Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Deutschkunde oder Germanistik?

und Wirtschaftsgeographie Deutschlands. Allgemeine Volkswirtschaftslehre mit
besonderer Berücksichtigung der deutschen Verhältnisse. Ethnographie der euro¬
päischen Völker, deutsche Ethnographie. Bodenfunde und Urgeschichte Deutsch,
lands.

II. Indogermanische Sprachzusammenhänge: Geschichte der germanischen
Sprachen? gotische, althochdeutsche, altsächfische, Mittel- und neuhochdeutsche
Sprachkunde: die deutschen Mundarten in Vergangenheit und Gegenwart und
ihr Verhältnis zur Schriftsprache; Lehnwort und Fremdwort (im Zusammen¬
hang mit der Kulturgeschichte). -- Deutsche Grammatik, Metrik, Stilistik.
Dispofitionslehre.

III. Vergleichende Volkskunde und Religionskunde der indogermanischen
Völker; germanische Mythologie und Heldensage; deutsche Sage und deutsches
Märchen; die Formen des Glaubens und Aberglaubens auf deutschem Boden
(mit Vergleichen aus anderen Völkern); deutsche Volkskunde und Volkskunde
einzelner Stämme und Landschaften (in Beziehung zum Stammes- und Land¬
schaftscharakter). Deutsche Altertumskunde; Geschichte der deutschen Kultur (mit
starker Berücksichtigung der aktiven und passiven Übernahmen anderer Völker);
im einzelnen: Geschichte der deutschen Kunst; Geschichte der Musik in Deutschland;
Geschichte der Dichtung des deutschen Volkes (auch der fremdsprachlichen);
deutsche Rechtsgeschichte; deutsche Wirtschafts-, Handels- und Kolonialgeschichte;
deutsche Sozialgeschichte; Geschichte der deutschen Philosophie und Pädagogik;
Geschichte des religiösen Gefühls in seinen Auswirkungsformen im deutsche"
Volke. Politische Geschichte des deutschen Volkes, Verfassungsgeschichte Deutsch¬
lands; Geschichte der Politisierung des deutschen Volkes; Bürgerkunde.

IV. Kulturphilosophie; Geschichtsphilosophie. Ästhetik; Ethik; Politik.
Experimentelle Psychologie; Logik; Methodik des Deutschkundeunterrichts.

Die Liste scheint außerordentlich reichhaltig, und man wird praktisch von
den hier aufgestellten Forderungen manches ermäßigen müssen, auch der
Spezialisierung, wie erwähnt, freie Bahn lassen. Aber die Gegenstünde, wie
ste sich hier um das Zentrum "Deutsches Volkstum" gruppieren, scheinen mir
doch einer Synthese im Geiste des Studierenden fähiger zu sein als die oft
nach äußerlichen Gesichtspunkten getroffene Zusammenstellung der prüfungs-
w-äßig zu erwerbenden "Fakultäten". Denn natürlich würde der künftige
Deutschkundelehrer von der Hinzunahme von Nebenfächern zu befreien sein; er
würde sich ganz dem erwählten großen Fache hingeben können, und er sollte
wirken als ein Priester seines Volkstums. Er wird eine dankbare und an¬
dächtige Gemeinde finden.




Frühlingsahnen zieht durch unser Land. Fremdes ist abgeschüttelt, das
Bewußtsein deutscher Kraft, aber auch deutscher Innerlichkeit, deutschen Wertes
ist uns aufgegangen. In dem Ringen unserer äußeren Stärke, im Siege
unserer überlegenen Intelligenz wächst uns auch das Wissen um die deutsche


^renzboten II 1917 10
Deutschkunde oder Germanistik?

und Wirtschaftsgeographie Deutschlands. Allgemeine Volkswirtschaftslehre mit
besonderer Berücksichtigung der deutschen Verhältnisse. Ethnographie der euro¬
päischen Völker, deutsche Ethnographie. Bodenfunde und Urgeschichte Deutsch,
lands.

II. Indogermanische Sprachzusammenhänge: Geschichte der germanischen
Sprachen? gotische, althochdeutsche, altsächfische, Mittel- und neuhochdeutsche
Sprachkunde: die deutschen Mundarten in Vergangenheit und Gegenwart und
ihr Verhältnis zur Schriftsprache; Lehnwort und Fremdwort (im Zusammen¬
hang mit der Kulturgeschichte). — Deutsche Grammatik, Metrik, Stilistik.
Dispofitionslehre.

