Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.Finnlands Befreiung Eine dritte Alternative läge in der Hoffnung auf Finnlands Befreiung "In der finnischen Frage wird eine Versöhnungspolitik eingeschlagen; be¬ Mehr als diese platonische Auslassung ohne genau angegebene Maßregeln "Offensichtlich -- auch russische Zeitungen bezeugen es -- ist die Abfassung Das Hauptstadtblatt betonte ferner, daß ein derartiges Programm für Finnlands Befreiung Eine dritte Alternative läge in der Hoffnung auf Finnlands Befreiung „In der finnischen Frage wird eine Versöhnungspolitik eingeschlagen; be¬ Mehr als diese platonische Auslassung ohne genau angegebene Maßregeln „Offensichtlich — auch russische Zeitungen bezeugen es — ist die Abfassung Das Hauptstadtblatt betonte ferner, daß ein derartiges Programm für <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0180" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/331588"/> <fw type="header" place="top"> Finnlands Befreiung</fw><lb/> <p xml:id="ID_557"> Eine dritte Alternative läge in der Hoffnung auf Finnlands Befreiung<lb/> vom russischen Joche mit der gleichzeitigen Hoffnung, daß auch das ganze<lb/> russische Volk von diesem Joche befreit werde. Man würde also eine neue<lb/> konstitmionelle Staatsverfassung Rußlands erhoffen, die annehmbarerweise zu<lb/> einer versöhnlichen Politik in Finnland führte. Dieser Gedanke hat sich aller¬<lb/> dings gewissermaßen schon als nicht stichhaltig erwiesen, man denke nur an die<lb/> vielen liberalen „Versprechungen", welche gemacht zu werden pflegen, sobald<lb/> der Zarismus in außenpolitische Bedrängnis gerät, und die, sobald er wieder<lb/> aus der Klemme heraus ist, unfehlbar wieder zurückgenommen werden. So<lb/> war es 1905 nach der Niederlage im japanischen Kriege, und jetzt 1916 nach<lb/> der Niederlage gegen Deutschland wird auch von versöhnlicher Finnlandspolitik<lb/> geredet. Die fortschrittlichen Parteien der Reichsduma und des Reichsrates<lb/> schlossen.sich im September 1915 zusammen und stellten ihr Programm auf,<lb/> das hinsichtlich der Reichspolitik gegen Finnland folgenden anscheinend liberalen<lb/> Beschluß enthielt:</p><lb/> <p xml:id="ID_558"> „In der finnischen Frage wird eine Versöhnungspolitik eingeschlagen; be¬<lb/> sonders werden in der Zusammensetzung der Verwaltungsbehörden und des<lb/> Senates Veränderungen vorgenommen und die Verfolgung gegen Beamte muß<lb/> aufhören."</p><lb/> <p xml:id="ID_559"> Mehr als diese platonische Auslassung ohne genau angegebene Maßregeln<lb/> gegen die verheerenden Eingriffe der russischen Gesetzgebung in die Rechts¬<lb/> ordnung Finnlands hatte die Duma dem besten Landesteile Rußlands nicht<lb/> zu bieten. Das finnische Hauptstadtblatt schrieb denn auch:</p><lb/> <p xml:id="ID_560"> „Offensichtlich — auch russische Zeitungen bezeugen es — ist die Abfassung<lb/> des Beschloßes das Ergebnis eines Kompromisses. Früher hieß es, man wolle<lb/> die Rechte Finnlands in ihrem früheren Umfange wieder herstellen, und in<lb/> seiner berühmten Rede in der Reichsduma hat Baron von Rosen als eine in<lb/> dieser Beziehung notwendige Maßregel das Aufheben der am 30. Juni 1910<lb/> erlassenen Verordnung über die Reichsgesetzgebung hervorgehoben. Man muß<lb/> zugeben, daß mit seinen klaren Anträgen verglichen, die Sprache des Pro¬<lb/> grammes relativ mager und ziemlich unbestimmt ist. Was bedeutet eine .Ver¬<lb/> söhnungspolitik'? Man kann darunter verstehen, was man will. Sie läßt<lb/> sich sehr gut als bloße Andeutung auffassen, daß gegenwärtig keine aggressiven<lb/> Maßregeln gegen unser Land zu ergreifen seien. Keinenfalls kann man aus<lb/> dem Worte die Forderung der Wiederherstellung der grundgesetzlichen Ver¬<lb/> waltung Finnlands und die Entfernung der Hindernisse einer konstitutionellen<lb/> Politik herauslesen. Die Verfasser des Programms scheinen das Hauptgewicht<lb/> auf eine in .versöhnlichem' Geiste vorgenommene Umgestaltung der Zusammen¬<lb/> setzung des Senates und der Verwaltungsbehörden zu legen."