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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Dänemarks Zukunft

vorzunehmenden Gebietserweiterungen werden uns hoffentlich die Anwendung
des wirksamsten Mittels gegen sinkende Geburtenziffern, die Landsässtgmachung
von Menschen, in großem Maßstab gestatten. Die Entschädigung der Invaliden
wird, wo irgend die persönlichen Verhältnisse des Invaliden, sein früherer
Beruf und seine körperliche Eignung es gestatten, möglichst in dieser Weise
zu erfolgen haben. Daß die hier vorgeschlagene Vergabungsform durch den
drohenden Heimfall bei fehlenden Leibeserben einen besonderen Anreiz zur
Familiengründung schafft, wird einleuchten.

Aber nicht darin, sondern in dem steten Freiwerden und Neuvergaben
von Landstellen, und in der dadurch ermöglichten Bodenpolitik liegt die eigent¬
liche Bedeutung der Maßregel.




Dänemarks Zukunft
or. Carl Gad von

or kurzer Zeit erschien in Dänemark ein Buch, das großes
Aufsehen erregte und sowohl in der Presse als unter den Leuten
stark diskutiert wurde. Das Buch, das auch sür Deutsche Jnter-
esse hat. heißt "Vergangenheit und Zukunfts-Gedanken über Däne¬
mark", und der Verfasser ist der Sekretär im Zentralausschuß sür
Industrie, der junge Volkswirtschaftler Paul Drachmann, ein Sohn des
berühmten Dichters Holger Drachmann.

Das Buch, das stark rationalistisch ist. beschäftigt sich mit den Aufgaben
Dänemarks nach dem Kriege und versucht Wege zu zeigen, auf denen "ein
psychologisch größeres Dänemark" zu erreichen wäre. Der Verfasser stellt fest,
daß die friedliche, idyllische Zeit, an die vor dem Kriege viele Dänen zu gern
glaubten, jetzt endgültig vorbei ist. Wenn der Waffenlärm auch aufhört, und
ein Friedensschluß zu Stande kommt, wird sich doch das internationale Leben
ganz anders als vor dem Kriege gestalten. Der wirtschaftliche Krieg wird
fortdauern, die Konkurrenz zwischen den Völkern wird schärfer und rücksichtsloser,
die einzelnen Nationen werden auf sich selber und ihre eigenen Kräfte verwiesen
werden. Besonders sür die kleinen Nationen wird es eine Probezeit werden.
Für sie gilt es Sein oder Nichtsein. Sie müssen zeigen, ob sie lebensfähig
find, ob sie Tüchtigkeit genug haben, um sich unter den veränderten Verhältnissen
zu behaupten. Härte ohne Rauheit, Festigkeit ohne Zynismus -- das wird
die neue Zeit erfordern.

Wenn eine Nation die Schwierigkeiten der veränderten Zeitlage überwinden
soll, ist es notwendig, daß sie erstens die Zeit versteht und zweitens ihre eigenen
Kräfte kennt und sie zu brauchen weiß.


Dänemarks Zukunft

vorzunehmenden Gebietserweiterungen werden uns hoffentlich die Anwendung
des wirksamsten Mittels gegen sinkende Geburtenziffern, die Landsässtgmachung
von Menschen, in großem Maßstab gestatten. Die Entschädigung der Invaliden
wird, wo irgend die persönlichen Verhältnisse des Invaliden, sein früherer
Beruf und seine körperliche Eignung es gestatten, möglichst in dieser Weise
zu erfolgen haben. Daß die hier vorgeschlagene Vergabungsform durch den
drohenden Heimfall bei fehlenden Leibeserben einen besonderen Anreiz zur
Familiengründung schafft, wird einleuchten.

Aber nicht darin, sondern in dem steten Freiwerden und Neuvergaben
von Landstellen, und in der dadurch ermöglichten Bodenpolitik liegt die eigent¬
liche Bedeutung der Maßregel.




Dänemarks Zukunft
or. Carl Gad von

or kurzer Zeit erschien in Dänemark ein Buch, das großes
Aufsehen erregte und sowohl in der Presse als unter den Leuten
stark diskutiert wurde. Das Buch, das auch sür Deutsche Jnter-
esse hat. heißt „Vergangenheit und Zukunfts-Gedanken über Däne¬
mark", und der Verfasser ist der Sekretär im Zentralausschuß sür
Industrie, der junge Volkswirtschaftler Paul Drachmann, ein Sohn des
berühmten Dichters Holger Drachmann.

