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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Poincarö, Frankreich und die Revanche

samen Kabmetten und waren bei den Wahlen von 1914 nicht mehr so gar
viel vom Zusammenschluß zu einer neuen Partei entfernt, die man mit deutschem
Terminus als die.nationalliberale hätte bezeichnen können. Die Rivalität der
verschiedenen Führer ließ es nicht so weit kommen. Aber die Bildung einer
starken "Gruppe" Briand, der Anschluß einer andern an Barthou-Poincarö
spricht deutlich genug.

Einen ersten sichtbaren und bedeutenden Erfolg trugen sie auch so davon:
die Wahl Poincarös, damals Kabinettschef im sogenannten Zranä Ministers
national und Bannerträger des nationalistischen Teiles der Linken zum
Präsidenten.

Die Präsidentschaftswahl war nur das äußere Zeichen dafür, daß der
Machtgedanke zum herrschenden der französischen Politik geworden, das Zeichen
dafür, wie sehr die Wandlung in der Kammer und innerhalb der Parteien
bereits durchgedrungen war.

"Größe und Würde des Vaterlandes" sind ständig wiederkehrende Ausdrücke
in den Reden des Präsidenten. Er ist einer der ersten gewesen, der sie wieder
zu Schlagworten eines politischen Programms machte zu einer Zeit schon,
als Combes und seine Schüler noch das Feld beherrschten, als sein Programm
unter den Politikern noch recht wenig Mode war.

Wie kann man ihm da die Überzeugung absprechen, wie kann man glauben,
dieser Mann sei nur kalter Rechner oder ehrgeiziger Streber, seine polirischen
Gedanken nur wohlüberlegte Lockmittel für die Masse! Wir können uns im
Gegenteil nicht scharf genug klar machen, wie stark diesen Mann und wie tief
ihn schon als Lothringer der Gedanke des nationalen Machtstaates und damit
des Gegensatzes zu Deutschland beherrscht, so tief, daß er trotz des lähmenden
Eindrucks von 1870 vor diesem Kriege nicht zurückschreckte, daß er alles daran
setzte, die alte Macht des französischen Staates wieder heimzubringen, koste es
auch einen verzweiflungsvollen Kampf. Und wie ihn, so beherrscht dieser Ge¬
danke auch all die Männer, die ihn gewählt, die ihm bald da bald dort
Handlangerdienste geleistet, die mit ihm als Ministerpräsidenten und Minister in
den letzten drei Jahren die große Politik gemacht und diese Katastrophe ein¬
gefädelt haben, alle die, die mit ihm heute diesen zähen Kampf gegen unser
Heer und Volk leiten. Sie alle werden, wenn nicht völlig geschlagen, nicht
zurückweichen, sie werden ihr Staatsideal nicht selbst zertrümmern. Sie kämpfen
für die historische Großmachtstellung Frankreichs gegenüber Deutschland. Das
gibt ihnen diese Zähigkeit und diesen unbeirrbaren Entschluß zum Erschöpfungs¬
kampf, diesen Optimismus, der uns oft fast irrsinnig oder lächerlich scheint. Daraus
ziehen sie die Rührigkeit und den scharfen Blick, die ihnen immer wieder neue Hilfs¬
mittel gegen uns verschaffen, sei es auf militärischem, sei es auf politisch-diplomati¬
schem Gebiet. Sie sind gezwungen zu kämpfen, wollen sie sich nicht selbst aufgeben,
innerlich vor allem, vom Äußerlichen ganz abgesehen. Und sie werden sich nicht auf¬
gebet, sie werden kämpfen. Denn noch immer bleiben ihnen die "espöi-anne


Poincarö, Frankreich und die Revanche

samen Kabmetten und waren bei den Wahlen von 1914 nicht mehr so gar
viel vom Zusammenschluß zu einer neuen Partei entfernt, die man mit deutschem
Terminus als die.nationalliberale hätte bezeichnen können. Die Rivalität der
verschiedenen Führer ließ es nicht so weit kommen. Aber die Bildung einer
starken „Gruppe" Briand, der Anschluß einer andern an Barthou-Poincarö
spricht deutlich genug.

Einen ersten sichtbaren und bedeutenden Erfolg trugen sie auch so davon:
die Wahl Poincarös, damals Kabinettschef im sogenannten Zranä Ministers
national und Bannerträger des nationalistischen Teiles der Linken zum
Präsidenten.

Die Präsidentschaftswahl war nur das äußere Zeichen dafür, daß der
Machtgedanke zum herrschenden der französischen Politik geworden, das Zeichen
dafür, wie sehr die Wandlung in der Kammer und innerhalb der Parteien
bereits durchgedrungen war.

„Größe und Würde des Vaterlandes" sind ständig wiederkehrende Ausdrücke
in den Reden des Präsidenten. Er ist einer der ersten gewesen, der sie wieder
zu Schlagworten eines politischen Programms machte zu einer Zeit schon,
als Combes und seine Schüler noch das Feld beherrschten, als sein Programm
unter den Politikern noch recht wenig Mode war.

Wie kann man ihm da die Überzeugung absprechen, wie kann man glauben,
dieser Mann sei nur kalter Rechner oder ehrgeiziger Streber, seine polirischen
Gedanken nur wohlüberlegte Lockmittel für die Masse! Wir können uns im
Gegenteil nicht scharf genug klar machen, wie stark diesen Mann und wie tief
ihn schon als Lothringer der Gedanke des nationalen Machtstaates und damit
des Gegensatzes zu Deutschland beherrscht, so tief, daß er trotz des lähmenden
Eindrucks von 1870 vor diesem Kriege nicht zurückschreckte, daß er alles daran
setzte, die alte Macht des französischen Staates wieder heimzubringen, koste es
auch einen verzweiflungsvollen Kampf. Und wie ihn, so beherrscht dieser Ge¬
danke auch all die Männer, die ihn gewählt, die ihm bald da bald dort
Handlangerdienste geleistet, die mit ihm als Ministerpräsidenten und Minister in
den letzten drei Jahren die große Politik gemacht und diese Katastrophe ein¬
gefädelt haben, alle die, die mit ihm heute diesen zähen Kampf gegen unser
Heer und Volk leiten. Sie alle werden, wenn nicht völlig geschlagen, nicht
zurückweichen, sie werden ihr Staatsideal nicht selbst zertrümmern. Sie kämpfen
für die historische Großmachtstellung Frankreichs gegenüber Deutschland. Das
gibt ihnen diese Zähigkeit und diesen unbeirrbaren Entschluß zum Erschöpfungs¬
kampf, diesen Optimismus, der uns oft fast irrsinnig oder lächerlich scheint. Daraus
ziehen sie die Rührigkeit und den scharfen Blick, die ihnen immer wieder neue Hilfs¬
mittel gegen uns verschaffen, sei es auf militärischem, sei es auf politisch-diplomati¬
schem Gebiet. Sie sind gezwungen zu kämpfen, wollen sie sich nicht selbst aufgeben,
innerlich vor allem, vom Äußerlichen ganz abgesehen. Und sie werden sich nicht auf¬
gebet, sie werden kämpfen. Denn noch immer bleiben ihnen die „espöi-anne


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/83>, abgerufen am 01.07.2024.