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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Das Deutschtum im Auslande

mieden wird, während der Deutsche die Möglichkeit dazu nur in geringem Maße
besitzt: so -- aus klimatischen Gründen in kleinsten Umfang -- in unseren
Kolonien, oder aber in mehr oder minder geschlossenen deutschen SiedelungS-
gebieten (etwa der Vereinigten Staaten oder Sttdbrasiliens), oder in Gegenden,
wo durch gesellschaftliche, religiöse oder berufliche Bande ein engerer Zusammen¬
halt der Landsleute unter sich und rege geistige Verbindung mit der Heimat
vorhanden sind. Wo aber Angehörige eines Volkes, gleichviel ob es sich um
das deutsche oder ein anderes handelt, sehr lange ganz vereinzelt inmitten einer
fremden Umgebung verweilen, da pflegt allmählich eine Anpassung und schließlich
eine Eingliederung in das Fremdvolk einzutreten. , Diese Tatsache ist allgemein
bekannt, und hat z. B. neuerdings dazu geführt, daß manche Staaten, wie
Kanada, Brasilien und Rußland in Sibirien, fremdnationale Einwanderer nur
noch in zerstreuten Siedelungen unterbringen, um den Einschmelzungsprozeß
M erleichtern und zu beschleunigen.

Freilich wirken auch andere Umstände mit: unter sonst gleichen Be¬
dingungen hängen Angehörige bodenständiger Berufe, wie Bauern oder Pflanzer,
die ihrer Beschäftigung nach wenig auf den Verkehr mit anderen Laudesgenossen
angewiesen sind, meist zäher an alter Sitte und Sprache, als Städter, und von
diesen sind wieder Kleinstädter minder gefährdet als Großstädter, die viel
reichere und kräftigere Berührungen mit fremdnationalen Elementen haben.

Von größter Bedeutung für das Maß völkischer Widerstandskraft ist aber
auch die sprachliche, kulturelle und religiöse Beschaffenheit der Umgebung. In
englisch redenden Ländern paßt sich der Deutsche leicht den Einheimischen in
Sprache und Sitte an; auch in Gebieten mit französischer Verkehrssprache rst
es unter dem Eindruck der hochstehenden Kultur und der Eleganz der Sprache
noch vielfach der Fall, während in Ländern mit niedrigerer Kultur, wie in
Rußland oder im spanischen und portugiesischen Amerika der sprachliche und
kulturelle Widerstand sehr viel größer ist. Zu dem Kultur- und Nassenstolz
tritt seit 1870 auch vielfach ergänzend ein kräftig entwickeltes Nationalgefühl
und bei manchen deutschen Stämmen ist zudem das Beharrungsvermögen
besonders stark entwickelt (z. B. Schwaben). Und doch fallen tatsächlich noch
immer viele dem fremden Volkstum anheim, ein Prozeß, der namentlich oft
durch Verheiratung mit Einheimischen begünstigt wird. Das ist zu bedauern,
ab-r nicht zu ändern: in zahlreichen Fällen ist der vereinzelte junge Deutsche
eben eins wirtschaftlichen Gründen gar nicht in der Lage, eine deutsche Frau
heimzuführen, so daß er, wenn er nicht unverheiratet bleiben will, auf die
Wahl unter den Töchtern des Landes angewiesen ist. Dabei besteht oft genug
noch die Absicht einer Rückkehr nach Deutschland; aber beim Versuch, den Plan
auszuführen, zeigt sich nicht selten, daß die Frau nicht imstande ist. sich unseren
heimischen Verhältnissen anzupassen.

Zuweilen hindert auch die größere Ellenbogenfreiheit, die der Deutsche in
fremden Ländern findet, an der Rückkehr in unsere polizeilich eingeengten Ver-


Das Deutschtum im Auslande

mieden wird, während der Deutsche die Möglichkeit dazu nur in geringem Maße
besitzt: so — aus klimatischen Gründen in kleinsten Umfang — in unseren
Kolonien, oder aber in mehr oder minder geschlossenen deutschen SiedelungS-
gebieten (etwa der Vereinigten Staaten oder Sttdbrasiliens), oder in Gegenden,
wo durch gesellschaftliche, religiöse oder berufliche Bande ein engerer Zusammen¬
halt der Landsleute unter sich und rege geistige Verbindung mit der Heimat
vorhanden sind. Wo aber Angehörige eines Volkes, gleichviel ob es sich um
das deutsche oder ein anderes handelt, sehr lange ganz vereinzelt inmitten einer
fremden Umgebung verweilen, da pflegt allmählich eine Anpassung und schließlich
eine Eingliederung in das Fremdvolk einzutreten. , Diese Tatsache ist allgemein
bekannt, und hat z. B. neuerdings dazu geführt, daß manche Staaten, wie
Kanada, Brasilien und Rußland in Sibirien, fremdnationale Einwanderer nur
noch in zerstreuten Siedelungen unterbringen, um den Einschmelzungsprozeß
M erleichtern und zu beschleunigen.

Freilich wirken auch andere Umstände mit: unter sonst gleichen Be¬
dingungen hängen Angehörige bodenständiger Berufe, wie Bauern oder Pflanzer,
die ihrer Beschäftigung nach wenig auf den Verkehr mit anderen Laudesgenossen
angewiesen sind, meist zäher an alter Sitte und Sprache, als Städter, und von
diesen sind wieder Kleinstädter minder gefährdet als Großstädter, die viel
reichere und kräftigere Berührungen mit fremdnationalen Elementen haben.