Das Buch, das stark rationalistisch ist. beschäftigt sich mit den Aufgaben
Dänemarks nach dem Kriege und versucht Wege zu zeigen, auf denen „ein
psychologisch größeres Dänemark" zu erreichen wäre. Der Verfasser stellt fest,
daß die friedliche, idyllische Zeit, an die vor dem Kriege viele Dänen zu gern
glaubten, jetzt endgültig vorbei ist. Wenn der Waffenlärm auch aufhört, und
ein Friedensschluß zu Stande kommt, wird sich doch das internationale Leben
ganz anders als vor dem Kriege gestalten. Der wirtschaftliche Krieg wird
fortdauern, die Konkurrenz zwischen den Völkern wird schärfer und rücksichtsloser,
die einzelnen Nationen werden auf sich selber und ihre eigenen Kräfte verwiesen
werden. Besonders sür die kleinen Nationen wird es eine Probezeit werden.
Für sie gilt es Sein oder Nichtsein. Sie müssen zeigen, ob sie lebensfähig
find, ob sie Tüchtigkeit genug haben, um sich unter den veränderten Verhältnissen
zu behaupten. Härte ohne Rauheit, Festigkeit ohne Zynismus — das wird
die neue Zeit erfordern.

Wenn eine Nation die Schwierigkeiten der veränderten Zeitlage überwinden
soll, ist es notwendig, daß sie erstens die Zeit versteht und zweitens ihre eigenen
Kräfte kennt und sie zu brauchen weiß.


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[0073] Dänemarks Zukunft vorzunehmenden Gebietserweiterungen werden uns hoffentlich die Anwendung des wirksamsten Mittels gegen sinkende Geburtenziffern, die Landsässtgmachung von Menschen, in großem Maßstab gestatten. Die Entschädigung der Invaliden wird, wo irgend die persönlichen Verhältnisse des Invaliden, sein früherer Beruf und seine körperliche Eignung es gestatten, möglichst in dieser Weise zu erfolgen haben. Daß die hier vorgeschlagene Vergabungsform durch den drohenden Heimfall bei fehlenden Leibeserben einen besonderen Anreiz zur Familiengründung schafft, wird einleuchten. Aber nicht darin, sondern in dem steten Freiwerden und Neuvergaben von Landstellen, und in der dadurch ermöglichten Bodenpolitik liegt die eigent¬ liche Bedeutung der Maßregel. Dänemarks Zukunft or. Carl Gad von or kurzer Zeit erschien in Dänemark ein Buch, das großes Aufsehen erregte und sowohl in der Presse als unter den Leuten stark diskutiert wurde. Das Buch, das auch sür Deutsche Jnter- esse hat. heißt „Vergangenheit und Zukunfts-Gedanken über Däne¬ mark", und der Verfasser ist der Sekretär im Zentralausschuß sür Industrie, der junge Volkswirtschaftler Paul Drachmann, ein Sohn des berühmten Dichters Holger Drachmann. Das Buch, das stark rationalistisch ist. beschäftigt sich mit den Aufgaben Dänemarks nach dem Kriege und versucht Wege zu zeigen, auf denen „ein psychologisch größeres Dänemark" zu erreichen wäre. Der Verfasser stellt fest, daß die friedliche, idyllische Zeit, an die vor dem Kriege viele Dänen zu gern glaubten, jetzt endgültig vorbei ist. Wenn der Waffenlärm auch aufhört, und ein Friedensschluß zu Stande kommt, wird sich doch das internationale Leben ganz anders als vor dem Kriege gestalten. Der wirtschaftliche Krieg wird fortdauern, die Konkurrenz zwischen den Völkern wird schärfer und rücksichtsloser, die einzelnen Nationen werden auf sich selber und ihre eigenen Kräfte verwiesen werden. Besonders sür die kleinen Nationen wird es eine Probezeit werden. Für sie gilt es Sein oder Nichtsein. Sie müssen zeigen, ob sie lebensfähig find, ob sie Tüchtigkeit genug haben, um sich unter den veränderten Verhältnissen zu behaupten. Härte ohne Rauheit, Festigkeit ohne Zynismus — das wird die neue Zeit erfordern. Wenn eine Nation die Schwierigkeiten der veränderten Zeitlage überwinden soll, ist es notwendig, daß sie erstens die Zeit versteht und zweitens ihre eigenen Kräfte kennt und sie zu brauchen weiß.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/73>, abgerufen am 03.07.2024.