Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr.Ver Imperialismus in Gegenwart und Vergangenheit Gott geheiligt worden sei; Gottes Sohn sei unter einem römischen Kaiser ge¬ Ver Imperialismus in Gegenwart und Vergangenheit Gott geheiligt worden sei; Gottes Sohn sei unter einem römischen Kaiser ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0122" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/331964"/> <fw type="header" place="top"> Ver Imperialismus in Gegenwart und Vergangenheit</fw><lb/> <p xml:id="ID_304" prev="#ID_303" next="#ID_305"> Gott geheiligt worden sei; Gottes Sohn sei unter einem römischen Kaiser ge¬<lb/> boren worden, habe auf solche Weise die Kaiserherrschaft gerechtfertigt und<lb/> nach einem Leben für die Welt diese Kaiserherrschaft anerkannt durch den<lb/> Kreuzestod auf Geheiß des Landpflegers Pilatus. Das Römerreich umfaßte<lb/> den orbis terrarum. d. h. seine Grenzen erstreckten sich bis an das Ende der<lb/> damals bekannten Welt. Wer es als Nachfolger eines Augustus beherrschte,<lb/> war der von Gott gewollte und geheiligte Kaiser, war Gottes Werkzeug zur<lb/> Erhaltung eben des Imperium Kom-nun, das allen Wandel der Zeiten,<lb/> alle Verschiebungen der völkischen Elemente binnen seinen Schranken, alle Um-<lb/> lagerungen seiner Einzelbestandteile überdauern sollte. Eintönig folgen in den<lb/> mittelalterlichen Kaiserverzeichnissen die Namen von Römern, Byzantinern.<lb/> Franken und Deutschen, — ihre Träger galten als vollberechtigte, gleichberech¬<lb/> tigte Herrscher nach Cäsar und Augustus. Im Spiel vom Antichrist, wie es<lb/> die Handschrift des bayerischen Klosters Benediktbeuren aus dem anfangenden<lb/> dreizehnten Jahrhundert überliefert^), beugt sich der König von Frankreich<lb/> dem Kaiser, den er als Herrn der Welt anerkennt, und nicht minder der<lb/> griechische König, weil dem hehren Namen Roms zu dienen Ehre bedeutet.<lb/> Noch zu Beginn des vierzehnten Jahrhunderts schrieb Dante an Heinrich den<lb/> Siebenten, daß die römische Macht nicht von den Schranken Italiens, nicht<lb/> von dem Rande des dreigehörnten Europa eingeschlossen werde; kaum gestatte<lb/> sie von der eitlen Welle des Ozeans umgrenzt zu werden^). Heimatlos und<lb/> darum auf Beglückung der Welt bedacht, suchte der Dichter der Göttlichen<lb/> Komödie seinen Florentinern die Lehre beizubringen: „Die hehre Vorsicht des<lb/> ewigen Königs, der dem himmlischen Reiche durch seine Güte ewige Dauer<lb/> verleiht, ohne von dem irdischen sein Auge abzuwenden, hat der hochheiligen<lb/> Herrschaft der Römer die menschlichen Angelegenheiten zur Leitung übergeben,<lb/> damit unter der Ungetrübtheit eines so mächtigen Schutzes das menschliche<lb/> Geschlecht in Ruhe wohne und allenthalben gemäß der Forderung der Natur<lb/> ein bürgerliches Leben führe""). Genau wie der Hohenstaufe Friedrich II. am<lb/> Tage seiner Kaiserkrönung, am 22. November 1220, ein Ketzergesetz verkündet<lb/> und als Nachfolger der altrömischen Cüsaren es in die Handschriften des<lb/> Lorpus iuris civilig hatte einfügen lassen, handelte der Luxemburger<lb/> Heinrich VII., als er am 29. Juni 1312 das kaiserliche Diadem empfing.<lb/> Gleichzeitig erging ein Rundschreiben, das davon Kunde gab, daß die<lb/> Kaiserwürde dach die Feier in der Laterankirche zu Rom wiederhergestellt<lb/> sei; die schwülstige Einleitung aber enthielt das Bekenntnis zum religiösen<lb/> Imperialismus, das Heinrich der Siebente mit dem Dichter sich zu eigen ge¬<lb/> macht hatte: „Der große und preiswürdige Herr, der auf dem erhabenen<lb/> Throne seiner Gottheit über alles, was er dank der unaussprechlichen Macht¬<lb/> fülle seiner Majestät geschaffen hat. gnädig und milde waltet, hat über alle<lb/> seine Geschöpfe den Menschen mit solcher Ehre und mit solcher Zier erhoben, daß<lb/> er ihm. den er zum Bild seiner Göttlichkeit machte, den Vorrang über alles</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0122]
