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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Landvergabung nach Lehenrecht

die erste Unterlage für die vorgeschlagene Bodenpolitik bilden wird. Auch die
jetzt im größeren Umfange durch Gefangenenarbeit unternommene Urbarmachung
von Mooren und sonstigem Ödland wird vergabbares Gelände in öffentliche
Hand bringen; zu dem, was von früher her als Domäne oder sonst schon
vorhanden war und oder in neuerer Zeit durch die Bodenpolitik einiger Ge¬
meinden in deren Hand kam. Man sollte sich bei Erwägung von einschränken¬
den und selbst prohibitiven Maßregeln gegenüber der Terrainspekulation immer
vor Augen halten, daß der Handel mit Grundstücken wegen der Unbeweglich-
keit des gehandelten Gegenstandes überhaupt kein Handel im volkswirtschaft¬
lichen Sinne ist.

Als das Wesentliche der in diesen Ausführungen vorgeschlagenen Land¬
vergabungsform wird wie gesagt angesehen, daß die Vergabung erfolgt an den
ersten Redner und an die unbeschränkte Reihe der Fortsetzer seines Blutes,
also ohne eine absehbare Grenze der Befitzzeit, damit der einzelne Lehensnutzer
sich wie ein Eigentümer fühlen kann; daß es sich aber andererseits eben doch
um eine bloße Lehensvergabung des Bodens handelt, sodaß bei dem Aussterben
von Familien immer wieder Boden an die öffentlich rechtliche Körperschaft
zurückfällt und zur Weitervergabung an andere private Redner frei wird. Ein
besonderes Erbrecht, wie etwa ein Vorzug des Mannstamms, ist damit an sich
noch in keiner Weise erfordert. Ebensowenig andere Anforderungen wie etwa
Wehrfähigkeit des Lehensträgers. Wenn die Vergabungsform etwa zur Schaffung
einer Militärgrenze benutzt werden soll, könnte man sich dem alten Lehenrecht
in dieser Richtung noch weiter annähern.

Um bei jahrhundertelanger Besitzzeit zu weit zurückgehende und darum
unsichere Verwanoschaftsprüfungen über Abstammung vom ersten Redner zu
vermeiden, wird es zweckmüßig sein, solche Nachkommen des ersten Redners
als nicht mehr lehensberechtigt anzusehen, die drei Geschlechterfolgen lang dem
Gute völlig fremd waren. Auch so noch wird die Verleihung an die Geschlechter¬
folgen, die das Wesen der vorgeschlagenen Verleihungsform ausmacht, den
Familiensinn und Familienzusammenhang stärken. Auch ohne besondere recht¬
liche Voraussetzung der Lebensfähigkeit im Sinne der Wehrfähigkeit wird
wenigstens bei jeder Neuverleihung die vergabende öffentliche Stelle in der
Lage fein, Bevölkerungshygiene zu treiben und selbst im Sinne der "eugenischen"
Bestrebungen zu wirken, indem sie gewisse gesundheitliche Anforderungen an
die Bewerber stellt und die Starken und Gesunden bevorzugt.

Bevölkerungspolitik im engeren Sinne, als Sicherung und Vermehrung
des Bevölkerungszuwachses wird künftighin in Europa eine dringende Aufgabe
sein. Und nicht erst seit dem Weltkrieg mit seinen furchtbaren Verlusten an
europäischen Menschen. Das Problem selbst war in dem Sinken der Geburten¬
ziffer schon vorher da. Auch für uns. Wenn auch nicht ganz fo dringend
wie für Frankreich. Die zur Sicherung unserer Stellung und keineswegs zur
"Befreiung" aller möglichen interessanten Mindereuropäer nach dem Krieg


Landvergabung nach Lehenrecht

die erste Unterlage für die vorgeschlagene Bodenpolitik bilden wird. Auch die
jetzt im größeren Umfange durch Gefangenenarbeit unternommene Urbarmachung
von Mooren und sonstigem Ödland wird vergabbares Gelände in öffentliche
Hand bringen; zu dem, was von früher her als Domäne oder sonst schon
vorhanden war und oder in neuerer Zeit durch die Bodenpolitik einiger Ge¬
meinden in deren Hand kam. Man sollte sich bei Erwägung von einschränken¬
den und selbst prohibitiven Maßregeln gegenüber der Terrainspekulation immer
vor Augen halten, daß der Handel mit Grundstücken wegen der Unbeweglich-
keit des gehandelten Gegenstandes überhaupt kein Handel im volkswirtschaft¬
lichen Sinne ist.

