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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Dänemarks Zukunft

Diese guten äußeren Bedingungen reichen jedoch nicht aus. Und auch d:e
guten sozialen und unterrichtlichen Zustände genügen nicht, um die Zukunft zu
sichern. Hier kommt es vor allen Dingen auf Tüchtigkeit an Und das
wirklich eine wirtschaftliche Tüchtigkeit in Dänemark vorhanden es. geht besonders
aus der Entwicklung der dänischen Landwirtschaft hervor. Vor 1880 war
Kornproduktion (und Kornausfuhr) der wichtigste Nahrungszweig in Dänemark.
Dann brach aber die Konkurrenz der überseeischen Kornländer über Europa
herein, und ein kleines Land wie Dänemark wurde naturgemäß zurückgedrängt.
Es gelang aber durch eine Umlegung der ganzen Produktion dre Schnneng-
keiten zu überwinden. Gerade die billigen überseeischen Korn- und Futterstoffe,
die Dänemark mit wirtschaftlichem Ruin bedroht hatten, wurden als Rohstoffe
für eine nunmehr industrialisierte Landwirtschaft benutzt, und die Ausfuhrwaren
wurden statt des Kornes animalische Produkte. Die Folge ist. daß der
Produktionswert der dänischen Landwirtschaft jetzt fünfmal größer als 1875 es.
Diese schnelle und erfolgreiche Umlegung der ganzen Volkswirtschaft ist beispiellos.

Er zeigt auch, daß es ganz falsch ist. wenn man gewöhnlich glaubt, daß
Schweden und Norwegen bessere Zukunftsmöglichkeiten als Dänemark haben.
Wenn man den Geburtenzuwachs vergleicht, sieht man, daß er in Schweden
0,73 Prozent, in Norwegen 0.75 Prozent und in Dänemark 1.08 Prozent
beträgt. Zur Zeit der Jahrhundertwende betrug das Nationalvermögen in
Norwegen 1350 Kronen auf den Kopf, in Schweden 1770 und in Dänemark 2800.
Spätere genaue Angaben sind nicht vorhanden. Die Zahlen sind gestiegen,
aber das Verhältnis ist dasselbe. Betrachtet man schließlich den Handels¬
austausch, so sieht man, daß er aus den Kopf in Schweden 299 Kronen, in
Norwegen 387 Kronen und in Dänemark 563 Kronen beträgt. Der Vergleich
mit den beiden andern skandinavischen Ländern zeigt also eine für Dänemark
günstige Stellung.

Paul Drachmanns Buch ist aber nicht nur geschrieben, um das Vaterland
zu preisen. Er meint zwar, daß die Bedingungen für eine würdige Zukunft
Dänemarks vorhanden sind, er sieht aber such deutlich, daß mehrere Umstände
es erschweren, diese Bedingungen recht auszunutzen.

Er meint z. B., daß die etwas gemächliche Natur des dänischen Arbeiters
ihm hinderlich sein wird, sich an das neue (d. h. das deutsche) Arbeitstempo
zu gewöhnen. Auch liegt eine Gefahr darin, daß man in Dänemark sehr
geneigt ist, über seine Verhältnisse zu leben. Die dänische Handelsbilanz war
vor dem Kriege, nicht gut. da die Einfuhr beträchtlich größer als die Ausfuhr
war. Die guten Konjunkturen während des Krieges haben zwar den Zustand
verbessert, aber diese Verbesserung darf nur als zeitweilig angesehen werden,
und um eine dauernde Konsolidierung zu erreichen, ist es notwendig, nicht nur
die Ausfuhr zu steigern, sondern auch den Bedarf einzuschränken.

Die größte Gefahr jedoch steht der Verfasser in den vielen Sonderinteressen,
die dem großen gemeinsamen Wirken hindernd in den Weg treten. Sowohl


Dänemarks Zukunft

Diese guten äußeren Bedingungen reichen jedoch nicht aus. Und auch d:e
guten sozialen und unterrichtlichen Zustände genügen nicht, um die Zukunft zu
sichern. Hier kommt es vor allen Dingen auf Tüchtigkeit an Und das
wirklich eine wirtschaftliche Tüchtigkeit in Dänemark vorhanden es. geht besonders
aus der Entwicklung der dänischen Landwirtschaft hervor. Vor 1880 war
Kornproduktion (und Kornausfuhr) der wichtigste Nahrungszweig in Dänemark.
Dann brach aber die Konkurrenz der überseeischen Kornländer über Europa
herein, und ein kleines Land wie Dänemark wurde naturgemäß zurückgedrängt.
Es gelang aber durch eine Umlegung der ganzen Produktion dre Schnneng-
keiten zu überwinden. Gerade die billigen überseeischen Korn- und Futterstoffe,
die Dänemark mit wirtschaftlichem Ruin bedroht hatten, wurden als Rohstoffe
für eine nunmehr industrialisierte Landwirtschaft benutzt, und die Ausfuhrwaren
wurden statt des Kornes animalische Produkte. Die Folge ist. daß der
Produktionswert der dänischen Landwirtschaft jetzt fünfmal größer als 1875 es.
Diese schnelle und erfolgreiche Umlegung der ganzen Volkswirtschaft ist beispiellos.