Von größter Bedeutung für das Maß völkischer Widerstandskraft ist aber
auch die sprachliche, kulturelle und religiöse Beschaffenheit der Umgebung. In
englisch redenden Ländern paßt sich der Deutsche leicht den Einheimischen in
Sprache und Sitte an; auch in Gebieten mit französischer Verkehrssprache rst
es unter dem Eindruck der hochstehenden Kultur und der Eleganz der Sprache
noch vielfach der Fall, während in Ländern mit niedrigerer Kultur, wie in
Rußland oder im spanischen und portugiesischen Amerika der sprachliche und
kulturelle Widerstand sehr viel größer ist. Zu dem Kultur- und Nassenstolz
tritt seit 1870 auch vielfach ergänzend ein kräftig entwickeltes Nationalgefühl
und bei manchen deutschen Stämmen ist zudem das Beharrungsvermögen
besonders stark entwickelt (z. B. Schwaben). Und doch fallen tatsächlich noch
immer viele dem fremden Volkstum anheim, ein Prozeß, der namentlich oft
durch Verheiratung mit Einheimischen begünstigt wird. Das ist zu bedauern,
ab-r nicht zu ändern: in zahlreichen Fällen ist der vereinzelte junge Deutsche
eben eins wirtschaftlichen Gründen gar nicht in der Lage, eine deutsche Frau
heimzuführen, so daß er, wenn er nicht unverheiratet bleiben will, auf die
Wahl unter den Töchtern des Landes angewiesen ist. Dabei besteht oft genug
noch die Absicht einer Rückkehr nach Deutschland; aber beim Versuch, den Plan
auszuführen, zeigt sich nicht selten, daß die Frau nicht imstande ist. sich unseren
heimischen Verhältnissen anzupassen.

Zuweilen hindert auch die größere Ellenbogenfreiheit, die der Deutsche in
fremden Ländern findet, an der Rückkehr in unsere polizeilich eingeengten Ver-


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[0121] Das Deutschtum im Auslande mieden wird, während der Deutsche die Möglichkeit dazu nur in geringem Maße besitzt: so — aus klimatischen Gründen in kleinsten Umfang — in unseren Kolonien, oder aber in mehr oder minder geschlossenen deutschen SiedelungS- gebieten (etwa der Vereinigten Staaten oder Sttdbrasiliens), oder in Gegenden, wo durch gesellschaftliche, religiöse oder berufliche Bande ein engerer Zusammen¬ halt der Landsleute unter sich und rege geistige Verbindung mit der Heimat vorhanden sind. Wo aber Angehörige eines Volkes, gleichviel ob es sich um das deutsche oder ein anderes handelt, sehr lange ganz vereinzelt inmitten einer fremden Umgebung verweilen, da pflegt allmählich eine Anpassung und schließlich eine Eingliederung in das Fremdvolk einzutreten. , Diese Tatsache ist allgemein bekannt, und hat z. B. neuerdings dazu geführt, daß manche Staaten, wie Kanada, Brasilien und Rußland in Sibirien, fremdnationale Einwanderer nur noch in zerstreuten Siedelungen unterbringen, um den Einschmelzungsprozeß M erleichtern und zu beschleunigen. Freilich wirken auch andere Umstände mit: unter sonst gleichen Be¬ dingungen hängen Angehörige bodenständiger Berufe, wie Bauern oder Pflanzer, die ihrer Beschäftigung nach wenig auf den Verkehr mit anderen Laudesgenossen angewiesen sind, meist zäher an alter Sitte und Sprache, als Städter, und von diesen sind wieder Kleinstädter minder gefährdet als Großstädter, die viel reichere und kräftigere Berührungen mit fremdnationalen Elementen haben. Von größter Bedeutung für das Maß völkischer Widerstandskraft ist aber auch die sprachliche, kulturelle und religiöse Beschaffenheit der Umgebung. In englisch redenden Ländern paßt sich der Deutsche leicht den Einheimischen in Sprache und Sitte an; auch in Gebieten mit französischer Verkehrssprache rst es unter dem Eindruck der hochstehenden Kultur und der Eleganz der Sprache noch vielfach der Fall, während in Ländern mit niedrigerer Kultur, wie in Rußland oder im spanischen und portugiesischen Amerika der sprachliche und kulturelle Widerstand sehr viel größer ist. Zu dem Kultur- und Nassenstolz tritt seit 1870 auch vielfach ergänzend ein kräftig entwickeltes Nationalgefühl und bei manchen deutschen Stämmen ist zudem das Beharrungsvermögen besonders stark entwickelt (z. B. Schwaben). Und doch fallen tatsächlich noch immer viele dem fremden Volkstum anheim, ein Prozeß, der namentlich oft durch Verheiratung mit Einheimischen begünstigt wird. Das ist zu bedauern, ab-r nicht zu ändern: in zahlreichen Fällen ist der vereinzelte junge Deutsche eben eins wirtschaftlichen Gründen gar nicht in der Lage, eine deutsche Frau heimzuführen, so daß er, wenn er nicht unverheiratet bleiben will, auf die Wahl unter den Töchtern des Landes angewiesen ist. Dabei besteht oft genug noch die Absicht einer Rückkehr nach Deutschland; aber beim Versuch, den Plan auszuführen, zeigt sich nicht selten, daß die Frau nicht imstande ist. sich unseren heimischen Verhältnissen anzupassen. Zuweilen hindert auch die größere Ellenbogenfreiheit, die der Deutsche in fremden Ländern findet, an der Rückkehr in unsere polizeilich eingeengten Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/121>, abgerufen am 01.07.2024.