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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr.

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Der Imperialismus in Gegenwart und Vergangenheit

verlieh. Er wollte überdies, daß eine so herrliche Kreatur nicht von der Schar
der Himmlischen verschieden wäre, mit der er auf Grund der Gleichartigkeit
seiner Natur übereinstimmt. Er wollte auch, daß unter dem einen Gott die
himmlischen Heerscharen insgesamt dienen und daß in gleicher Weise alle Menschen,
wenn schon nach Reichen und Provinzen voneinander gesondert, einem einzigen
Fürsten Untertan seien. Um so herrlicher ja sollte der Bau der Welt sich erheben,
weil er von einem Gott als seinem Schöpfer seinen Ausgang nimmt. Er sollte
die Segnungen des Friedens und der Eintracht in sich aufnehmen, weil er
zum einen Gott und Herrn auf dem Wege der Liebe und des demütig festen
Glaubens zurückzukehren bestimmt ist. In früheren Jahrhunderten schwankte
dieser Vorrang zwischen verschiedenen Völkern, die gleichsam mit den Heiden
von ihrem Schöpfer sich entfernten. Als aber die Zeit erfüllet war, als Gott
unser Herr nach seinem unerforschlichen Ratschluß Mensch zu werden auf sich
nahm, um den Menschen zu den wasserreichen Plätzen der Tugenden und den
grünen Gefilden der ewigen Seligkeit zurückzuführen -- jenen Menschen, der
durch den Sündenfall verloren war und in den unwegsamen Abgründen der
Laster umherirrte --, da ging nach Gottes Willen und Geheiß das Imperium
auf die Römer über. Der Thron der kaiserlichen Majestät sollte dort öd. h.
in Rom) erstehen, wo auch der priesterliche und apostolische Sitz sein würde.
An derselben Stelle sollte das Ansehen des Papstes und des Kaisers Licht
verbreiten und das Bild dessen widerspiegeln, der für uns aus dem unver¬
sehrten Mutterschoß der Jungfrau geboren ward, der als Priester das ewige
Priestertum ins Leben rief, der gleichsam als König der Könige und Herr der
Herren alles seinem Herrscherrecht unterwarf, um es zum Gipfel seiner Er¬
habenheit emporzuziehen" ^°). Nur solange Anschauungen dieser Art verbreitet
waren, konnte die Sage die Gemüter in spannender Erwartung halten, Kaiser
Friedrich werde wieder kommen, um die zertrümmerte Macht der Nation
wieder aufzurichten; er werde und müsse zurückkehren, auch wenn er in tausend
Stücke zerschnitten und zu Asche verbrannt wäre, denn Gott selbst habe es so
nach seinem unabänderlichen Willen beschlossen").

Kein Zweifel, die Gesamtheit solcher Theorien und ihre Folgeerscheinungen
unter eigenartig an, weil sie so ganz und gar von den Anschauungen unserer
Tage abweichen. Gemeinsam ist den Tendenzen des Mittelalters und der
Gegenwart die Bezeichnung Imperialismus, gemeinsam der UmversalismuS
als die Zielsetzung des Imperialismus auf die Welt im Umkreis des geo¬
graphischen Horizonts für die uns fernen und für die uns nahen Tage. Der
fundamentale Unterschied zwischen dem Imperialismus von einst und von heute
liegt nicht weniger zutage. Der des Mittelalters war religiös bestimmt, der
unserer Gegenwart ist seiner Natur nach irdisch bedingt. Dort Transzendenz,
hier Immanenz, dort Idealismus, hier Realismus, dort dogmatische Ge¬
bundenheit an das Christentum, das durch das Reich geschützt und verbreitet
werden soll, hier säkularisierte Gelöstheit von jeder Glaubenslehre, damit


Der Imperialismus in Gegenwart und Vergangenheit

verlieh. Er wollte überdies, daß eine so herrliche Kreatur nicht von der Schar
der Himmlischen verschieden wäre, mit der er auf Grund der Gleichartigkeit
seiner Natur übereinstimmt. Er wollte auch, daß unter dem einen Gott die
himmlischen Heerscharen insgesamt dienen und daß in gleicher Weise alle Menschen,
wenn schon nach Reichen und Provinzen voneinander gesondert, einem einzigen
Fürsten Untertan seien. Um so herrlicher ja sollte der Bau der Welt sich erheben,
weil er von einem Gott als seinem Schöpfer seinen Ausgang nimmt. Er sollte
die Segnungen des Friedens und der Eintracht in sich aufnehmen, weil er
zum einen Gott und Herrn auf dem Wege der Liebe und des demütig festen
Glaubens zurückzukehren bestimmt ist. In früheren Jahrhunderten schwankte
dieser Vorrang zwischen verschiedenen Völkern, die gleichsam mit den Heiden
von ihrem Schöpfer sich entfernten. Als aber die Zeit erfüllet war, als Gott
unser Herr nach seinem unerforschlichen Ratschluß Mensch zu werden auf sich
nahm, um den Menschen zu den wasserreichen Plätzen der Tugenden und den
grünen Gefilden der ewigen Seligkeit zurückzuführen — jenen Menschen, der
durch den Sündenfall verloren war und in den unwegsamen Abgründen der
Laster umherirrte —, da ging nach Gottes Willen und Geheiß das Imperium
auf die Römer über. Der Thron der kaiserlichen Majestät sollte dort öd. h.
in Rom) erstehen, wo auch der priesterliche und apostolische Sitz sein würde.
An derselben Stelle sollte das Ansehen des Papstes und des Kaisers Licht
verbreiten und das Bild dessen widerspiegeln, der für uns aus dem unver¬
sehrten Mutterschoß der Jungfrau geboren ward, der als Priester das ewige
Priestertum ins Leben rief, der gleichsam als König der Könige und Herr der
Herren alles seinem Herrscherrecht unterwarf, um es zum Gipfel seiner Er¬
habenheit emporzuziehen" ^°). Nur solange Anschauungen dieser Art verbreitet
waren, konnte die Sage die Gemüter in spannender Erwartung halten, Kaiser
Friedrich werde wieder kommen, um die zertrümmerte Macht der Nation
wieder aufzurichten; er werde und müsse zurückkehren, auch wenn er in tausend
Stücke zerschnitten und zu Asche verbrannt wäre, denn Gott selbst habe es so
nach seinem unabänderlichen Willen beschlossen").