Er zeigt auch, daß es ganz falsch ist. wenn man gewöhnlich glaubt, daß
Schweden und Norwegen bessere Zukunftsmöglichkeiten als Dänemark haben.
Wenn man den Geburtenzuwachs vergleicht, sieht man, daß er in Schweden
0,73 Prozent, in Norwegen 0.75 Prozent und in Dänemark 1.08 Prozent
beträgt. Zur Zeit der Jahrhundertwende betrug das Nationalvermögen in
Norwegen 1350 Kronen auf den Kopf, in Schweden 1770 und in Dänemark 2800.
Spätere genaue Angaben sind nicht vorhanden. Die Zahlen sind gestiegen,
aber das Verhältnis ist dasselbe. Betrachtet man schließlich den Handels¬
austausch, so sieht man, daß er aus den Kopf in Schweden 299 Kronen, in
Norwegen 387 Kronen und in Dänemark 563 Kronen beträgt. Der Vergleich
mit den beiden andern skandinavischen Ländern zeigt also eine für Dänemark
günstige Stellung.

Paul Drachmanns Buch ist aber nicht nur geschrieben, um das Vaterland
zu preisen. Er meint zwar, daß die Bedingungen für eine würdige Zukunft
Dänemarks vorhanden sind, er sieht aber such deutlich, daß mehrere Umstände
es erschweren, diese Bedingungen recht auszunutzen.

Er meint z. B., daß die etwas gemächliche Natur des dänischen Arbeiters
ihm hinderlich sein wird, sich an das neue (d. h. das deutsche) Arbeitstempo
zu gewöhnen. Auch liegt eine Gefahr darin, daß man in Dänemark sehr
geneigt ist, über seine Verhältnisse zu leben. Die dänische Handelsbilanz war
vor dem Kriege, nicht gut. da die Einfuhr beträchtlich größer als die Ausfuhr
war. Die guten Konjunkturen während des Krieges haben zwar den Zustand
verbessert, aber diese Verbesserung darf nur als zeitweilig angesehen werden,
und um eine dauernde Konsolidierung zu erreichen, ist es notwendig, nicht nur
die Ausfuhr zu steigern, sondern auch den Bedarf einzuschränken.

Die größte Gefahr jedoch steht der Verfasser in den vielen Sonderinteressen,
die dem großen gemeinsamen Wirken hindernd in den Weg treten. Sowohl


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[0075] Dänemarks Zukunft Diese guten äußeren Bedingungen reichen jedoch nicht aus. Und auch d:e guten sozialen und unterrichtlichen Zustände genügen nicht, um die Zukunft zu sichern. Hier kommt es vor allen Dingen auf Tüchtigkeit an Und das wirklich eine wirtschaftliche Tüchtigkeit in Dänemark vorhanden es. geht besonders aus der Entwicklung der dänischen Landwirtschaft hervor. Vor 1880 war Kornproduktion (und Kornausfuhr) der wichtigste Nahrungszweig in Dänemark. Dann brach aber die Konkurrenz der überseeischen Kornländer über Europa herein, und ein kleines Land wie Dänemark wurde naturgemäß zurückgedrängt. Es gelang aber durch eine Umlegung der ganzen Produktion dre Schnneng- keiten zu überwinden. Gerade die billigen überseeischen Korn- und Futterstoffe, die Dänemark mit wirtschaftlichem Ruin bedroht hatten, wurden als Rohstoffe für eine nunmehr industrialisierte Landwirtschaft benutzt, und die Ausfuhrwaren wurden statt des Kornes animalische Produkte. Die Folge ist. daß der Produktionswert der dänischen Landwirtschaft jetzt fünfmal größer als 1875 es. Diese schnelle und erfolgreiche Umlegung der ganzen Volkswirtschaft ist beispiellos. Er zeigt auch, daß es ganz falsch ist. wenn man gewöhnlich glaubt, daß Schweden und Norwegen bessere Zukunftsmöglichkeiten als Dänemark haben. Wenn man den Geburtenzuwachs vergleicht, sieht man, daß er in Schweden 0,73 Prozent, in Norwegen 0.75 Prozent und in Dänemark 1.08 Prozent beträgt. Zur Zeit der Jahrhundertwende betrug das Nationalvermögen in Norwegen 1350 Kronen auf den Kopf, in Schweden 1770 und in Dänemark 2800. Spätere genaue Angaben sind nicht vorhanden. Die Zahlen sind gestiegen, aber das Verhältnis ist dasselbe. Betrachtet man schließlich den Handels¬ austausch, so sieht man, daß er aus den Kopf in Schweden 299 Kronen, in Norwegen 387 Kronen und in Dänemark 563 Kronen beträgt. Der Vergleich mit den beiden andern skandinavischen Ländern zeigt also eine für Dänemark günstige Stellung. Paul Drachmanns Buch ist aber nicht nur geschrieben, um das Vaterland zu preisen. Er meint zwar, daß die Bedingungen für eine würdige Zukunft Dänemarks vorhanden sind, er sieht aber such deutlich, daß mehrere Umstände es erschweren, diese Bedingungen recht auszunutzen. Er meint z. B., daß die etwas gemächliche Natur des dänischen Arbeiters ihm hinderlich sein wird, sich an das neue (d. h. das deutsche) Arbeitstempo zu gewöhnen. Auch liegt eine Gefahr darin, daß man in Dänemark sehr geneigt ist, über seine Verhältnisse zu leben. Die dänische Handelsbilanz war vor dem Kriege, nicht gut. da die Einfuhr beträchtlich größer als die Ausfuhr war. Die guten Konjunkturen während des Krieges haben zwar den Zustand verbessert, aber diese Verbesserung darf nur als zeitweilig angesehen werden, und um eine dauernde Konsolidierung zu erreichen, ist es notwendig, nicht nur die Ausfuhr zu steigern, sondern auch den Bedarf einzuschränken. Die größte Gefahr jedoch steht der Verfasser in den vielen Sonderinteressen, die dem großen gemeinsamen Wirken hindernd in den Weg treten. Sowohl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/75>, abgerufen am 23.07.2024.