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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr.

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Bilder aus dem Liebesleben gekrönter Häupter

jeden Zweifel erhaben gewesen sein -- meinte zwar, als sie davon hörte:
"es6Ja8. ce no 8ont pas toujour8 les remoräs, mais les reZrets."

War es hier vielleicht die Reinheit einer edlen Frauenseele, die Alexander
anzog, so zeigte er sich in anderen Fällen keineswegs abgeneigt, der Venus
zu opfern, wenn sie ihm auf den Straßen der Stadt. Mammon für ihre
Gaben heischend, in Gestalt eines hübschen Mädchens entgegentrat, ja er hatte
sich aus Petersburg ein paar Maitressen mitgebracht, deren gut bürgerliche
Namen zu den klangvollen Titeln der aristokratischen Schönheiten seines gesell¬
schaftlichen Kreises in schreienden Gegensatze standen; die eine hieß Frau
Schwarz, die andere gar Frau Schmidt. Besonders jene war sehr stolz darauf,
die Geliebte ihres Landesherrn zu sein, während ihr Gatte, der weniger Ge¬
wicht auf die Integrität seiner Ehe als auf einen wohlgefüllten Geldsack legte,
die ihn kompromittierenden Beziehungen begünstigte, da sie ihm gewinnreiche
Verträge mit der russischen Armeeverwaltung verschafften. Allerdings blieb der
Zar in der Gunst der begehrenswerter Dame nicht ohne Konkurrenz; ein
dänischer Kammerjunker v. Schollen, der eine stattliche Erscheinung und eben¬
falls in der Lage war, kostbare Geschenke zu machen, trat bald als erfolgreicher
Rivale auf und verstand es, sein Liebesglück gar noch politisch nutzbar zu
machen, indem er manches in Erfahrung brachte, was Alexander während ver¬
trauter Stunden mit seiner Freundin besprach.

Andersartig als die Herzensneigungen des russischen Herrn zeigten sich,
dem völlig verschiedenen Naturell entsprechend, diejenigen König Friedrich
Wilhelms des Dritten von Preußen, den man in Wien wegen seines engen An¬
schlusses an den Zaren als dessen Satelliten zu bezeichnen pflegte. Die Gegen¬
sätze zogen sich auch hier an: strahlte Alexander in Glanz und Anmut, so trat
der Zöller schlicht und männlich auf. Groß, steif und kalt, wie er war, nannte
ihn der geistvolle Fürst Ligne eine "iiZurs ä'arsenal." Wenn man ihn auf
dem erwähnten Karikaturblatte mit den Worten charakterisierte: "Er denkt für
alle", so überschätzte diese Zensur seine geistige Bedeutung zwar ganz erheblich,
aber das bescheidene und dabei würdevolle, mit achtunggebietendem Ernste ge¬
paarte Wesen des oft und schwer geprüften Monarchen gefiel den Wienern
nichtsdestoweniger ungemein. Die Müßiggänger vom Graben, einer Haupt¬
promenade der Stadt, wollten ihn bald mit der verwitweten Prinzessin von
Oldenburg, bald mit einer Erzherzogin, bald sogar mit der Kaiserin Marie
Luise verheiraten -- lauter Hirngespinste; aber so fern ihm selbst solche Pläne
lagen, manchmal machte er doch, verstimmt durch den schlechten Gang seiner
politischen Geschäfte, ganz gern die Rechte an das Leben geltend, die ihm vier
Jahre der Trauer um seine Heimgegangene Gemahlin vorenthalten hatten.
Der vierundzwanzigjährigett schönen Gräfin Julie Ziehn, einer geborenen Festetics,
mit ihrer bezaubernden Anmut und ihrem Madonnengestcht, der tugendhaftesten
Frau Wiens, wie die Gräfin Bernstorff sie in ihren Memoiren nennt, war
sein Herz zum Opfer gefallen. Sie stellte die "beautö Löleste" des Kongresses


Bilder aus dem Liebesleben gekrönter Häupter

jeden Zweifel erhaben gewesen sein — meinte zwar, als sie davon hörte:
„es6Ja8. ce no 8ont pas toujour8 les remoräs, mais les reZrets."

