Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.Mehmet Emin als Volkserzieher Dem Dichter Mehmet Emin verdanken die Türken ihre Nationalhymne. [Beginn Spaltensatz]
Jedes Wort ist unser eigen, Das aus türkischer Kehle klingt; Unser ist der Länder Reigen, Der drei Welten in sich schlingt. [Spaltenumbruch] Turan, heilig hehres Turan, Jeder Winkel raunt mir Sagen, Märchen von dem ersten Urahn Aus den alten Heldentagen. [Ende Spaltensatz] Deine tausend Herrscher lassen, Heldentapfre Volkserhalter, Bor dem deinen mir erblassen Hindostans und Chinas Alter---- Mehmet Emin war inzwischen mit dem aus Rußland eingewanderten Mehmet Emin als Volkserzieher Dem Dichter Mehmet Emin verdanken die Türken ihre Nationalhymne. [Beginn Spaltensatz]
Jedes Wort ist unser eigen, Das aus türkischer Kehle klingt; Unser ist der Länder Reigen, Der drei Welten in sich schlingt. [Spaltenumbruch] Turan, heilig hehres Turan, Jeder Winkel raunt mir Sagen, Märchen von dem ersten Urahn Aus den alten Heldentagen. [Ende Spaltensatz] Deine tausend Herrscher lassen, Heldentapfre Volkserhalter, Bor dem deinen mir erblassen Hindostans und Chinas Alter---- Mehmet Emin war inzwischen mit dem aus Rußland eingewanderten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0262" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/331670"/> <fw type="header" place="top"> Mehmet Emin als Volkserzieher</fw><lb/> <p xml:id="ID_817"> Dem Dichter Mehmet Emin verdanken die Türken ihre Nationalhymne.<lb/> Seine kriegerischen „Türkenlieder" (1898) haben zuerst die Augen auf ihn<lb/> gelenkt und ungeheuren Anklang im Volke gefunden; sie halfen den Begriff des<lb/> „Vaterlandes" in das Türkenherz einbürgern. Neue Töne voll starken nationalen<lb/> Schwunges fand seine Leier in dem großen Weltenbrand der Gegenwart. Ein<lb/> unbeschreiblicher Erfolg war ihm beschieden, als er kurz vor der amtlichen Ver¬<lb/> kündigung des Heiligen Krieges. Ende Oktober 1914, vor einer tausendköpfigen<lb/> Menge in Konstantinopel den Weckruf vortrug: Al Türk, ujan! d. h. „Türke,<lb/> wach auf!" (in deutscher Übersetzung Laibach 1915, 26 S.). Der Dichter<lb/> schildert hier in hochpatriotischer, die innersten Gefühle aufrührender Sprache<lb/> die stolze Vergangenheit des Türkenvolkes mit seinen Ruhmestaten, seiner<lb/> geistigen Kultur, seiner Ehrfurcht vor dem Glauben und der Überzeugung<lb/> anderer. Und jetzt — welch furchtbarer Niedergang seit dreihundert Jahren!<lb/> Aber die Zukunft winkt. Ein neues weites Reich kann erstehen. Darum trockne<lb/> deine Tränen! Stärke dich und rüste dich dafür! So ruft der Dichter seiner<lb/> Nation zu. Dann zeigt er ihr das neue Vaterland, das Morgenrot der<lb/> kommenden glanzvollen Zeit. „Die Verse wirkten wie ein Feuerbrand." Im<lb/> Nu war die erste Auflage der Buchausgabe vergriffen, und in allen Händen<lb/> sah man die kleinen roten Hefte. Gewiß mischt sich viel Überschwang in das<lb/> Feuer dieser Dichterseele, aber von großen Zielen lebt die Seele, und an den<lb/> Zukunftsträumen nährt sich die Begeisterung. Darum ist gerade sein Turan-<lb/> Lied, in dem der Dichter schaut, wie Groß-Turans Reich das ganze Asien unter<lb/> der türkischen Flagge vereint, zu dem Credo der osmanischen Jugend geworden:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_6" type="poem"> <l><cb type="start"/> Jedes Wort ist unser eigen,<lb/> Das aus türkischer Kehle klingt;<lb/> Unser ist der Länder Reigen,<lb/> Der drei Welten in sich schlingt. <cb/> Turan, heilig hehres Turan,<lb/> Jeder Winkel raunt mir Sagen,<lb/> Märchen von dem ersten Urahn<lb/> Aus den alten Heldentagen. <cb type="end"/><lb/> Deine tausend Herrscher lassen,<lb/> Heldentapfre Volkserhalter,<lb/> Bor dem deinen mir erblassen<lb/> Hindostans und Chinas Alter---- </l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_818" next="#ID_819"> Mehmet Emin war inzwischen mit dem aus Rußland eingewanderten<lb/> Türken Aktschura Oghli Infus zum Führer der türkisch-nationalen Partei<lb/> geworden, und die Richtung, die sich heute al-z Panturkismus neben den ver¬<lb/> blassenden Osmanismus und den unter der Asche neu angefachten Panislamismus<lb/> stellt, findet in ihm ihren begeisterten Anwalt. Ein Kreis von Gesinnungsgenossen<lb/> hat sich um ihn geschart, und der Turangedanke: die Vereinigung der Türken¬<lb/> stämme zu einem zukünftigen, umfassenden nationalen Reich, schlingt, bisweilen<lb/> untermischt mit islamischen Idealen, das einigende Band um diese Nationalisten<lb/> — „das Vaterland ist für den Türken weder die Türkei noch Turkestan, das<lb/> Vaterland ist ein großes unendliches Land: Turan. . ." singt einer der<lb/> berufenen Apostel dieser türkistischen Schule. Zia Gjök Alp, in seinem Gedicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0262]
Mehmet Emin als Volkserzieher
Dem Dichter Mehmet Emin verdanken die Türken ihre Nationalhymne.
