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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Wilsons Hriedensliga
Dr. k?. Handle von

in es voraus zu nehmen: die Adresse des Präsidenten Wilson
an den Senat,'die er auch den fremden Mächten überreicht hat,
bezieht sich grundsätzlich nicht auf den Frieden, der irgendwann
einmal diesen Weltkrieg beenden wird, sondern auf die von
Wilson längst geplante Friedensliga, die den geschlossenen Frieden
zu einem Frieden von unbegrenzter Dauer gestalten, ja die Wiederkehr von
Kriegen überhaupt unmöglich machen soll. Wilson betont ausdrücklich, "der
gegenwärtige Krieg muß zuerst beendet werden", auch werde die amerikanische
Regierung den Friedensbedingungen der kriegführenden Mächte keinen Wider¬
stand entgegensetzen, oder versuchen, sie ungültig zu machen, "wie immer sie
auch beschaffen sein mögen". Das hindert ihn allerdings nicht, auch bezüglich
des den Weltkrieg einst beendenden Friedens Wünsche und Ratschläge zu äußern,
die aber keinen Anspruch auf eine Mitbeteiliguug Amerikas an diesen Friedens¬
verhandlungen darstellen, da sich seine Vorschläge ja grundsätzlich nicht auf den
Friedensschluß, sondern auf die Schaffung einer Friedensliga beziehen. In
dieser Hinsicht berührt sich der Standpunkt Wilsons erfreulicherweise mit
dem Deutschlands, das ja bekanntlich von Anfang an zum Ausdruck gebracht
hat. daß der Frieden ohne eine Vermittlung oder Hinzuziehung einer dritten
Macht von den Kriegführenden selbst zustande gebracht werden müsse, und das
dementsprechend genötigt gewesen wäre, eine derartige Vermittlung abzulehnen.

Es ist das nicht der einzige Berührungspunkt der Adresse mit dem deutschen
Standpunkt, vielmehr zeigt diese Darlegung der amerikanischen Wünsche eine
weit größere Übereinstimmung in den Zielen Deutschlands und Amerikas, als
man nach der Haltung, die Amerika in diesem Kriege gegen Deutschland ein¬
genommen hat, glauben sollte und rechtfertigt durchaus die vielfach in der
Presse und auch in den amtlichen deutschen Noten zutage getretene Anschauung,
daß Deutschland und Amerika in diesem Kriege in sehr vielen Punkten hätten
zusammengehen können. Was Wilson z. B. über die Freiheit der Meere und
die Notwendigkeit freier Zugänge zum Meere als ein Vorbeugungsmittel
künftiger Kriege ausführt, wird mau deutscherseits durchaus unterschreiben
können, denn für die Freiheit der Meere kämpft Deutschland in diesem Kriege
gegen England, das durch seine Zwingburgen, unter denen nur Gibraltar,
Suez, Singapore genannt seien, das freie Meer in Fesseln geschlagen hat und
eine unerträgliche Seetyrannei ausübt. Eine Ausnahme, aber nur eine schein-




Wilsons Hriedensliga
Dr. k?. Handle von

in es voraus zu nehmen: die Adresse des Präsidenten Wilson
an den Senat,'die er auch den fremden Mächten überreicht hat,
bezieht sich grundsätzlich nicht auf den Frieden, der irgendwann
einmal diesen Weltkrieg beenden wird, sondern auf die von
Wilson längst geplante Friedensliga, die den geschlossenen Frieden
zu einem Frieden von unbegrenzter Dauer gestalten, ja die Wiederkehr von
Kriegen überhaupt unmöglich machen soll. Wilson betont ausdrücklich, „der
gegenwärtige Krieg muß zuerst beendet werden", auch werde die amerikanische
Regierung den Friedensbedingungen der kriegführenden Mächte keinen Wider¬
stand entgegensetzen, oder versuchen, sie ungültig zu machen, „wie immer sie
auch beschaffen sein mögen". Das hindert ihn allerdings nicht, auch bezüglich
des den Weltkrieg einst beendenden Friedens Wünsche und Ratschläge zu äußern,
die aber keinen Anspruch auf eine Mitbeteiliguug Amerikas an diesen Friedens¬
verhandlungen darstellen, da sich seine Vorschläge ja grundsätzlich nicht auf den
Friedensschluß, sondern auf die Schaffung einer Friedensliga beziehen. In
dieser Hinsicht berührt sich der Standpunkt Wilsons erfreulicherweise mit
dem Deutschlands, das ja bekanntlich von Anfang an zum Ausdruck gebracht
hat. daß der Frieden ohne eine Vermittlung oder Hinzuziehung einer dritten
Macht von den Kriegführenden selbst zustande gebracht werden müsse, und das
dementsprechend genötigt gewesen wäre, eine derartige Vermittlung abzulehnen.

