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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Die polnische Frage

Bald merkte man auch, welche Schwierigkeiten das neue Pole" für Preußen
bedeutete. Im März gab Graf v. Roon im preußischen Herrenhause der Be¬
fürchtung Ausdruck, daß Preußen sich damit eine schwere Last aufgeladen habe.
Er wünschte, diese Frage könnte wieder zurückredigiert werden oder, wenn das
nun nach der Proklamation nicht mehr möglich ist, dann müßte wenigstens
dafür gesorgt werden, daß Polen nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich
ganz fest in unserer Hand bleibt. Bekannt ist, daß die Polen im Preußischen
Abgeordnetenhause mit allerlei Ansprüchen hervortraten. Trotzdem der Abbau
der preußischen Polenpolitik ohnehin anfing, gründeten sie die neue "Stationale
Partei" in Posen, zur nachdrücklichen Verfolgung der polnischen Interessen.
Ja. die Verhältnisse verschärften sich derart, daß man geradezu schon vom Be¬
stehen einer polnischen "Jrridenta" in Preußen spricht. Erwähnenswert ist
auch, daß die bekannte in Wien herausgegebene Zeitschrift "Polen" sich in die
inneren Angelegenheiten des preußischen Staates einzumischen beginnt.

Einen "och bedeutend nachteiligeren Einfluß hatte die Schaffung des neuen
Polens auf Österreich. War seit 1868 das. was jetzt die Regierung und die
Deutschen Österreichs ihren Polen für Galizien anboten, deren höchste Sehn¬
sucht, so zeigte es sich bald, daß sie jetzt mit dem Ausbau der Sonderstellung
Galiziens nicht einverstanden waren. Schon im Januar 1917 konnte man aus
verschiedenen Anzeichen schließen/) daß die polnischen Führer diese Angelegenheit
nicht allzusehr förderten. Die galizische Handelskammer verschob die mit der
Sonderstellung des Landes zusammenhängenden Beratungen auf unbestimmte
Zeit. Es hatte sich offenbar gezeigt, daß Galizien ohne das österreichische Geld
und ohne den Einfluß der Polen in, österreichischen Parlament einer überaus
schweren, wirtschaftlichen Krise entgegengehe. Der Polenklub brachte diese Tat¬
sache in etwas verblümter Weise damit zum Ausdruck, daß er als Ergänzung
der politischen Landesautonomie die Gewährung einer solchen wirtschaftlichen
Bewegungsfreiheit forderte, welche die kulturelle Entwicklung des Landes zum
finanziellen und wirtschaftlichen Vorteil des Staates (welches?) gewähr¬
leisten würde. Wie weit die Forderungen der Polen an den österreichischen
Staatssäckel gingen, ist nicht bekannt. Jedenfalls gingen sie überaus weit, so
daß die Regierung nicht einwilligen konnte. Vor allem konnten den Polen die
Petroleumquellcn und Salzgruben nicht überlassen werden. Dazu kamen die
scharfen Proteste der Nuthenen, die im sondergestellten Galizien noch mehr den
Polen ausgeliefert worden wären und daher wieder die Abtrennung Ost-
galiziens forderten. Ebenso haben die galizischen Deutschen, unterstützt von
den anderen Karpathendeutschen, den völkischen Kreisen Deutschösterreichs, ferner
den deutschen Abgeordneten (auch dem Herrenhause) die Sonderstellung zwar
"icht bekämpft, aber die Wahrung der deutschen Rechte und der staatlichen



*) Dies konnte ich schon am Schlüsse meiner Ausführungen in der 2, Auflage von "Polen"
feststellen. Die Handschrist ging im Januar 1917 in Druck.
Die polnische Frage

Bald merkte man auch, welche Schwierigkeiten das neue Pole» für Preußen
bedeutete. Im März gab Graf v. Roon im preußischen Herrenhause der Be¬
fürchtung Ausdruck, daß Preußen sich damit eine schwere Last aufgeladen habe.
Er wünschte, diese Frage könnte wieder zurückredigiert werden oder, wenn das
nun nach der Proklamation nicht mehr möglich ist, dann müßte wenigstens
dafür gesorgt werden, daß Polen nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich
ganz fest in unserer Hand bleibt. Bekannt ist, daß die Polen im Preußischen
Abgeordnetenhause mit allerlei Ansprüchen hervortraten. Trotzdem der Abbau
der preußischen Polenpolitik ohnehin anfing, gründeten sie die neue „Stationale
Partei" in Posen, zur nachdrücklichen Verfolgung der polnischen Interessen.
Ja. die Verhältnisse verschärften sich derart, daß man geradezu schon vom Be¬
stehen einer polnischen „Jrridenta" in Preußen spricht. Erwähnenswert ist
auch, daß die bekannte in Wien herausgegebene Zeitschrift „Polen" sich in die
inneren Angelegenheiten des preußischen Staates einzumischen beginnt.

