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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Wilsons Friedensliga

bare, macht der Bosporus und die Frage der Dardanellen, deren Befreiung
vom türkischen Joch unsere Feinde unter ihren Kriegszielen aufgenommen
haben; denn in Wirklichkeit streben sie nicht die Freiheit der Dardanellen an,
sondern nur einen Besitzwechsel: Rußland soll den Bosporus in seine Hände
bekommen, während Deutschland, auch bezüglich dieses Punktes, der sich in der
Hand eines seiner Verbündeten befindet, in seiner bekannten Zusichemng an
Rußland für eine Lösung dieser Fessel eingetreten ist. die Rußland gerade
von seinen jetzigen Verbündeten, in erster Linie von England, auferlegt
worden ist.

In Verbindung mit der Frage der Freiheit der Meere steht auch die Frage
der Einschränkung der Seerüstung, die natürlich in einem anderen Sinne gelöst
werden muß. als England in seinen mehrfachen Verhandlungen mit Deutschland
angestrebt hat. Denn bei diesen Verhandlungen gingen Englands Bestrebungen
stets dahin, seine nicht nur tatsächliche Überlegenheit, sondern uneingeschränkte
Seeherrschaft von neuem zu festigen. Hätte Wilson diese Ziele bereits früher
mit der Klarheit erkannt, mit der er sie hier vorgetragen hat, so würde wohl
die amerikanische Regierung in mancher Hinsicht eine andere Haltung ein-
nommen haben.

Auch in der Bekämpfung des Gleichgewichts der Kräfte, der "balance ok
power", wandelt Präsident Wilson in den Bahnen Deutschlands, das längst
erkannt hat, daß England mit diesem Mittel Europa seit Jahrhunderten
beherrscht und durch die Erregung zahlloser Kriege in Englands Interesse geschwächt
und letzten Endes dadurch auch den jetzigen Weltkrieg heraufbeschworen hat.
Deshalb hat Deutschland stets abgelehnt, in ein näheres Verhältnis zu Eng¬
land zu treten, weil es wußte, daß England seine Verbündeten auf dem euro¬
päischen Festlande nur benutzt, um seine, Englands, Kriege zu führen, und es
sich bei der friedlichen Art seiner Politik nicht dazu hergeben wollte, den Frieden.
Europas zu gefährden. Erst nachdem mehrfache Versuche Englands gescheitert
waren, sich den besten Degen Europas zu sichern, ist es dann an Frankreich
herangetreten, das in kurzsichtiger Verblendung, einzig beherrscht von dem Re¬
vanchegedanken, dieses Anerbieten angenommen hat.

Reichlich gutgläubig ist Herr Wilson, wenn er die Versicherung unserer
Feinde dahin deutet, daß sie nicht die Absicht haben. Deutschland und die
Zentralmächte zu vernichten und zu unterdrücken. Denn während Deutschland
von Anfang an mit der Erklärung in den Krieg gezogen ist, nur diesen ruch¬
losen Angriff auf seine Selbständigkeit abzuwehren und sich gegen die Wieder¬
kehr eines ähnlichen Überfalles zu sichern, und nachdem diese Ziele erreicht
waren, sich sofort zu Friedensverhandlungen bereit erklärt hat. haben unsere
Feinde ihre Eroberungspläne von Anfang an mit schamloser Offenheit enthüllt
und durch die Ablehnung des deutschen Friedensangebotes und der amerikanischen
Friedensnote in Verbindung mit der Bekanntgabe ihrer Kriegsziele von neuem
ihren Vernichtungswillen bekundet.


Wilsons Friedensliga

bare, macht der Bosporus und die Frage der Dardanellen, deren Befreiung
vom türkischen Joch unsere Feinde unter ihren Kriegszielen aufgenommen
haben; denn in Wirklichkeit streben sie nicht die Freiheit der Dardanellen an,
sondern nur einen Besitzwechsel: Rußland soll den Bosporus in seine Hände
bekommen, während Deutschland, auch bezüglich dieses Punktes, der sich in der
Hand eines seiner Verbündeten befindet, in seiner bekannten Zusichemng an
Rußland für eine Lösung dieser Fessel eingetreten ist. die Rußland gerade
von seinen jetzigen Verbündeten, in erster Linie von England, auferlegt
worden ist.

In Verbindung mit der Frage der Freiheit der Meere steht auch die Frage
der Einschränkung der Seerüstung, die natürlich in einem anderen Sinne gelöst
werden muß. als England in seinen mehrfachen Verhandlungen mit Deutschland
angestrebt hat. Denn bei diesen Verhandlungen gingen Englands Bestrebungen
stets dahin, seine nicht nur tatsächliche Überlegenheit, sondern uneingeschränkte
Seeherrschaft von neuem zu festigen. Hätte Wilson diese Ziele bereits früher
mit der Klarheit erkannt, mit der er sie hier vorgetragen hat, so würde wohl
die amerikanische Regierung in mancher Hinsicht eine andere Haltung ein-
nommen haben.