III. Vergleichende Volkskunde und Religionskunde der indogermanischen
Völker; germanische Mythologie und Heldensage; deutsche Sage und deutsches
Märchen; die Formen des Glaubens und Aberglaubens auf deutschem Boden
(mit Vergleichen aus anderen Völkern); deutsche Volkskunde und Volkskunde
einzelner Stämme und Landschaften (in Beziehung zum Stammes- und Land¬
schaftscharakter). Deutsche Altertumskunde; Geschichte der deutschen Kultur (mit
starker Berücksichtigung der aktiven und passiven Übernahmen anderer Völker);
im einzelnen: Geschichte der deutschen Kunst; Geschichte der Musik in Deutschland;
Geschichte der Dichtung des deutschen Volkes (auch der fremdsprachlichen);
deutsche Rechtsgeschichte; deutsche Wirtschafts-, Handels- und Kolonialgeschichte;
deutsche Sozialgeschichte; Geschichte der deutschen Philosophie und Pädagogik;
Geschichte des religiösen Gefühls in seinen Auswirkungsformen im deutsche»
Volke. Politische Geschichte des deutschen Volkes, Verfassungsgeschichte Deutsch¬
lands; Geschichte der Politisierung des deutschen Volkes; Bürgerkunde.

IV. Kulturphilosophie; Geschichtsphilosophie. Ästhetik; Ethik; Politik.
Experimentelle Psychologie; Logik; Methodik des Deutschkundeunterrichts.

Die Liste scheint außerordentlich reichhaltig, und man wird praktisch von
den hier aufgestellten Forderungen manches ermäßigen müssen, auch der
Spezialisierung, wie erwähnt, freie Bahn lassen. Aber die Gegenstünde, wie
ste sich hier um das Zentrum „Deutsches Volkstum" gruppieren, scheinen mir
doch einer Synthese im Geiste des Studierenden fähiger zu sein als die oft
nach äußerlichen Gesichtspunkten getroffene Zusammenstellung der prüfungs-
w-äßig zu erwerbenden „Fakultäten". Denn natürlich würde der künftige
Deutschkundelehrer von der Hinzunahme von Nebenfächern zu befreien sein; er
würde sich ganz dem erwählten großen Fache hingeben können, und er sollte
wirken als ein Priester seines Volkstums. Er wird eine dankbare und an¬
dächtige Gemeinde finden.




Frühlingsahnen zieht durch unser Land. Fremdes ist abgeschüttelt, das
Bewußtsein deutscher Kraft, aber auch deutscher Innerlichkeit, deutschen Wertes
ist uns aufgegangen. In dem Ringen unserer äußeren Stärke, im Siege
unserer überlegenen Intelligenz wächst uns auch das Wissen um die deutsche


