Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr.Zur Erklärung des französischen Einflusses auf Holland französische Geistesleben in Holland vor dem deutschen voraus. Zudem atmet Die holländische Sprache ist schwerfällig und klanglos. Sie entbehrt für Dagegen hat die französische Sprache auch im Alltag einen unwiderstehlichen Der Holländer, den die geographische Lage seines Landes immer zu einer Holland steht seinem direkten westlichen Nachbarstaat Belgien ganz anders Zur Erklärung des französischen Einflusses auf Holland französische Geistesleben in Holland vor dem deutschen voraus. Zudem atmet Die holländische Sprache ist schwerfällig und klanglos. Sie entbehrt für Dagegen hat die französische Sprache auch im Alltag einen unwiderstehlichen Der Holländer, den die geographische Lage seines Landes immer zu einer Holland steht seinem direkten westlichen Nachbarstaat Belgien ganz anders <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0136" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/331978"/> <fw type="header" place="top"> Zur Erklärung des französischen Einflusses auf Holland</fw><lb/> <p xml:id="ID_326" prev="#ID_325"> französische Geistesleben in Holland vor dem deutschen voraus. Zudem atmet<lb/> die französische Sprache eine auch in den Augen des Holländers anerkannt alte<lb/> und hochgezüchtete Kultur, die der holländischen sehr wesensfremd ist. Diese<lb/> Wesensfremdheit aber wirkt auf den Niederländer besonders anziehend und<lb/> begehrenswert, weil Holland selbst, im gesicherten Besitze einer alten Kultur,<lb/> die so lange vererbt ist, daß sie keiner mühevollen Aneignung und Arbeit des<lb/> einzelnen mehr bedarf, nun geneigt und auch schon darauf angewiesen ist, sich<lb/> mit der Kultur einer anderen Rasse zu verbinden und sich neuen Lebensstoff<lb/> zuzuführen.</p><lb/> <p xml:id="ID_327"> Die holländische Sprache ist schwerfällig und klanglos. Sie entbehrt für<lb/> den Ausländer auch in ernsten Situationen nie einer gewissen Komik und der<lb/> Verdacht eines Dialekts wird ihr immer anhaften. Welche Möglichkeiten<lb/> irisierender und zarter Dichtung in dieser Sprache verborgen sind, wird nur<lb/> wenigen Fremden offenbar, denn die holländische Umgangssprache verrät davon<lb/> nichts. Und bis zum Verständnis der Dichtungen eines Borel und Frederik<lb/> van Eeden führt ein längerer und kein müheloser Weg.</p><lb/> <p xml:id="ID_328"> Dagegen hat die französische Sprache auch im Alltag einen unwiderstehlichen<lb/> Charme und wenn man einmal unter lauter Holländern zwischen den farblosen<lb/> Kehllauten ihrer Sprache eine französische Unterhaltung hört, so wirkt das<lb/> Klingende und Wechselvolle im Ausdruck dieser romanischen Sprache auffallend<lb/> stark faszinierend auf das Ohr. Auch auf einen Deutschen.</p><lb/> <p xml:id="ID_329"> Der Holländer, den die geographische Lage seines Landes immer zu einer<lb/> praktischen und verstandeskühlen Überlegung nötigt, dessen größte und lebensvollste<lb/> Städte hauptsächlich die bedeutendsten Häfen des Landes repräsentieren, wird<lb/> von dem müheloser genießenden Franzosen, dessen Lebenszentrum, Paris, ein¬<lb/> gebettet inmitten eines fruchtbaren Landes liegt, immer angezogen werden.<lb/> Allein mit dem Namensklange Paris verbinden sich für den Holländer Vor¬<lb/> stellungen von einem amüsanten vornehmen Gesellschaftsleben, von Musik,<lb/> Premiören. Kunstsalons und von Genüssen in unerschöpflicher Fülle. Und<lb/> der Holländer will jetzt in jeder Hinsicht genießen. Er braucht das Fremd¬<lb/> artige und Leichte in Kunst und Lebenshaltung zum Slnreiz seiner müde ge¬<lb/> wordenen und erschlafften Sinne.