Es ist das nicht der einzige Berührungspunkt der Adresse mit dem deutschen
Standpunkt, vielmehr zeigt diese Darlegung der amerikanischen Wünsche eine
weit größere Übereinstimmung in den Zielen Deutschlands und Amerikas, als
man nach der Haltung, die Amerika in diesem Kriege gegen Deutschland ein¬
genommen hat, glauben sollte und rechtfertigt durchaus die vielfach in der
Presse und auch in den amtlichen deutschen Noten zutage getretene Anschauung,
daß Deutschland und Amerika in diesem Kriege in sehr vielen Punkten hätten
zusammengehen können. Was Wilson z. B. über die Freiheit der Meere und
die Notwendigkeit freier Zugänge zum Meere als ein Vorbeugungsmittel
künftiger Kriege ausführt, wird mau deutscherseits durchaus unterschreiben
können, denn für die Freiheit der Meere kämpft Deutschland in diesem Kriege
gegen England, das durch seine Zwingburgen, unter denen nur Gibraltar,
Suez, Singapore genannt seien, das freie Meer in Fesseln geschlagen hat und
eine unerträgliche Seetyrannei ausübt. Eine Ausnahme, aber nur eine schein-


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[0166] [Abbildung] Wilsons Hriedensliga Dr. k?. Handle von in es voraus zu nehmen: die Adresse des Präsidenten Wilson an den Senat,'die er auch den fremden Mächten überreicht hat, bezieht sich grundsätzlich nicht auf den Frieden, der irgendwann einmal diesen Weltkrieg beenden wird, sondern auf die von Wilson längst geplante Friedensliga, die den geschlossenen Frieden zu einem Frieden von unbegrenzter Dauer gestalten, ja die Wiederkehr von Kriegen überhaupt unmöglich machen soll. Wilson betont ausdrücklich, „der gegenwärtige Krieg muß zuerst beendet werden", auch werde die amerikanische Regierung den Friedensbedingungen der kriegführenden Mächte keinen Wider¬ stand entgegensetzen, oder versuchen, sie ungültig zu machen, „wie immer sie auch beschaffen sein mögen". Das hindert ihn allerdings nicht, auch bezüglich des den Weltkrieg einst beendenden Friedens Wünsche und Ratschläge zu äußern, die aber keinen Anspruch auf eine Mitbeteiliguug Amerikas an diesen Friedens¬ verhandlungen darstellen, da sich seine Vorschläge ja grundsätzlich nicht auf den Friedensschluß, sondern auf die Schaffung einer Friedensliga beziehen. In dieser Hinsicht berührt sich der Standpunkt Wilsons erfreulicherweise mit dem Deutschlands, das ja bekanntlich von Anfang an zum Ausdruck gebracht hat. daß der Frieden ohne eine Vermittlung oder Hinzuziehung einer dritten Macht von den Kriegführenden selbst zustande gebracht werden müsse, und das dementsprechend genötigt gewesen wäre, eine derartige Vermittlung abzulehnen. Es ist das nicht der einzige Berührungspunkt der Adresse mit dem deutschen Standpunkt, vielmehr zeigt diese Darlegung der amerikanischen Wünsche eine weit größere Übereinstimmung in den Zielen Deutschlands und Amerikas, als man nach der Haltung, die Amerika in diesem Kriege gegen Deutschland ein¬ genommen hat, glauben sollte und rechtfertigt durchaus die vielfach in der Presse und auch in den amtlichen deutschen Noten zutage getretene Anschauung, daß Deutschland und Amerika in diesem Kriege in sehr vielen Punkten hätten zusammengehen können. Was Wilson z. B. über die Freiheit der Meere und die Notwendigkeit freier Zugänge zum Meere als ein Vorbeugungsmittel künftiger Kriege ausführt, wird mau deutscherseits durchaus unterschreiben können, denn für die Freiheit der Meere kämpft Deutschland in diesem Kriege gegen England, das durch seine Zwingburgen, unter denen nur Gibraltar, Suez, Singapore genannt seien, das freie Meer in Fesseln geschlagen hat und eine unerträgliche Seetyrannei ausübt. Eine Ausnahme, aber nur eine schein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/166>, abgerufen am 23.07.2024.