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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Rußland und Rumänien

schaft überhaupt keinen Wert mehr legen. Tatsächlich brauchte man Rumänien
dringend zu einem letzten Versuche, Bulgarien zusammenzudrücken und den
Balkan zu unterwerfen.

Dieser Versuch kann jetzt schon als gescheitert betrachtet werden. Das
rumänische Heer hat vollständig versagt. Man kann damit weder Bulgarien
besiegen noch die Straße Berlin-Konstantinopel unterbrechen. Damit ist aber
das Interesse des Vierverbandes an Rumänien in der Hauptsache erschöpft. Es
hat nur noch Wert, indem es Truppen auf sich zieht und selbst für Rußland
Hilfstruppen liefert. Im übrigen kann man es seinem Schicksale überlassen.
Daß es nur noch dazu da ist, für Nußland Soldaten zu liefern, findet seinen
äußeren Ausdruck im russischen Oberbefehle über die rumänischen Truppen.

Das eigene Interesse Rumäniens fordert, wie der rumänische Staats¬
mann Carp offen ausgesprochen hat, daß es nebst seinem russischen Ver¬
bündeten besiegt wird. Denn von der Niederlage kann es sich vielleicht
allmählich wieder erholen, ein Sieg würde es dauernd zum russischen Vasallen¬
staate machen. Wahrscheinlich wird Rumänien nach dem Kriege vom russischen
Bündnisse dauernd geheilt sein, ist es vielleicht schon jetzt.

Eine ganz andere Frage ist es, ob damit die Freundschaft zu Österreich
und Bulgarien wieder hergestellt wird. Nach dieser Richtung wird vielleicht
lange die Todfeindschaft fortdauern. Die Fehler der ungarischen Nationalitäten¬
politik haben schon bisher viel Unheil angerichtet und werden sich nach der
militärischen Niederlage Serbiens und Rumäniens noch verstärken. Der von
Deutschland abgekehrte Versuch Österreichs, nach dem zweiten Balkankriege den
Bukarester Frieden einer Nachprüfung durch die Großmächte zu unterwerfen,
zeigte auch schon einen Gegensatz Rumäniens zu Österreich, während ein solcher
zu Deutschland nicht bestand. So wird Rumänien nach der russischen Ent¬
täuschung voraussichtlich den Weg zu Deutschland sehr schnell zurückfinden und
in ihm seinen natürlichen Beschützer sehen. Das bewahrt aber gleichzeitig auch
Österreich und Bulgarien vor rumänischen Rachegelüsten.




Rußland und Rumänien

schaft überhaupt keinen Wert mehr legen. Tatsächlich brauchte man Rumänien
dringend zu einem letzten Versuche, Bulgarien zusammenzudrücken und den
Balkan zu unterwerfen.

Dieser Versuch kann jetzt schon als gescheitert betrachtet werden. Das
rumänische Heer hat vollständig versagt. Man kann damit weder Bulgarien
besiegen noch die Straße Berlin-Konstantinopel unterbrechen. Damit ist aber
das Interesse des Vierverbandes an Rumänien in der Hauptsache erschöpft. Es
hat nur noch Wert, indem es Truppen auf sich zieht und selbst für Rußland
Hilfstruppen liefert. Im übrigen kann man es seinem Schicksale überlassen.
Daß es nur noch dazu da ist, für Nußland Soldaten zu liefern, findet seinen
äußeren Ausdruck im russischen Oberbefehle über die rumänischen Truppen.

Das eigene Interesse Rumäniens fordert, wie der rumänische Staats¬
mann Carp offen ausgesprochen hat, daß es nebst seinem russischen Ver¬
bündeten besiegt wird. Denn von der Niederlage kann es sich vielleicht
allmählich wieder erholen, ein Sieg würde es dauernd zum russischen Vasallen¬
staate machen. Wahrscheinlich wird Rumänien nach dem Kriege vom russischen
Bündnisse dauernd geheilt sein, ist es vielleicht schon jetzt.

Eine ganz andere Frage ist es, ob damit die Freundschaft zu Österreich
und Bulgarien wieder hergestellt wird. Nach dieser Richtung wird vielleicht
lange die Todfeindschaft fortdauern. Die Fehler der ungarischen Nationalitäten¬
politik haben schon bisher viel Unheil angerichtet und werden sich nach der
militärischen Niederlage Serbiens und Rumäniens noch verstärken. Der von
Deutschland abgekehrte Versuch Österreichs, nach dem zweiten Balkankriege den
Bukarester Frieden einer Nachprüfung durch die Großmächte zu unterwerfen,
zeigte auch schon einen Gegensatz Rumäniens zu Österreich, während ein solcher
zu Deutschland nicht bestand. So wird Rumänien nach der russischen Ent¬
täuschung voraussichtlich den Weg zu Deutschland sehr schnell zurückfinden und
in ihm seinen natürlichen Beschützer sehen. Das bewahrt aber gleichzeitig auch
Österreich und Bulgarien vor rumänischen Rachegelüsten.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/350>, abgerufen am 01.07.2024.