkeit,
aufdringliches Selbstgefühl u. tgi. Kleinigkeiten, die sich aber doch oft im ge-
schäftlichen Leben als wesentliche Hemmungen erweisen).

Namentlich Kaufleute. Bankmänner. Ingenieure. Pflanzer werden eine höchst
ersprießliche, uns äußerst nutzbringende Tätigkeit an der Stätte ihrer früheren
Wirksamkeit entfalten können, während Bauern. Handwerker. Kleinhändler. Ar-
bester naturgemäß nur in kleinerem Maßstab, aber dennoch nicht ohne Erfolg,
in gleichem Sinne wirken können und werden. Wenn wir ihnen in den ersten
schweren Anfangszeiten Hilfe und Stütze bieten, so werden wir später an ihnen
unsererseits Halt finden: sie bieten uns dann eine feste Grundlage, auf der wir
"in stärkeres Haus der Zusammengehörigkeit und Zusammenarbeit errichten
können, als wir es vor dem Kriege besessen hatten; durch Gewährung gewisser
politischer Rechte könnten wir sie vielleicht auch in Zukunft fester an die alte
Heimat ketten und ihr Interesse daran noch steigern.

In den Fällen aber, wo Auslandsdeutsche in ihrem Adovtivvaterland
nicht bleiben können, weil ihnen die Fortexistenz in bisheriger Weise unmöglich
geworden ist. wie so vielen deutschrussischen Bauern. Handwerkern und Arbeitern,
^er auch gar manchen Kaufleuten und Pflanzern. Bergleuten und Fabrikanten


Das Deutschtum im Auslande

Heimat klimatisch und kulturell gut eingelebt und unter dem Einfluß der Um¬
gebung zahlreiche Erfahrungen gesammelt und neue Fähigkeiten und Eigen¬
schaften erworben, die sie sehr geeignet für die Wirtschaftsverhältnisse jener
Gegenden, aber vielfach bereits minder geeignet für die der alten Heimat machen
und zwar im allgemeinen um so mehr, je länger sie der Heimat ferngeblieben
sind. Daraus ergibt sich ein Doppeltes: die Auslandsdeutschen sind in ihrem
Siedlungsgebiet etwa neu ankommenden Landsleuten weit überlegen, würden
aber ihren Volksgenossen in der alten Heimat in den meisten Fällen an Leistungs¬
fähigkeit entschieden nachstehen. Es liegt daher im Interesse beider Teile, daß
man versuchen sollte, die Auslandsdeutschen, denen natürlich das Reich, wo
irgend möglich, eine genügende Entschädigung sür ihre Verluste erwirken müßte,
in ihrem Adovtivvaterland zurückzuhalten und sie nach Kräften von der Heimat
aus zu stützen, denn ihre Erfahrungen und persönlichen Beziehungen sind ein
äußerst wertvolles Aktivum, wenn es gilt, nach Friedensschluß die abgebrochenen
Handelsbeziehungen wieder anzuknüpfen, was der Hand erfahrener Landeskenner
jedenfalls sehr viel eher gelingen wird, als der des Neulings. Sie kennen den
Boden und die Bevölkerung, deren Geschmack und Sitten, psychologische Eigen¬
art und Umgangsformen: wenn irgend jemand, so können sie die geschäftlichen
Unternehmungen wieder ins Leben zurückrufen, die Wege wieder gangbar machen,
die einst den Warenaustausch vermittelt hatten, neuen Kapitalsanlagen, neuen
Krediten sichere Unterbringung verschaffen; sie können am ehesten wieder vermitteln
und dem deutschen Namen neue Anerkennung schaffen selbst in Fällen, wo der
Neuankömmling in seiner Unerfahrenheit keinerlei Aussichten dazu fände, be-
sonders noch, wenn er etwa gar die gesellschaftlichen Untugenden mancher Kreise
unserer Heimat an sich hätte (wie z. B. überlautes Sprechen, nervöse Hastigkeit,
aufdringliches Selbstgefühl u. tgi. Kleinigkeiten, die sich aber doch oft im ge-
schäftlichen Leben als wesentliche Hemmungen erweisen).

Namentlich Kaufleute. Bankmänner. Ingenieure. Pflanzer werden eine höchst
ersprießliche, uns äußerst nutzbringende Tätigkeit an der Stätte ihrer früheren
Wirksamkeit entfalten können, während Bauern. Handwerker. Kleinhändler. Ar-
bester naturgemäß nur in kleinerem Maßstab, aber dennoch nicht ohne Erfolg,
in gleichem Sinne wirken können und werden. Wenn wir ihnen in den ersten
schweren Anfangszeiten Hilfe und Stütze bieten, so werden wir später an ihnen
unsererseits Halt finden: sie bieten uns dann eine feste Grundlage, auf der wir
«in stärkeres Haus der Zusammengehörigkeit und Zusammenarbeit errichten
können, als wir es vor dem Kriege besessen hatten; durch Gewährung gewisser
politischer Rechte könnten wir sie vielleicht auch in Zukunft fester an die alte
Heimat ketten und ihr Interesse daran noch steigern.

