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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr.

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Bilder aus dem Liebesleben gekrönter Häupter

dar, und auch Friedrich v. Gentz spricht in seinen Schriften von ihrer "beautö
vraiment alpine-" und an anderer Stelle von der "incomparable beautö"
der begnadeten Frau. Ihretwegen entzweiten sich eines Tages beim Blinde¬
kuhspiel die Kronprinzen von Bayern und von Württemberg so heftig, daß es
fast zum Zweikampfe zwischen ihnen gekommen wäre. Welches Ansehens sich
das Zichnsche Haus, die "Königsherberge", wie neidische Zungen es nannten,
erfreute, kann man daraus entnehmen, daß hier am Abend des 31. Dezember
1814 alle Monarchen das neue Jahr erwarteten; die Wirtin selbst, die gut
und interessant zu sprechen wußte, toastete beim Jahreswechsel auf die Er¬
haltung des allgemeinen Friedens und die Einigkeit aller Völker. Diese Frau
also, die ihn an die Königin Luise erinnert haben soll, war der Magnet, der
den sonst so zurückhaltender Friedrich Wilhelm in dem Maße anzog, daß die
Wiener Polizeiakten sagen: "Er war verliebt in sie wie ein junger Mensch von
zwanzig Jahren." Gelegentlich der oben erwähnten Schlittenpartie fuhr er
denn auch seine Herzensdame. Die Beziehungen zu ihr hielten sich allerdings
durchaus in den Grenzen des Konventionellen; er erzählte seiner Auserkorenen
beispielsweise, wie in Potsdam die Parade aufmarschiere, wie die Preußen
früher ganz anders uniformiert gewesen seien als zur Zeit der Befreiungskriege
und derartige interessante Dinge mehr -- eine Art der Konversation, die den
sicheren Schluß zuläßt, der Kampf der tugendhaften Julie werde kein allzu
schwerer gewesen sein. Eine niedliche Geschichte darf hier vielleicht eingeflochten
werden, geeignet, den Ton zu kennzeichnen, der zwischen beiden geherrscht haben
soll. Der König begegnete eines Tages seiner Flamme, als sie mit einem
Gebetbuche aus der Kirche kam. "Sie haben ein hübsches Gebetbuch, schöne
Gräfin", sagte er. "Es steht Ew. Majestät zu Befehlen," antwortete jene.
Friedrich Wilhelm nahm das Buch mit nach Hause, durchblätterte es und ent¬
deckte, daß es das Geschenk einer Freundin war, die sich eingetragen hatte mit
den Worten: "Ich liebe dich ewig; liebe mich ebenso." Der König schrieb
darunter: "Ich tue, was sie tat; ich bitte, wie sie bat," und gab dann das
Buch zurück -- eine Erzählung, deren Authentizität über jeden Zweifel er¬
haben sein würde, wenn der geistvolle Friedrich Wilhelm der Vierte ihr Held
wäre; der ganzen Persönlichkeit des dritten Königs dieses Namens entspricht sie
so wenig, daß sie leider ins Gebiet der Fabel zu verweisen sein dürfte. Man
kann nicht Feigen lesen von den Disteln. Sehr schmerzlich soll der Abschied
des Fürsten von der schönen Gräfin im Mai 131S gewesen sein; er weinte
wie ein Kind, lesen wir in Fourniers "Geheimpolizei auf dem Wiener
Kongreß".

Als letzten der gekrönten Herren, die sich in der leichtlebigen Stadt am
Donaustrome mit Liebesbanden umstricken ließen, betrachten wir König Friedrich
den Sechsten von Dänemark. Sohn des schwachsinnigen Christians des Siebenten
und der unglücklichen Karoline Mathilde, die, des Ehebruchs mit dem Premier¬
minister Struensee angeklagt, in die Verbannung gehen mußte, stand der mit


Bilder aus dem Liebesleben gekrönter Häupter

dar, und auch Friedrich v. Gentz spricht in seinen Schriften von ihrer „beautö
vraiment alpine-" und an anderer Stelle von der „incomparable beautö"
der begnadeten Frau. Ihretwegen entzweiten sich eines Tages beim Blinde¬
kuhspiel die Kronprinzen von Bayern und von Württemberg so heftig, daß es
fast zum Zweikampfe zwischen ihnen gekommen wäre. Welches Ansehens sich
das Zichnsche Haus, die „Königsherberge", wie neidische Zungen es nannten,
erfreute, kann man daraus entnehmen, daß hier am Abend des 31. Dezember
1814 alle Monarchen das neue Jahr erwarteten; die Wirtin selbst, die gut
und interessant zu sprechen wußte, toastete beim Jahreswechsel auf die Er¬
haltung des allgemeinen Friedens und die Einigkeit aller Völker. Diese Frau
also, die ihn an die Königin Luise erinnert haben soll, war der Magnet, der
den sonst so zurückhaltender Friedrich Wilhelm in dem Maße anzog, daß die
Wiener Polizeiakten sagen: „Er war verliebt in sie wie ein junger Mensch von
zwanzig Jahren." Gelegentlich der oben erwähnten Schlittenpartie fuhr er
denn auch seine Herzensdame. Die Beziehungen zu ihr hielten sich allerdings
durchaus in den Grenzen des Konventionellen; er erzählte seiner Auserkorenen
beispielsweise, wie in Potsdam die Parade aufmarschiere, wie die Preußen
früher ganz anders uniformiert gewesen seien als zur Zeit der Befreiungskriege
und derartige interessante Dinge mehr — eine Art der Konversation, die den
sicheren Schluß zuläßt, der Kampf der tugendhaften Julie werde kein allzu
schwerer gewesen sein. Eine niedliche Geschichte darf hier vielleicht eingeflochten
werden, geeignet, den Ton zu kennzeichnen, der zwischen beiden geherrscht haben
soll. Der König begegnete eines Tages seiner Flamme, als sie mit einem
Gebetbuche aus der Kirche kam. „Sie haben ein hübsches Gebetbuch, schöne
Gräfin", sagte er. „Es steht Ew. Majestät zu Befehlen," antwortete jene.
Friedrich Wilhelm nahm das Buch mit nach Hause, durchblätterte es und ent¬
deckte, daß es das Geschenk einer Freundin war, die sich eingetragen hatte mit
den Worten: „Ich liebe dich ewig; liebe mich ebenso." Der König schrieb
darunter: „Ich tue, was sie tat; ich bitte, wie sie bat," und gab dann das
Buch zurück — eine Erzählung, deren Authentizität über jeden Zweifel er¬
haben sein würde, wenn der geistvolle Friedrich Wilhelm der Vierte ihr Held
wäre; der ganzen Persönlichkeit des dritten Königs dieses Namens entspricht sie
so wenig, daß sie leider ins Gebiet der Fabel zu verweisen sein dürfte. Man
kann nicht Feigen lesen von den Disteln. Sehr schmerzlich soll der Abschied
des Fürsten von der schönen Gräfin im Mai 131S gewesen sein; er weinte
wie ein Kind, lesen wir in Fourniers „Geheimpolizei auf dem Wiener
Kongreß".

Als letzten der gekrönten Herren, die sich in der leichtlebigen Stadt am
Donaustrome mit Liebesbanden umstricken ließen, betrachten wir König Friedrich
den Sechsten von Dänemark. Sohn des schwachsinnigen Christians des Siebenten
und der unglücklichen Karoline Mathilde, die, des Ehebruchs mit dem Premier¬
minister Struensee angeklagt, in die Verbannung gehen mußte, stand der mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331841/166>, abgerufen am 16.01.2025.