Auch in der Bekämpfung des Gleichgewichts der Kräfte, der „balance ok
power", wandelt Präsident Wilson in den Bahnen Deutschlands, das längst
erkannt hat, daß England mit diesem Mittel Europa seit Jahrhunderten
beherrscht und durch die Erregung zahlloser Kriege in Englands Interesse geschwächt
und letzten Endes dadurch auch den jetzigen Weltkrieg heraufbeschworen hat.
Deshalb hat Deutschland stets abgelehnt, in ein näheres Verhältnis zu Eng¬
land zu treten, weil es wußte, daß England seine Verbündeten auf dem euro¬
päischen Festlande nur benutzt, um seine, Englands, Kriege zu führen, und es
sich bei der friedlichen Art seiner Politik nicht dazu hergeben wollte, den Frieden.
Europas zu gefährden. Erst nachdem mehrfache Versuche Englands gescheitert
waren, sich den besten Degen Europas zu sichern, ist es dann an Frankreich
herangetreten, das in kurzsichtiger Verblendung, einzig beherrscht von dem Re¬
vanchegedanken, dieses Anerbieten angenommen hat.

Reichlich gutgläubig ist Herr Wilson, wenn er die Versicherung unserer
Feinde dahin deutet, daß sie nicht die Absicht haben. Deutschland und die
Zentralmächte zu vernichten und zu unterdrücken. Denn während Deutschland
von Anfang an mit der Erklärung in den Krieg gezogen ist, nur diesen ruch¬
losen Angriff auf seine Selbständigkeit abzuwehren und sich gegen die Wieder¬
kehr eines ähnlichen Überfalles zu sichern, und nachdem diese Ziele erreicht
waren, sich sofort zu Friedensverhandlungen bereit erklärt hat. haben unsere
Feinde ihre Eroberungspläne von Anfang an mit schamloser Offenheit enthüllt
und durch die Ablehnung des deutschen Friedensangebotes und der amerikanischen
Friedensnote in Verbindung mit der Bekanntgabe ihrer Kriegsziele von neuem
ihren Vernichtungswillen bekundet.


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[0167] Wilsons Friedensliga bare, macht der Bosporus und die Frage der Dardanellen, deren Befreiung vom türkischen Joch unsere Feinde unter ihren Kriegszielen aufgenommen haben; denn in Wirklichkeit streben sie nicht die Freiheit der Dardanellen an, sondern nur einen Besitzwechsel: Rußland soll den Bosporus in seine Hände bekommen, während Deutschland, auch bezüglich dieses Punktes, der sich in der Hand eines seiner Verbündeten befindet, in seiner bekannten Zusichemng an Rußland für eine Lösung dieser Fessel eingetreten ist. die Rußland gerade von seinen jetzigen Verbündeten, in erster Linie von England, auferlegt worden ist. In Verbindung mit der Frage der Freiheit der Meere steht auch die Frage der Einschränkung der Seerüstung, die natürlich in einem anderen Sinne gelöst werden muß. als England in seinen mehrfachen Verhandlungen mit Deutschland angestrebt hat. Denn bei diesen Verhandlungen gingen Englands Bestrebungen stets dahin, seine nicht nur tatsächliche Überlegenheit, sondern uneingeschränkte Seeherrschaft von neuem zu festigen. Hätte Wilson diese Ziele bereits früher mit der Klarheit erkannt, mit der er sie hier vorgetragen hat, so würde wohl die amerikanische Regierung in mancher Hinsicht eine andere Haltung ein- nommen haben. Auch in der Bekämpfung des Gleichgewichts der Kräfte, der „balance ok power", wandelt Präsident Wilson in den Bahnen Deutschlands, das längst erkannt hat, daß England mit diesem Mittel Europa seit Jahrhunderten beherrscht und durch die Erregung zahlloser Kriege in Englands Interesse geschwächt und letzten Endes dadurch auch den jetzigen Weltkrieg heraufbeschworen hat. Deshalb hat Deutschland stets abgelehnt, in ein näheres Verhältnis zu Eng¬ land zu treten, weil es wußte, daß England seine Verbündeten auf dem euro¬ päischen Festlande nur benutzt, um seine, Englands, Kriege zu führen, und es sich bei der friedlichen Art seiner Politik nicht dazu hergeben wollte, den Frieden. Europas zu gefährden. Erst nachdem mehrfache Versuche Englands gescheitert waren, sich den besten Degen Europas zu sichern, ist es dann an Frankreich herangetreten, das in kurzsichtiger Verblendung, einzig beherrscht von dem Re¬ vanchegedanken, dieses Anerbieten angenommen hat. Reichlich gutgläubig ist Herr Wilson, wenn er die Versicherung unserer Feinde dahin deutet, daß sie nicht die Absicht haben. Deutschland und die Zentralmächte zu vernichten und zu unterdrücken. Denn während Deutschland von Anfang an mit der Erklärung in den Krieg gezogen ist, nur diesen ruch¬ losen Angriff auf seine Selbständigkeit abzuwehren und sich gegen die Wieder¬ kehr eines ähnlichen Überfalles zu sichern, und nachdem diese Ziele erreicht waren, sich sofort zu Friedensverhandlungen bereit erklärt hat. haben unsere Feinde ihre Eroberungspläne von Anfang an mit schamloser Offenheit enthüllt und durch die Ablehnung des deutschen Friedensangebotes und der amerikanischen Friedensnote in Verbindung mit der Bekanntgabe ihrer Kriegsziele von neuem ihren Vernichtungswillen bekundet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/167>, abgerufen am 23.07.2024.