^renzboten II 1917 10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0158" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/332000"/>
          <fw type="header" place="top"> Deutschkunde oder Germanistik?</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_411" prev="#ID_410"> und Wirtschaftsgeographie Deutschlands. Allgemeine Volkswirtschaftslehre mit<lb/>
besonderer Berücksichtigung der deutschen Verhältnisse. Ethnographie der euro¬<lb/>
päischen Völker, deutsche Ethnographie. Bodenfunde und Urgeschichte Deutsch,<lb/>
lands.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_412"> II. Indogermanische Sprachzusammenhänge: Geschichte der germanischen<lb/>
Sprachen? gotische, althochdeutsche, altsächfische, Mittel- und neuhochdeutsche<lb/>
Sprachkunde: die deutschen Mundarten in Vergangenheit und Gegenwart und<lb/>
ihr Verhältnis zur Schriftsprache; Lehnwort und Fremdwort (im Zusammen¬<lb/>
hang mit der Kulturgeschichte). &#x2014; Deutsche Grammatik, Metrik, Stilistik.<lb/>
Dispofitionslehre.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_413"> III. Vergleichende Volkskunde und Religionskunde der indogermanischen<lb/>
Völker; germanische Mythologie und Heldensage; deutsche Sage und deutsches<lb/>
Märchen; die Formen des Glaubens und Aberglaubens auf deutschem Boden<lb/>
(mit Vergleichen aus anderen Völkern); deutsche Volkskunde und Volkskunde<lb/>
einzelner Stämme und Landschaften (in Beziehung zum Stammes- und Land¬<lb/>
schaftscharakter). Deutsche Altertumskunde; Geschichte der deutschen Kultur (mit<lb/>
starker Berücksichtigung der aktiven und passiven Übernahmen anderer Völker);<lb/>
im einzelnen: Geschichte der deutschen Kunst; Geschichte der Musik in Deutschland;<lb/>
Geschichte der Dichtung des deutschen Volkes (auch der fremdsprachlichen);<lb/>
deutsche Rechtsgeschichte; deutsche Wirtschafts-, Handels- und Kolonialgeschichte;<lb/>
deutsche Sozialgeschichte; Geschichte der deutschen Philosophie und Pädagogik;<lb/>
Geschichte des religiösen Gefühls in seinen Auswirkungsformen im deutsche»<lb/>
Volke. Politische Geschichte des deutschen Volkes, Verfassungsgeschichte Deutsch¬<lb/>
lands; Geschichte der Politisierung des deutschen Volkes; Bürgerkunde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_414"> IV. Kulturphilosophie; Geschichtsphilosophie. Ästhetik; Ethik; Politik.<lb/>
Experimentelle Psychologie; Logik; Methodik des Deutschkundeunterrichts.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_415"> Die Liste scheint außerordentlich reichhaltig, und man wird praktisch von<lb/>
den hier aufgestellten Forderungen manches ermäßigen müssen, auch der<lb/>
Spezialisierung, wie erwähnt, freie Bahn lassen. Aber die Gegenstünde, wie<lb/>
ste sich hier um das Zentrum &#x201E;Deutsches Volkstum" gruppieren, scheinen mir<lb/>
doch einer Synthese im Geiste des Studierenden fähiger zu sein als die oft<lb/>
nach äußerlichen Gesichtspunkten getroffene Zusammenstellung der prüfungs-<lb/>
w-äßig zu erwerbenden &#x201E;Fakultäten". Denn natürlich würde der künftige<lb/>
Deutschkundelehrer von der Hinzunahme von Nebenfächern zu befreien sein; er<lb/>
würde sich ganz dem erwählten großen Fache hingeben können, und er sollte<lb/>
wirken als ein Priester seines Volkstums. Er wird eine dankbare und an¬<lb/>
dächtige Gemeinde finden.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_416" next="#ID_417"> Frühlingsahnen zieht durch unser Land. Fremdes ist abgeschüttelt, das<lb/>
Bewußtsein deutscher Kraft, aber auch deutscher Innerlichkeit, deutschen Wertes<lb/>
ist uns aufgegangen. In dem Ringen unserer äußeren Stärke, im Siege<lb/>
unserer überlegenen Intelligenz wächst uns auch das Wissen um die deutsche</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> ^renzboten II 1917 10</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0158] Deutschkunde oder Germanistik? und Wirtschaftsgeographie Deutschlands. Allgemeine Volkswirtschaftslehre mit besonderer Berücksichtigung der deutschen Verhältnisse. Ethnographie der euro¬ päischen Völker, deutsche Ethnographie. Bodenfunde und Urgeschichte Deutsch, lands. II. Indogermanische Sprachzusammenhänge: Geschichte der germanischen Sprachen? gotische, althochdeutsche, altsächfische, Mittel- und neuhochdeutsche Sprachkunde: die deutschen Mundarten in Vergangenheit und Gegenwart und ihr Verhältnis zur Schriftsprache; Lehnwort und Fremdwort (im Zusammen¬ hang mit der Kulturgeschichte). — Deutsche Grammatik, Metrik, Stilistik. Dispofitionslehre. III. Vergleichende Volkskunde und Religionskunde der indogermanischen Völker; germanische Mythologie und Heldensage; deutsche Sage und deutsches Märchen; die Formen des Glaubens und Aberglaubens auf deutschem Boden (mit Vergleichen aus anderen Völkern); deutsche Volkskunde und Volkskunde einzelner Stämme und Landschaften (in Beziehung zum Stammes- und Land¬ schaftscharakter). Deutsche Altertumskunde; Geschichte der deutschen Kultur (mit starker Berücksichtigung der aktiven und passiven Übernahmen anderer Völker); im einzelnen: Geschichte der deutschen Kunst; Geschichte der Musik in Deutschland; Geschichte der Dichtung des deutschen Volkes (auch der fremdsprachlichen); deutsche Rechtsgeschichte; deutsche Wirtschafts-, Handels- und Kolonialgeschichte; deutsche Sozialgeschichte; Geschichte der deutschen Philosophie und Pädagogik; Geschichte des religiösen Gefühls in seinen Auswirkungsformen im deutsche» Volke. Politische Geschichte des deutschen Volkes, Verfassungsgeschichte Deutsch¬ lands; Geschichte der Politisierung des deutschen Volkes; Bürgerkunde. IV. Kulturphilosophie; Geschichtsphilosophie. Ästhetik; Ethik; Politik. Experimentelle Psychologie; Logik; Methodik des Deutschkundeunterrichts. Die Liste scheint außerordentlich reichhaltig, und man wird praktisch von den hier aufgestellten Forderungen manches ermäßigen müssen, auch der Spezialisierung, wie erwähnt, freie Bahn lassen. Aber die Gegenstünde, wie ste sich hier um das Zentrum „Deutsches Volkstum" gruppieren, scheinen mir doch einer Synthese im Geiste des Studierenden fähiger zu sein als die oft nach äußerlichen Gesichtspunkten getroffene Zusammenstellung der prüfungs- w-äßig zu erwerbenden „Fakultäten". Denn natürlich würde der künftige Deutschkundelehrer von der Hinzunahme von Nebenfächern zu befreien sein; er würde sich ganz dem erwählten großen Fache hingeben können, und er sollte wirken als ein Priester seines Volkstums. Er wird eine dankbare und an¬ dächtige Gemeinde finden. Frühlingsahnen zieht durch unser Land. Fremdes ist abgeschüttelt, das Bewußtsein deutscher Kraft, aber auch deutscher Innerlichkeit, deutschen Wertes ist uns aufgegangen. In dem Ringen unserer äußeren Stärke, im Siege unserer überlegenen Intelligenz wächst uns auch das Wissen um die deutsche ^renzboten II 1917 10

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331841/158
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331841/158>, abgerufen am 15.01.2025.