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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Unser Verhältnis zu Japan

den Schatten stellen werden, was selbst Deutschland und England in derselben
Beziehung geleistet haben. Handelte es sich um die Vergrößerung der Seewehr
allein, so könnte man auf den Gedanken kommen, sie geschehe zu dem Zweck,
damit die Union sich in einem künftigen Kriege als unbeteiligter Staat nicht
die Übergriffe der kriegführenden Staaten gefallen lassen müsse, wie sie solche
jetzt von England hinnehmen mußte; oder auch zu dem Zwecke, um bei der
Beendigung des Krieges und bei dem Friedensschlüsse als "neutrale" Macht
ein gewichtiges Wort mitsprechen zu können. Daß aber die Union nunmehr
auch daran geht, sich ein Heer von etwa drei Millionen zu schaffen, geschieht
nicht zur Sicherung gegen englische oder gar gegen deutsche Angriffe; die Spitze
dieser Maßnahme kann sich vielmehr, ebenso wie die Befestigung Hawaiis, nur
gegen Japan richten.

Daß es eines Tages zum offenen Streit zwischen den Vereinigten Staaten
und Japan kommen muß, ist ein offenes Geheimnis. Die amerikanischen West¬
staaten haben sich der Überschwemmung durch japanische Einwanderer und der
wirtschaftlichen Durchdringung Kaliforniens durch die "Gelben" nur durch scharfe
Gesetze erwehren können, die aber das japanische Selbstbewußtsein tief verletzt
haben. Dazu ist in Japan die imperialistische Richtung so ausgeprägt wie in
keiner anderen Großmacht. Nicht nur wirst man dort begehrliche Blicke auf
die Philippinen, sondern vor allem auch auf Mexiko, das an Petroleum so
reiche Land. Je mehr das Petroleum für alle schiffahrtstreibenden Völker zum
begehrtesten Gegenstand wird, um so heftiger muß auch zwischen den Vereinigten
Staaten und Japan der Streit um den Besitz Mexikos entbrennen. Endlich
schickt sich auch Japan an, den Vereinigten Staaten ebenso wie alle anderen
weißen Mächten die "offene Tür" in China vor der Nase zuzuschlagen und
damit die dort ganz besonders stark vorhandenen amerikanischen Interessen in
empfindlichster Weise zu verletzen. Deshalb muß es einmal zu einer Aus¬
einandersetzung zwischen Japan und der Union kommen. Die Frage ist nur
die, ob Japan so lange warten wird, bis die Vereinigten Staaten zur See und
zu Land mit ihren Rüstungen fertig sind, und bis der durch Erdrutsche zum
großen Glück für Japan betriebsunfähig gewordene Panamakanal wieder her¬
gestellt sein wird.

Japan, das bisher im großen und ganzen eine überaus geschickte Politik
betrieben hat, wird, wenn es klug ist, den Zeitpunkt wählen, wo die Rüstungen
der Vereinigten Staaten noch nicht allzu weit fortgeschritten sind, die Erschöpfung
Englands durch den Weltkrieg aber stark genug geworden ist. Wäre uns die
Rolle ganz klar, die England bei dieser Auseinandersetzung zugedacht ist, so
würden sich vielleicht manche Dunkelheiten klären, die der von der Union
während des Weltkrieges betriebenen europäischen und ostasiatischen Politik
anheften.

Gustav Frenssen führt in seiner kleinen Schrift "Ein Brief" (Schriften zur
Zeit und Geschichte, verlegt bei G. Grote, 1916) auf Seite 25 aus. es bestehe


Unser Verhältnis zu Japan

den Schatten stellen werden, was selbst Deutschland und England in derselben
Beziehung geleistet haben. Handelte es sich um die Vergrößerung der Seewehr
allein, so könnte man auf den Gedanken kommen, sie geschehe zu dem Zweck,
damit die Union sich in einem künftigen Kriege als unbeteiligter Staat nicht
die Übergriffe der kriegführenden Staaten gefallen lassen müsse, wie sie solche
jetzt von England hinnehmen mußte; oder auch zu dem Zwecke, um bei der
Beendigung des Krieges und bei dem Friedensschlüsse als „neutrale" Macht
ein gewichtiges Wort mitsprechen zu können. Daß aber die Union nunmehr
auch daran geht, sich ein Heer von etwa drei Millionen zu schaffen, geschieht
nicht zur Sicherung gegen englische oder gar gegen deutsche Angriffe; die Spitze
dieser Maßnahme kann sich vielmehr, ebenso wie die Befestigung Hawaiis, nur
gegen Japan richten.