Seine kriegerischen „Türkenlieder" (1898) haben zuerst die Augen auf ihn
gelenkt und ungeheuren Anklang im Volke gefunden; sie halfen den Begriff des
„Vaterlandes" in das Türkenherz einbürgern. Neue Töne voll starken nationalen
Schwunges fand seine Leier in dem großen Weltenbrand der Gegenwart. Ein
unbeschreiblicher Erfolg war ihm beschieden, als er kurz vor der amtlichen Ver¬
kündigung des Heiligen Krieges. Ende Oktober 1914, vor einer tausendköpfigen
Menge in Konstantinopel den Weckruf vortrug: Al Türk, ujan! d. h. „Türke,
wach auf!" (in deutscher Übersetzung Laibach 1915, 26 S.). Der Dichter
schildert hier in hochpatriotischer, die innersten Gefühle aufrührender Sprache
die stolze Vergangenheit des Türkenvolkes mit seinen Ruhmestaten, seiner
geistigen Kultur, seiner Ehrfurcht vor dem Glauben und der Überzeugung
anderer. Und jetzt — welch furchtbarer Niedergang seit dreihundert Jahren!
Aber die Zukunft winkt. Ein neues weites Reich kann erstehen. Darum trockne
deine Tränen! Stärke dich und rüste dich dafür! So ruft der Dichter seiner
Nation zu. Dann zeigt er ihr das neue Vaterland, das Morgenrot der
kommenden glanzvollen Zeit. „Die Verse wirkten wie ein Feuerbrand." Im
Nu war die erste Auflage der Buchausgabe vergriffen, und in allen Händen
sah man die kleinen roten Hefte. Gewiß mischt sich viel Überschwang in das
Feuer dieser Dichterseele, aber von großen Zielen lebt die Seele, und an den
Zukunftsträumen nährt sich die Begeisterung. Darum ist gerade sein Turan-
Lied, in dem der Dichter schaut, wie Groß-Turans Reich das ganze Asien unter
der türkischen Flagge vereint, zu dem Credo der osmanischen Jugend geworden:
Jedes Wort ist unser eigen,
Das aus türkischer Kehle klingt;
Unser ist der Länder Reigen,
Der drei Welten in sich schlingt.
Turan, heilig hehres Turan,
Jeder Winkel raunt mir Sagen,
Märchen von dem ersten Urahn
Aus den alten Heldentagen.
Deine tausend Herrscher lassen,
Heldentapfre Volkserhalter,
Bor dem deinen mir erblassen
Hindostans und Chinas Alter----
Mehmet Emin war inzwischen mit dem aus Rußland eingewanderten
Türken Aktschura Oghli Infus zum Führer der türkisch-nationalen Partei
geworden, und die Richtung, die sich heute al-z Panturkismus neben den ver¬
blassenden Osmanismus und den unter der Asche neu angefachten Panislamismus
stellt, findet in ihm ihren begeisterten Anwalt. Ein Kreis von Gesinnungsgenossen
hat sich um ihn geschart, und der Turangedanke: die Vereinigung der Türken¬
stämme zu einem zukünftigen, umfassenden nationalen Reich, schlingt, bisweilen
untermischt mit islamischen Idealen, das einigende Band um diese Nationalisten
— „das Vaterland ist für den Türken weder die Türkei noch Turkestan, das
Vaterland ist ein großes unendliches Land: Turan. . ." singt einer der
berufenen Apostel dieser türkistischen Schule. Zia Gjök Alp, in seinem Gedicht
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