In den Fällen aber, wo Auslandsdeutsche in ihrem Adovtivvaterland
nicht bleiben können, weil ihnen die Fortexistenz in bisheriger Weise unmöglich
geworden ist. wie so vielen deutschrussischen Bauern. Handwerkern und Arbeitern,
^er auch gar manchen Kaufleuten und Pflanzern. Bergleuten und Fabrikanten


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[0123] Das Deutschtum im Auslande Heimat klimatisch und kulturell gut eingelebt und unter dem Einfluß der Um¬ gebung zahlreiche Erfahrungen gesammelt und neue Fähigkeiten und Eigen¬ schaften erworben, die sie sehr geeignet für die Wirtschaftsverhältnisse jener Gegenden, aber vielfach bereits minder geeignet für die der alten Heimat machen und zwar im allgemeinen um so mehr, je länger sie der Heimat ferngeblieben sind. Daraus ergibt sich ein Doppeltes: die Auslandsdeutschen sind in ihrem Siedlungsgebiet etwa neu ankommenden Landsleuten weit überlegen, würden aber ihren Volksgenossen in der alten Heimat in den meisten Fällen an Leistungs¬ fähigkeit entschieden nachstehen. Es liegt daher im Interesse beider Teile, daß man versuchen sollte, die Auslandsdeutschen, denen natürlich das Reich, wo irgend möglich, eine genügende Entschädigung sür ihre Verluste erwirken müßte, in ihrem Adovtivvaterland zurückzuhalten und sie nach Kräften von der Heimat aus zu stützen, denn ihre Erfahrungen und persönlichen Beziehungen sind ein äußerst wertvolles Aktivum, wenn es gilt, nach Friedensschluß die abgebrochenen Handelsbeziehungen wieder anzuknüpfen, was der Hand erfahrener Landeskenner jedenfalls sehr viel eher gelingen wird, als der des Neulings. Sie kennen den Boden und die Bevölkerung, deren Geschmack und Sitten, psychologische Eigen¬ art und Umgangsformen: wenn irgend jemand, so können sie die geschäftlichen Unternehmungen wieder ins Leben zurückrufen, die Wege wieder gangbar machen, die einst den Warenaustausch vermittelt hatten, neuen Kapitalsanlagen, neuen Krediten sichere Unterbringung verschaffen; sie können am ehesten wieder vermitteln und dem deutschen Namen neue Anerkennung schaffen selbst in Fällen, wo der Neuankömmling in seiner Unerfahrenheit keinerlei Aussichten dazu fände, be- sonders noch, wenn er etwa gar die gesellschaftlichen Untugenden mancher Kreise unserer Heimat an sich hätte (wie z. B. überlautes Sprechen, nervöse Hastigkeit, aufdringliches Selbstgefühl u. tgi. Kleinigkeiten, die sich aber doch oft im ge- schäftlichen Leben als wesentliche Hemmungen erweisen). Namentlich Kaufleute. Bankmänner. Ingenieure. Pflanzer werden eine höchst ersprießliche, uns äußerst nutzbringende Tätigkeit an der Stätte ihrer früheren Wirksamkeit entfalten können, während Bauern. Handwerker. Kleinhändler. Ar- bester naturgemäß nur in kleinerem Maßstab, aber dennoch nicht ohne Erfolg, in gleichem Sinne wirken können und werden. Wenn wir ihnen in den ersten schweren Anfangszeiten Hilfe und Stütze bieten, so werden wir später an ihnen unsererseits Halt finden: sie bieten uns dann eine feste Grundlage, auf der wir «in stärkeres Haus der Zusammengehörigkeit und Zusammenarbeit errichten können, als wir es vor dem Kriege besessen hatten; durch Gewährung gewisser politischer Rechte könnten wir sie vielleicht auch in Zukunft fester an die alte Heimat ketten und ihr Interesse daran noch steigern. In den Fällen aber, wo Auslandsdeutsche in ihrem Adovtivvaterland nicht bleiben können, weil ihnen die Fortexistenz in bisheriger Weise unmöglich geworden ist. wie so vielen deutschrussischen Bauern. Handwerkern und Arbeitern, ^er auch gar manchen Kaufleuten und Pflanzern. Bergleuten und Fabrikanten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/123>, abgerufen am 01.07.2024.