Daß es eines Tages zum offenen Streit zwischen den Vereinigten Staaten
und Japan kommen muß, ist ein offenes Geheimnis. Die amerikanischen West¬
staaten haben sich der Überschwemmung durch japanische Einwanderer und der
wirtschaftlichen Durchdringung Kaliforniens durch die „Gelben" nur durch scharfe
Gesetze erwehren können, die aber das japanische Selbstbewußtsein tief verletzt
haben. Dazu ist in Japan die imperialistische Richtung so ausgeprägt wie in
keiner anderen Großmacht. Nicht nur wirst man dort begehrliche Blicke auf
die Philippinen, sondern vor allem auch auf Mexiko, das an Petroleum so
reiche Land. Je mehr das Petroleum für alle schiffahrtstreibenden Völker zum
begehrtesten Gegenstand wird, um so heftiger muß auch zwischen den Vereinigten
Staaten und Japan der Streit um den Besitz Mexikos entbrennen. Endlich
schickt sich auch Japan an, den Vereinigten Staaten ebenso wie alle anderen
weißen Mächten die „offene Tür" in China vor der Nase zuzuschlagen und
damit die dort ganz besonders stark vorhandenen amerikanischen Interessen in
empfindlichster Weise zu verletzen. Deshalb muß es einmal zu einer Aus¬
einandersetzung zwischen Japan und der Union kommen. Die Frage ist nur
die, ob Japan so lange warten wird, bis die Vereinigten Staaten zur See und
zu Land mit ihren Rüstungen fertig sind, und bis der durch Erdrutsche zum
großen Glück für Japan betriebsunfähig gewordene Panamakanal wieder her¬
gestellt sein wird.

Japan, das bisher im großen und ganzen eine überaus geschickte Politik
betrieben hat, wird, wenn es klug ist, den Zeitpunkt wählen, wo die Rüstungen
der Vereinigten Staaten noch nicht allzu weit fortgeschritten sind, die Erschöpfung
Englands durch den Weltkrieg aber stark genug geworden ist. Wäre uns die
Rolle ganz klar, die England bei dieser Auseinandersetzung zugedacht ist, so
würden sich vielleicht manche Dunkelheiten klären, die der von der Union
während des Weltkrieges betriebenen europäischen und ostasiatischen Politik
anheften.

Gustav Frenssen führt in seiner kleinen Schrift „Ein Brief" (Schriften zur
Zeit und Geschichte, verlegt bei G. Grote, 1916) auf Seite 25 aus. es bestehe


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[0119] Unser Verhältnis zu Japan den Schatten stellen werden, was selbst Deutschland und England in derselben Beziehung geleistet haben. Handelte es sich um die Vergrößerung der Seewehr allein, so könnte man auf den Gedanken kommen, sie geschehe zu dem Zweck, damit die Union sich in einem künftigen Kriege als unbeteiligter Staat nicht die Übergriffe der kriegführenden Staaten gefallen lassen müsse, wie sie solche jetzt von England hinnehmen mußte; oder auch zu dem Zwecke, um bei der Beendigung des Krieges und bei dem Friedensschlüsse als „neutrale" Macht ein gewichtiges Wort mitsprechen zu können. Daß aber die Union nunmehr auch daran geht, sich ein Heer von etwa drei Millionen zu schaffen, geschieht nicht zur Sicherung gegen englische oder gar gegen deutsche Angriffe; die Spitze dieser Maßnahme kann sich vielmehr, ebenso wie die Befestigung Hawaiis, nur gegen Japan richten. Daß es eines Tages zum offenen Streit zwischen den Vereinigten Staaten und Japan kommen muß, ist ein offenes Geheimnis. Die amerikanischen West¬ staaten haben sich der Überschwemmung durch japanische Einwanderer und der wirtschaftlichen Durchdringung Kaliforniens durch die „Gelben" nur durch scharfe Gesetze erwehren können, die aber das japanische Selbstbewußtsein tief verletzt haben. Dazu ist in Japan die imperialistische Richtung so ausgeprägt wie in keiner anderen Großmacht. Nicht nur wirst man dort begehrliche Blicke auf die Philippinen, sondern vor allem auch auf Mexiko, das an Petroleum so reiche Land. Je mehr das Petroleum für alle schiffahrtstreibenden Völker zum begehrtesten Gegenstand wird, um so heftiger muß auch zwischen den Vereinigten Staaten und Japan der Streit um den Besitz Mexikos entbrennen. Endlich schickt sich auch Japan an, den Vereinigten Staaten ebenso wie alle anderen weißen Mächten die „offene Tür" in China vor der Nase zuzuschlagen und damit die dort ganz besonders stark vorhandenen amerikanischen Interessen in empfindlichster Weise zu verletzen. Deshalb muß es einmal zu einer Aus¬ einandersetzung zwischen Japan und der Union kommen. Die Frage ist nur die, ob Japan so lange warten wird, bis die Vereinigten Staaten zur See und zu Land mit ihren Rüstungen fertig sind, und bis der durch Erdrutsche zum großen Glück für Japan betriebsunfähig gewordene Panamakanal wieder her¬ gestellt sein wird. Japan, das bisher im großen und ganzen eine überaus geschickte Politik betrieben hat, wird, wenn es klug ist, den Zeitpunkt wählen, wo die Rüstungen der Vereinigten Staaten noch nicht allzu weit fortgeschritten sind, die Erschöpfung Englands durch den Weltkrieg aber stark genug geworden ist. Wäre uns die Rolle ganz klar, die England bei dieser Auseinandersetzung zugedacht ist, so würden sich vielleicht manche Dunkelheiten klären, die der von der Union während des Weltkrieges betriebenen europäischen und ostasiatischen Politik anheften. Gustav Frenssen führt in seiner kleinen Schrift „Ein Brief" (Schriften zur Zeit und Geschichte, verlegt bei G. Grote, 1916) auf Seite 25 aus. es bestehe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/119>, abgerufen am 23.07.2024.