Einen «och bedeutend nachteiligeren Einfluß hatte die Schaffung des neuen
Polens auf Österreich. War seit 1868 das. was jetzt die Regierung und die
Deutschen Österreichs ihren Polen für Galizien anboten, deren höchste Sehn¬
sucht, so zeigte es sich bald, daß sie jetzt mit dem Ausbau der Sonderstellung
Galiziens nicht einverstanden waren. Schon im Januar 1917 konnte man aus
verschiedenen Anzeichen schließen/) daß die polnischen Führer diese Angelegenheit
nicht allzusehr förderten. Die galizische Handelskammer verschob die mit der
Sonderstellung des Landes zusammenhängenden Beratungen auf unbestimmte
Zeit. Es hatte sich offenbar gezeigt, daß Galizien ohne das österreichische Geld
und ohne den Einfluß der Polen in, österreichischen Parlament einer überaus
schweren, wirtschaftlichen Krise entgegengehe. Der Polenklub brachte diese Tat¬
sache in etwas verblümter Weise damit zum Ausdruck, daß er als Ergänzung
der politischen Landesautonomie die Gewährung einer solchen wirtschaftlichen
Bewegungsfreiheit forderte, welche die kulturelle Entwicklung des Landes zum
finanziellen und wirtschaftlichen Vorteil des Staates (welches?) gewähr¬
leisten würde. Wie weit die Forderungen der Polen an den österreichischen
Staatssäckel gingen, ist nicht bekannt. Jedenfalls gingen sie überaus weit, so
daß die Regierung nicht einwilligen konnte. Vor allem konnten den Polen die
Petroleumquellcn und Salzgruben nicht überlassen werden. Dazu kamen die
scharfen Proteste der Nuthenen, die im sondergestellten Galizien noch mehr den
Polen ausgeliefert worden wären und daher wieder die Abtrennung Ost-
galiziens forderten. Ebenso haben die galizischen Deutschen, unterstützt von
den anderen Karpathendeutschen, den völkischen Kreisen Deutschösterreichs, ferner
den deutschen Abgeordneten (auch dem Herrenhause) die Sonderstellung zwar
»icht bekämpft, aber die Wahrung der deutschen Rechte und der staatlichen



*) Dies konnte ich schon am Schlüsse meiner Ausführungen in der 2, Auflage von „Polen"
feststellen. Die Handschrist ging im Januar 1917 in Druck.
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[0101] Die polnische Frage Bald merkte man auch, welche Schwierigkeiten das neue Pole» für Preußen bedeutete. Im März gab Graf v. Roon im preußischen Herrenhause der Be¬ fürchtung Ausdruck, daß Preußen sich damit eine schwere Last aufgeladen habe. Er wünschte, diese Frage könnte wieder zurückredigiert werden oder, wenn das nun nach der Proklamation nicht mehr möglich ist, dann müßte wenigstens dafür gesorgt werden, daß Polen nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich ganz fest in unserer Hand bleibt. Bekannt ist, daß die Polen im Preußischen Abgeordnetenhause mit allerlei Ansprüchen hervortraten. Trotzdem der Abbau der preußischen Polenpolitik ohnehin anfing, gründeten sie die neue „Stationale Partei" in Posen, zur nachdrücklichen Verfolgung der polnischen Interessen. Ja. die Verhältnisse verschärften sich derart, daß man geradezu schon vom Be¬ stehen einer polnischen „Jrridenta" in Preußen spricht. Erwähnenswert ist auch, daß die bekannte in Wien herausgegebene Zeitschrift „Polen" sich in die inneren Angelegenheiten des preußischen Staates einzumischen beginnt. Einen «och bedeutend nachteiligeren Einfluß hatte die Schaffung des neuen Polens auf Österreich. War seit 1868 das. was jetzt die Regierung und die Deutschen Österreichs ihren Polen für Galizien anboten, deren höchste Sehn¬ sucht, so zeigte es sich bald, daß sie jetzt mit dem Ausbau der Sonderstellung Galiziens nicht einverstanden waren. Schon im Januar 1917 konnte man aus verschiedenen Anzeichen schließen/) daß die polnischen Führer diese Angelegenheit nicht allzusehr förderten. Die galizische Handelskammer verschob die mit der Sonderstellung des Landes zusammenhängenden Beratungen auf unbestimmte Zeit. Es hatte sich offenbar gezeigt, daß Galizien ohne das österreichische Geld und ohne den Einfluß der Polen in, österreichischen Parlament einer überaus schweren, wirtschaftlichen Krise entgegengehe. Der Polenklub brachte diese Tat¬ sache in etwas verblümter Weise damit zum Ausdruck, daß er als Ergänzung der politischen Landesautonomie die Gewährung einer solchen wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit forderte, welche die kulturelle Entwicklung des Landes zum finanziellen und wirtschaftlichen Vorteil des Staates (welches?) gewähr¬ leisten würde. Wie weit die Forderungen der Polen an den österreichischen Staatssäckel gingen, ist nicht bekannt. Jedenfalls gingen sie überaus weit, so daß die Regierung nicht einwilligen konnte. Vor allem konnten den Polen die Petroleumquellcn und Salzgruben nicht überlassen werden. Dazu kamen die scharfen Proteste der Nuthenen, die im sondergestellten Galizien noch mehr den Polen ausgeliefert worden wären und daher wieder die Abtrennung Ost- galiziens forderten. Ebenso haben die galizischen Deutschen, unterstützt von den anderen Karpathendeutschen, den völkischen Kreisen Deutschösterreichs, ferner den deutschen Abgeordneten (auch dem Herrenhause) die Sonderstellung zwar »icht bekämpft, aber die Wahrung der deutschen Rechte und der staatlichen *) Dies konnte ich schon am Schlüsse meiner Ausführungen in der 2, Auflage von „Polen" feststellen. Die Handschrist ging im Januar 1917 in Druck.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/101>, abgerufen am 01.07.2024.