</p><lb/> <p xml:id="ID_330" next="#ID_331"> Holland steht seinem direkten westlichen Nachbarstaat Belgien ganz anders<lb/> gegenüber. Diese Tatsache stellt die Begründung des großen französischen Ein¬<lb/> flusses aus die Niederlande in noch schärfer umrissenes Licht. Die Sympathien<lb/> für die Belgier, die jetzt in Holland naturgemäß stark in den Vordergrund<lb/> treten, und an deren wirklichem Vorhandensein auch noch sehr gezweifelt werden<lb/> kann, nähren sich an dem stolzen Gefühl. Heimatlose und Vertriebene beschirmen<lb/> SU können, an der Sympathie für Frankreich und an der Sorge vor einem<lb/> gleichen Geschick. Einen kulturellen Einfluß könnte Belgien niemals auf Holland<lb/> gewinnen, denn der Holländer weiß mit seinen ererbten Instinkten für echte<lb/> Kultur den französischen Abglanz,, der die Belgier wie ein abgetragenes Ge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0136]
Zur Erklärung des französischen Einflusses auf Holland
französische Geistesleben in Holland vor dem deutschen voraus. Zudem atmet
die französische Sprache eine auch in den Augen des Holländers anerkannt alte
und hochgezüchtete Kultur, die der holländischen sehr wesensfremd ist. Diese
Wesensfremdheit aber wirkt auf den Niederländer besonders anziehend und
begehrenswert, weil Holland selbst, im gesicherten Besitze einer alten Kultur,
die so lange vererbt ist, daß sie keiner mühevollen Aneignung und Arbeit des
einzelnen mehr bedarf, nun geneigt und auch schon darauf angewiesen ist, sich
mit der Kultur einer anderen Rasse zu verbinden und sich neuen Lebensstoff
zuzuführen.
Die holländische Sprache ist schwerfällig und klanglos. Sie entbehrt für
den Ausländer auch in ernsten Situationen nie einer gewissen Komik und der
Verdacht eines Dialekts wird ihr immer anhaften. Welche Möglichkeiten
irisierender und zarter Dichtung in dieser Sprache verborgen sind, wird nur
wenigen Fremden offenbar, denn die holländische Umgangssprache verrät davon
nichts. Und bis zum Verständnis der Dichtungen eines Borel und Frederik
van Eeden führt ein längerer und kein müheloser Weg.
Dagegen hat die französische Sprache auch im Alltag einen unwiderstehlichen
Charme und wenn man einmal unter lauter Holländern zwischen den farblosen
Kehllauten ihrer Sprache eine französische Unterhaltung hört, so wirkt das
Klingende und Wechselvolle im Ausdruck dieser romanischen Sprache auffallend
stark faszinierend auf das Ohr. Auch auf einen Deutschen.
Der Holländer, den die geographische Lage seines Landes immer zu einer
praktischen und verstandeskühlen Überlegung nötigt, dessen größte und lebensvollste
Städte hauptsächlich die bedeutendsten Häfen des Landes repräsentieren, wird
von dem müheloser genießenden Franzosen, dessen Lebenszentrum, Paris, ein¬
gebettet inmitten eines fruchtbaren Landes liegt, immer angezogen werden.
Allein mit dem Namensklange Paris verbinden sich für den Holländer Vor¬
stellungen von einem amüsanten vornehmen Gesellschaftsleben, von Musik,
Premiören. Kunstsalons und von Genüssen in unerschöpflicher Fülle. Und
der Holländer will jetzt in jeder Hinsicht genießen. Er braucht das Fremd¬
artige und Leichte in Kunst und Lebenshaltung zum Slnreiz seiner müde ge¬
wordenen und erschlafften Sinne.
Holland steht seinem direkten westlichen Nachbarstaat Belgien ganz anders
gegenüber. Diese Tatsache stellt die Begründung des großen französischen Ein¬
flusses aus die Niederlande in noch schärfer umrissenes Licht. Die Sympathien
für die Belgier, die jetzt in Holland naturgemäß stark in den Vordergrund
treten, und an deren wirklichem Vorhandensein auch noch sehr gezweifelt werden
kann, nähren sich an dem stolzen Gefühl. Heimatlose und Vertriebene beschirmen
SU können, an der Sympathie für Frankreich und an der Sorge vor einem
gleichen Geschick. Einen kulturellen Einfluß könnte Belgien niemals auf Holland
gewinnen, denn der Holländer weiß mit seinen ererbten Instinkten für echte
Kultur den französischen Abglanz,, der die Belgier wie ein abgetragenes Ge-
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