Ver Imperialismus in Gegenwart und Vergangenheit
Gott geheiligt worden sei; Gottes Sohn sei unter einem römischen Kaiser ge¬
boren worden, habe auf solche Weise die Kaiserherrschaft gerechtfertigt und
nach einem Leben für die Welt diese Kaiserherrschaft anerkannt durch den
Kreuzestod auf Geheiß des Landpflegers Pilatus. Das Römerreich umfaßte
den orbis terrarum. d. h. seine Grenzen erstreckten sich bis an das Ende der
damals bekannten Welt. Wer es als Nachfolger eines Augustus beherrschte,
war der von Gott gewollte und geheiligte Kaiser, war Gottes Werkzeug zur
Erhaltung eben des Imperium Kom-nun, das allen Wandel der Zeiten,
alle Verschiebungen der völkischen Elemente binnen seinen Schranken, alle Um-
lagerungen seiner Einzelbestandteile überdauern sollte. Eintönig folgen in den
mittelalterlichen Kaiserverzeichnissen die Namen von Römern, Byzantinern.
Franken und Deutschen, — ihre Träger galten als vollberechtigte, gleichberech¬
tigte Herrscher nach Cäsar und Augustus. Im Spiel vom Antichrist, wie es
die Handschrift des bayerischen Klosters Benediktbeuren aus dem anfangenden
dreizehnten Jahrhundert überliefert^), beugt sich der König von Frankreich
dem Kaiser, den er als Herrn der Welt anerkennt, und nicht minder der
griechische König, weil dem hehren Namen Roms zu dienen Ehre bedeutet.
Noch zu Beginn des vierzehnten Jahrhunderts schrieb Dante an Heinrich den
Siebenten, daß die römische Macht nicht von den Schranken Italiens, nicht
von dem Rande des dreigehörnten Europa eingeschlossen werde; kaum gestatte
sie von der eitlen Welle des Ozeans umgrenzt zu werden^). Heimatlos und
darum auf Beglückung der Welt bedacht, suchte der Dichter der Göttlichen
Komödie seinen Florentinern die Lehre beizubringen: „Die hehre Vorsicht des
ewigen Königs, der dem himmlischen Reiche durch seine Güte ewige Dauer
verleiht, ohne von dem irdischen sein Auge abzuwenden, hat der hochheiligen
Herrschaft der Römer die menschlichen Angelegenheiten zur Leitung übergeben,
damit unter der Ungetrübtheit eines so mächtigen Schutzes das menschliche
Geschlecht in Ruhe wohne und allenthalben gemäß der Forderung der Natur
ein bürgerliches Leben führe""). Genau wie der Hohenstaufe Friedrich II. am
Tage seiner Kaiserkrönung, am 22. November 1220, ein Ketzergesetz verkündet
und als Nachfolger der altrömischen Cüsaren es in die Handschriften des
Lorpus iuris civilig hatte einfügen lassen, handelte der Luxemburger
Heinrich VII., als er am 29. Juni 1312 das kaiserliche Diadem empfing.
Gleichzeitig erging ein Rundschreiben, das davon Kunde gab, daß die
Kaiserwürde dach die Feier in der Laterankirche zu Rom wiederhergestellt
sei; die schwülstige Einleitung aber enthielt das Bekenntnis zum religiösen
Imperialismus, das Heinrich der Siebente mit dem Dichter sich zu eigen ge¬
macht hatte: „Der große und preiswürdige Herr, der auf dem erhabenen
Throne seiner Gottheit über alles, was er dank der unaussprechlichen Macht¬
fülle seiner Majestät geschaffen hat. gnädig und milde waltet, hat über alle
seine Geschöpfe den Menschen mit solcher Ehre und mit solcher Zier erhoben, daß
er ihm. den er zum Bild seiner Göttlichkeit machte, den Vorrang über alles
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