War es hier vielleicht die Reinheit einer edlen Frauenseele, die Alexander
anzog, so zeigte er sich in anderen Fällen keineswegs abgeneigt, der Venus
zu opfern, wenn sie ihm auf den Straßen der Stadt. Mammon für ihre
Gaben heischend, in Gestalt eines hübschen Mädchens entgegentrat, ja er hatte
sich aus Petersburg ein paar Maitressen mitgebracht, deren gut bürgerliche
Namen zu den klangvollen Titeln der aristokratischen Schönheiten seines gesell¬
schaftlichen Kreises in schreienden Gegensatze standen; die eine hieß Frau
Schwarz, die andere gar Frau Schmidt. Besonders jene war sehr stolz darauf,
die Geliebte ihres Landesherrn zu sein, während ihr Gatte, der weniger Ge¬
wicht auf die Integrität seiner Ehe als auf einen wohlgefüllten Geldsack legte,
die ihn kompromittierenden Beziehungen begünstigte, da sie ihm gewinnreiche
Verträge mit der russischen Armeeverwaltung verschafften. Allerdings blieb der
Zar in der Gunst der begehrenswerter Dame nicht ohne Konkurrenz; ein
dänischer Kammerjunker v. Schollen, der eine stattliche Erscheinung und eben¬
falls in der Lage war, kostbare Geschenke zu machen, trat bald als erfolgreicher
Rivale auf und verstand es, sein Liebesglück gar noch politisch nutzbar zu
machen, indem er manches in Erfahrung brachte, was Alexander während ver¬
trauter Stunden mit seiner Freundin besprach.

Andersartig als die Herzensneigungen des russischen Herrn zeigten sich,
dem völlig verschiedenen Naturell entsprechend, diejenigen König Friedrich
Wilhelms des Dritten von Preußen, den man in Wien wegen seines engen An¬
schlusses an den Zaren als dessen Satelliten zu bezeichnen pflegte. Die Gegen¬
sätze zogen sich auch hier an: strahlte Alexander in Glanz und Anmut, so trat
der Zöller schlicht und männlich auf. Groß, steif und kalt, wie er war, nannte
ihn der geistvolle Fürst Ligne eine „iiZurs ä'arsenal." Wenn man ihn auf
dem erwähnten Karikaturblatte mit den Worten charakterisierte: „Er denkt für
alle", so überschätzte diese Zensur seine geistige Bedeutung zwar ganz erheblich,
aber das bescheidene und dabei würdevolle, mit achtunggebietendem Ernste ge¬
paarte Wesen des oft und schwer geprüften Monarchen gefiel den Wienern
nichtsdestoweniger ungemein. Die Müßiggänger vom Graben, einer Haupt¬
promenade der Stadt, wollten ihn bald mit der verwitweten Prinzessin von
Oldenburg, bald mit einer Erzherzogin, bald sogar mit der Kaiserin Marie
Luise verheiraten — lauter Hirngespinste; aber so fern ihm selbst solche Pläne
lagen, manchmal machte er doch, verstimmt durch den schlechten Gang seiner
politischen Geschäfte, ganz gern die Rechte an das Leben geltend, die ihm vier
Jahre der Trauer um seine Heimgegangene Gemahlin vorenthalten hatten.
Der vierundzwanzigjährigett schönen Gräfin Julie Ziehn, einer geborenen Festetics,
mit ihrer bezaubernden Anmut und ihrem Madonnengestcht, der tugendhaftesten
Frau Wiens, wie die Gräfin Bernstorff sie in ihren Memoiren nennt, war
sein Herz zum Opfer gefallen. Sie stellte die „beautö Löleste" des Kongresses


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331841/165>, abgerufen am 16.01.2025.