</p><lb/> <p xml:id="ID_561"> Das Hauptstadtblatt betonte ferner, daß ein derartiges Programm für<lb/> Rußland, wo die Regierung die Regierungsform nach ihrer Auffassung ändern<lb/> könne, vielleicht große Bedeutung habe. Anders aber liege die Sache in Finnland:</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0180]
Finnlands Befreiung
Eine dritte Alternative läge in der Hoffnung auf Finnlands Befreiung
vom russischen Joche mit der gleichzeitigen Hoffnung, daß auch das ganze
russische Volk von diesem Joche befreit werde. Man würde also eine neue
konstitmionelle Staatsverfassung Rußlands erhoffen, die annehmbarerweise zu
einer versöhnlichen Politik in Finnland führte. Dieser Gedanke hat sich aller¬
dings gewissermaßen schon als nicht stichhaltig erwiesen, man denke nur an die
vielen liberalen „Versprechungen", welche gemacht zu werden pflegen, sobald
der Zarismus in außenpolitische Bedrängnis gerät, und die, sobald er wieder
aus der Klemme heraus ist, unfehlbar wieder zurückgenommen werden. So
war es 1905 nach der Niederlage im japanischen Kriege, und jetzt 1916 nach
der Niederlage gegen Deutschland wird auch von versöhnlicher Finnlandspolitik
geredet. Die fortschrittlichen Parteien der Reichsduma und des Reichsrates
schlossen.sich im September 1915 zusammen und stellten ihr Programm auf,
das hinsichtlich der Reichspolitik gegen Finnland folgenden anscheinend liberalen
Beschluß enthielt:
„In der finnischen Frage wird eine Versöhnungspolitik eingeschlagen; be¬
sonders werden in der Zusammensetzung der Verwaltungsbehörden und des
Senates Veränderungen vorgenommen und die Verfolgung gegen Beamte muß
aufhören."
Mehr als diese platonische Auslassung ohne genau angegebene Maßregeln
gegen die verheerenden Eingriffe der russischen Gesetzgebung in die Rechts¬
ordnung Finnlands hatte die Duma dem besten Landesteile Rußlands nicht
zu bieten. Das finnische Hauptstadtblatt schrieb denn auch:
„Offensichtlich — auch russische Zeitungen bezeugen es — ist die Abfassung
des Beschloßes das Ergebnis eines Kompromisses. Früher hieß es, man wolle
die Rechte Finnlands in ihrem früheren Umfange wieder herstellen, und in
seiner berühmten Rede in der Reichsduma hat Baron von Rosen als eine in
dieser Beziehung notwendige Maßregel das Aufheben der am 30. Juni 1910
erlassenen Verordnung über die Reichsgesetzgebung hervorgehoben. Man muß
zugeben, daß mit seinen klaren Anträgen verglichen, die Sprache des Pro¬
grammes relativ mager und ziemlich unbestimmt ist. Was bedeutet eine .Ver¬
söhnungspolitik'? Man kann darunter verstehen, was man will. Sie läßt
sich sehr gut als bloße Andeutung auffassen, daß gegenwärtig keine aggressiven
Maßregeln gegen unser Land zu ergreifen seien. Keinenfalls kann man aus
dem Worte die Forderung der Wiederherstellung der grundgesetzlichen Ver¬
waltung Finnlands und die Entfernung der Hindernisse einer konstitutionellen
Politik herauslesen. Die Verfasser des Programms scheinen das Hauptgewicht
auf eine in .versöhnlichem' Geiste vorgenommene Umgestaltung der Zusammen¬
setzung des Senates und der Verwaltungsbehörden zu legen."
Das Hauptstadtblatt betonte ferner, daß ein derartiges Programm für
Rußland, wo die Regierung die Regierungsform nach ihrer Auffassung ändern
könne, vielleicht große Bedeutung habe. Anders aber liege die Sache in Finnland:
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |