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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Unser Verhältnis zu Zaxan

Verlängerung des Bündnisvertrages eine Abänderung*) erreichen, durch die er
für Japan seinen eigentlichen Wert verlor, indem er dieses in einem Falle im
Stiche läßt, wo seine Lebensinteressen in Frage kommen: in einem möglichen
Krieg mit den Vereinigten Staaten. Aber die Lösung des Bündnisses wäre
sür Japan gleichbedeutend mit dem Verzicht auf seine Großmachtstellung oder
mit deren moralischer Vernichtung gewesen. Deshalb brauchte England im
August 1914 auch nur mit dieser Lösung zu drohen, um in Japan einen ge¬
fügigen Helfer zum Zug gegen Kiautschou zu haben. Zu der Drohung aber
fügte England auch noch die Bestechung und das Geld: 160 Millionen Dollar
betrug der Judaslohn, um den Japan es auf sich nahm, dem schon von der
halben Welt angegriffenen Deutschen. Reich auch noch in den Rücken zu fallen.
Der englisch-japanische Bündnisvertrag war freilich nur ein Vorwand, den man
brauchte, um das allzu Unehrenhafte dieses Streiches einigermaßen zu ver¬
decken, denn jener kam gar nicht in Frage. In Wahrheit dachte Japan, sein
Ansehen in seinem östlichen Bereich durch eine leichte Vernichtung einer euro¬
päischen Großmacht stark zu erhöhen und sich ohne große Kosten in ein fertig
bereitetes Nest zu setzen, das ihm eine Stufe sein sollte zu dem weiteren Ziel:
der wirtschaftlichen Ausnutzung und Unterjochung Chinas und der Vorherrschaft
in Ostasien. Es glaubte, das von allen Seiten angegriffene Deutschland werde
in kurzer Zeit unter den vereinten Streichen seiner vielen Gegner zusammen¬
brechen und der Krieg in Bälde beendet sein. Gerade aber die Längs des
Weltkrieges kam Japan in ungeahnter Weise zu statten. Es verdiente ungeheuere
Gelder durch die Munitionsliefermigen an Rußland. England unterstützte dabei
Japan auf jede Weise, damit der schon fast von Deutschland vernichtete russische
"Bundesgenosse" nochmals seine Kraft gegen den gemeinsamen, verhaßten
deutschen Gegner zusammenfassen könne. So ward Japan finanziell, industriell
und wirtschaftlich unabhängig von England. Gleichzeitig gewann es die Märkte
acht nur in Ostasien, sondern sogar teilweise auch in Australien und Südafrika,
wo bisher die Engländer (und andere Europäer) den Handelsgewinn eingesteckt
hatten. In Japans Interesse lag es, daß der Krieg sich möglichst in die
Länge zog und beide Kriegsparteien schließlich in einen Zustand allgemeiner
Erschöpfung gerieten. Es verdiente, verdiente ungeheuere Summen und trat im
Osten immer mehr das Erbe Englands an, ohne fürchten zu müssen, daß der
"Bundesgenosse" nach dem Weltkrieg den ihm entrissenen Besitz wieder zurück¬
fordern könne. Aber so angenehm die Verlängerung des Krieges auch sür
Japan ist, sie hat doch auch eine große Schattenseite für das ostasiatische Insel-
reich: das ist die Erstarkung der amerikanischen Wehrmacht zu Wasser und zu
Lande. Die Vereinigten Staaten haben ihre Flotte so gewaltig verstärkt und
werden hiermit weiter fortfahren, daß sie mit diesen Vergrößerungen alles in



*) Es ist mehr als wahrscheinlich, daß damals zwischen Grey und dem japanischen
Botschafter Kato ein geheimes Abkommen geschloffen wurde, wodurch Japan die Anwartschaft
auf Kiautschou und die deutschen Besitzungen in der Südsee zugesichert erhielt.
Unser Verhältnis zu Zaxan

Verlängerung des Bündnisvertrages eine Abänderung*) erreichen, durch die er
für Japan seinen eigentlichen Wert verlor, indem er dieses in einem Falle im
Stiche läßt, wo seine Lebensinteressen in Frage kommen: in einem möglichen
Krieg mit den Vereinigten Staaten. Aber die Lösung des Bündnisses wäre
sür Japan gleichbedeutend mit dem Verzicht auf seine Großmachtstellung oder
mit deren moralischer Vernichtung gewesen. Deshalb brauchte England im
August 1914 auch nur mit dieser Lösung zu drohen, um in Japan einen ge¬
fügigen Helfer zum Zug gegen Kiautschou zu haben. Zu der Drohung aber
fügte England auch noch die Bestechung und das Geld: 160 Millionen Dollar
betrug der Judaslohn, um den Japan es auf sich nahm, dem schon von der
halben Welt angegriffenen Deutschen. Reich auch noch in den Rücken zu fallen.
Der englisch-japanische Bündnisvertrag war freilich nur ein Vorwand, den man
brauchte, um das allzu Unehrenhafte dieses Streiches einigermaßen zu ver¬
decken, denn jener kam gar nicht in Frage. In Wahrheit dachte Japan, sein
Ansehen in seinem östlichen Bereich durch eine leichte Vernichtung einer euro¬
päischen Großmacht stark zu erhöhen und sich ohne große Kosten in ein fertig
bereitetes Nest zu setzen, das ihm eine Stufe sein sollte zu dem weiteren Ziel:
der wirtschaftlichen Ausnutzung und Unterjochung Chinas und der Vorherrschaft
in Ostasien. Es glaubte, das von allen Seiten angegriffene Deutschland werde
in kurzer Zeit unter den vereinten Streichen seiner vielen Gegner zusammen¬
brechen und der Krieg in Bälde beendet sein. Gerade aber die Längs des
Weltkrieges kam Japan in ungeahnter Weise zu statten. Es verdiente ungeheuere
Gelder durch die Munitionsliefermigen an Rußland. England unterstützte dabei
Japan auf jede Weise, damit der schon fast von Deutschland vernichtete russische
„Bundesgenosse" nochmals seine Kraft gegen den gemeinsamen, verhaßten
deutschen Gegner zusammenfassen könne. So ward Japan finanziell, industriell
und wirtschaftlich unabhängig von England. Gleichzeitig gewann es die Märkte
acht nur in Ostasien, sondern sogar teilweise auch in Australien und Südafrika,
wo bisher die Engländer (und andere Europäer) den Handelsgewinn eingesteckt
hatten. In Japans Interesse lag es, daß der Krieg sich möglichst in die
Länge zog und beide Kriegsparteien schließlich in einen Zustand allgemeiner
Erschöpfung gerieten. Es verdiente, verdiente ungeheuere Summen und trat im
Osten immer mehr das Erbe Englands an, ohne fürchten zu müssen, daß der
„Bundesgenosse" nach dem Weltkrieg den ihm entrissenen Besitz wieder zurück¬
fordern könne. Aber so angenehm die Verlängerung des Krieges auch sür
Japan ist, sie hat doch auch eine große Schattenseite für das ostasiatische Insel-
reich: das ist die Erstarkung der amerikanischen Wehrmacht zu Wasser und zu
Lande. Die Vereinigten Staaten haben ihre Flotte so gewaltig verstärkt und
werden hiermit weiter fortfahren, daß sie mit diesen Vergrößerungen alles in



*) Es ist mehr als wahrscheinlich, daß damals zwischen Grey und dem japanischen
Botschafter Kato ein geheimes Abkommen geschloffen wurde, wodurch Japan die Anwartschaft
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[0118] Unser Verhältnis zu Zaxan Verlängerung des Bündnisvertrages eine Abänderung*) erreichen, durch die er für Japan seinen eigentlichen Wert verlor, indem er dieses in einem Falle im Stiche läßt, wo seine Lebensinteressen in Frage kommen: in einem möglichen Krieg mit den Vereinigten Staaten. Aber die Lösung des Bündnisses wäre sür Japan gleichbedeutend mit dem Verzicht auf seine Großmachtstellung oder mit deren moralischer Vernichtung gewesen. Deshalb brauchte England im August 1914 auch nur mit dieser Lösung zu drohen, um in Japan einen ge¬ fügigen Helfer zum Zug gegen Kiautschou zu haben. Zu der Drohung aber fügte England auch noch die Bestechung und das Geld: 160 Millionen Dollar betrug der Judaslohn, um den Japan es auf sich nahm, dem schon von der halben Welt angegriffenen Deutschen. Reich auch noch in den Rücken zu fallen. Der englisch-japanische Bündnisvertrag war freilich nur ein Vorwand, den man brauchte, um das allzu Unehrenhafte dieses Streiches einigermaßen zu ver¬ decken, denn jener kam gar nicht in Frage. In Wahrheit dachte Japan, sein Ansehen in seinem östlichen Bereich durch eine leichte Vernichtung einer euro¬ päischen Großmacht stark zu erhöhen und sich ohne große Kosten in ein fertig bereitetes Nest zu setzen, das ihm eine Stufe sein sollte zu dem weiteren Ziel: der wirtschaftlichen Ausnutzung und Unterjochung Chinas und der Vorherrschaft in Ostasien. Es glaubte, das von allen Seiten angegriffene Deutschland werde in kurzer Zeit unter den vereinten Streichen seiner vielen Gegner zusammen¬ brechen und der Krieg in Bälde beendet sein. Gerade aber die Längs des Weltkrieges kam Japan in ungeahnter Weise zu statten. Es verdiente ungeheuere Gelder durch die Munitionsliefermigen an Rußland. England unterstützte dabei Japan auf jede Weise, damit der schon fast von Deutschland vernichtete russische „Bundesgenosse" nochmals seine Kraft gegen den gemeinsamen, verhaßten deutschen Gegner zusammenfassen könne. So ward Japan finanziell, industriell und wirtschaftlich unabhängig von England. Gleichzeitig gewann es die Märkte acht nur in Ostasien, sondern sogar teilweise auch in Australien und Südafrika, wo bisher die Engländer (und andere Europäer) den Handelsgewinn eingesteckt hatten. In Japans Interesse lag es, daß der Krieg sich möglichst in die Länge zog und beide Kriegsparteien schließlich in einen Zustand allgemeiner Erschöpfung gerieten. Es verdiente, verdiente ungeheuere Summen und trat im Osten immer mehr das Erbe Englands an, ohne fürchten zu müssen, daß der „Bundesgenosse" nach dem Weltkrieg den ihm entrissenen Besitz wieder zurück¬ fordern könne. Aber so angenehm die Verlängerung des Krieges auch sür Japan ist, sie hat doch auch eine große Schattenseite für das ostasiatische Insel- reich: das ist die Erstarkung der amerikanischen Wehrmacht zu Wasser und zu Lande. Die Vereinigten Staaten haben ihre Flotte so gewaltig verstärkt und werden hiermit weiter fortfahren, daß sie mit diesen Vergrößerungen alles in *) Es ist mehr als wahrscheinlich, daß damals zwischen Grey und dem japanischen Botschafter Kato ein geheimes Abkommen geschloffen wurde, wodurch Japan die Anwartschaft auf Kiautschou und die deutschen Besitzungen in der Südsee zugesichert erhielt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/118>, abgerufen am 23.07.2024.