Kein Zweifel, die Gesamtheit solcher Theorien und ihre Folgeerscheinungen
unter eigenartig an, weil sie so ganz und gar von den Anschauungen unserer
Tage abweichen. Gemeinsam ist den Tendenzen des Mittelalters und der
Gegenwart die Bezeichnung Imperialismus, gemeinsam der UmversalismuS
als die Zielsetzung des Imperialismus auf die Welt im Umkreis des geo¬
graphischen Horizonts für die uns fernen und für die uns nahen Tage. Der
fundamentale Unterschied zwischen dem Imperialismus von einst und von heute
liegt nicht weniger zutage. Der des Mittelalters war religiös bestimmt, der
unserer Gegenwart ist seiner Natur nach irdisch bedingt. Dort Transzendenz,
hier Immanenz, dort Idealismus, hier Realismus, dort dogmatische Ge¬
bundenheit an das Christentum, das durch das Reich geschützt und verbreitet
werden soll, hier säkularisierte Gelöstheit von jeder Glaubenslehre, damit


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[0123] Der Imperialismus in Gegenwart und Vergangenheit verlieh. Er wollte überdies, daß eine so herrliche Kreatur nicht von der Schar der Himmlischen verschieden wäre, mit der er auf Grund der Gleichartigkeit seiner Natur übereinstimmt. Er wollte auch, daß unter dem einen Gott die himmlischen Heerscharen insgesamt dienen und daß in gleicher Weise alle Menschen, wenn schon nach Reichen und Provinzen voneinander gesondert, einem einzigen Fürsten Untertan seien. Um so herrlicher ja sollte der Bau der Welt sich erheben, weil er von einem Gott als seinem Schöpfer seinen Ausgang nimmt. Er sollte die Segnungen des Friedens und der Eintracht in sich aufnehmen, weil er zum einen Gott und Herrn auf dem Wege der Liebe und des demütig festen Glaubens zurückzukehren bestimmt ist. In früheren Jahrhunderten schwankte dieser Vorrang zwischen verschiedenen Völkern, die gleichsam mit den Heiden von ihrem Schöpfer sich entfernten. Als aber die Zeit erfüllet war, als Gott unser Herr nach seinem unerforschlichen Ratschluß Mensch zu werden auf sich nahm, um den Menschen zu den wasserreichen Plätzen der Tugenden und den grünen Gefilden der ewigen Seligkeit zurückzuführen — jenen Menschen, der durch den Sündenfall verloren war und in den unwegsamen Abgründen der Laster umherirrte —, da ging nach Gottes Willen und Geheiß das Imperium auf die Römer über. Der Thron der kaiserlichen Majestät sollte dort öd. h. in Rom) erstehen, wo auch der priesterliche und apostolische Sitz sein würde. An derselben Stelle sollte das Ansehen des Papstes und des Kaisers Licht verbreiten und das Bild dessen widerspiegeln, der für uns aus dem unver¬ sehrten Mutterschoß der Jungfrau geboren ward, der als Priester das ewige Priestertum ins Leben rief, der gleichsam als König der Könige und Herr der Herren alles seinem Herrscherrecht unterwarf, um es zum Gipfel seiner Er¬ habenheit emporzuziehen" ^°). Nur solange Anschauungen dieser Art verbreitet waren, konnte die Sage die Gemüter in spannender Erwartung halten, Kaiser Friedrich werde wieder kommen, um die zertrümmerte Macht der Nation wieder aufzurichten; er werde und müsse zurückkehren, auch wenn er in tausend Stücke zerschnitten und zu Asche verbrannt wäre, denn Gott selbst habe es so nach seinem unabänderlichen Willen beschlossen"). Kein Zweifel, die Gesamtheit solcher Theorien und ihre Folgeerscheinungen unter eigenartig an, weil sie so ganz und gar von den Anschauungen unserer Tage abweichen. Gemeinsam ist den Tendenzen des Mittelalters und der Gegenwart die Bezeichnung Imperialismus, gemeinsam der UmversalismuS als die Zielsetzung des Imperialismus auf die Welt im Umkreis des geo¬ graphischen Horizonts für die uns fernen und für die uns nahen Tage. Der fundamentale Unterschied zwischen dem Imperialismus von einst und von heute liegt nicht weniger zutage. Der des Mittelalters war religiös bestimmt, der unserer Gegenwart ist seiner Natur nach irdisch bedingt. Dort Transzendenz, hier Immanenz, dort Idealismus, hier Realismus, dort dogmatische Ge¬ bundenheit an das Christentum, das durch das Reich geschützt und verbreitet werden soll, hier säkularisierte Gelöstheit von jeder Glaubenslehre, damit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331841/123>, abgerufen am 05.01.2025.