Als das Wesentliche der in diesen Ausführungen vorgeschlagenen Land¬
vergabungsform wird wie gesagt angesehen, daß die Vergabung erfolgt an den
ersten Redner und an die unbeschränkte Reihe der Fortsetzer seines Blutes,
also ohne eine absehbare Grenze der Befitzzeit, damit der einzelne Lehensnutzer
sich wie ein Eigentümer fühlen kann; daß es sich aber andererseits eben doch
um eine bloße Lehensvergabung des Bodens handelt, sodaß bei dem Aussterben
von Familien immer wieder Boden an die öffentlich rechtliche Körperschaft
zurückfällt und zur Weitervergabung an andere private Redner frei wird. Ein
besonderes Erbrecht, wie etwa ein Vorzug des Mannstamms, ist damit an sich
noch in keiner Weise erfordert. Ebensowenig andere Anforderungen wie etwa
Wehrfähigkeit des Lehensträgers. Wenn die Vergabungsform etwa zur Schaffung
einer Militärgrenze benutzt werden soll, könnte man sich dem alten Lehenrecht
in dieser Richtung noch weiter annähern.

Um bei jahrhundertelanger Besitzzeit zu weit zurückgehende und darum
unsichere Verwanoschaftsprüfungen über Abstammung vom ersten Redner zu
vermeiden, wird es zweckmüßig sein, solche Nachkommen des ersten Redners
als nicht mehr lehensberechtigt anzusehen, die drei Geschlechterfolgen lang dem
Gute völlig fremd waren. Auch so noch wird die Verleihung an die Geschlechter¬
folgen, die das Wesen der vorgeschlagenen Verleihungsform ausmacht, den
Familiensinn und Familienzusammenhang stärken. Auch ohne besondere recht¬
liche Voraussetzung der Lebensfähigkeit im Sinne der Wehrfähigkeit wird
wenigstens bei jeder Neuverleihung die vergabende öffentliche Stelle in der
Lage fein, Bevölkerungshygiene zu treiben und selbst im Sinne der „eugenischen"
Bestrebungen zu wirken, indem sie gewisse gesundheitliche Anforderungen an
die Bewerber stellt und die Starken und Gesunden bevorzugt.

Bevölkerungspolitik im engeren Sinne, als Sicherung und Vermehrung
des Bevölkerungszuwachses wird künftighin in Europa eine dringende Aufgabe
sein. Und nicht erst seit dem Weltkrieg mit seinen furchtbaren Verlusten an
europäischen Menschen. Das Problem selbst war in dem Sinken der Geburten¬
ziffer schon vorher da. Auch für uns. Wenn auch nicht ganz fo dringend
wie für Frankreich. Die zur Sicherung unserer Stellung und keineswegs zur
„Befreiung" aller möglichen interessanten Mindereuropäer nach dem Krieg


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[0072] Landvergabung nach Lehenrecht die erste Unterlage für die vorgeschlagene Bodenpolitik bilden wird. Auch die jetzt im größeren Umfange durch Gefangenenarbeit unternommene Urbarmachung von Mooren und sonstigem Ödland wird vergabbares Gelände in öffentliche Hand bringen; zu dem, was von früher her als Domäne oder sonst schon vorhanden war und oder in neuerer Zeit durch die Bodenpolitik einiger Ge¬ meinden in deren Hand kam. Man sollte sich bei Erwägung von einschränken¬ den und selbst prohibitiven Maßregeln gegenüber der Terrainspekulation immer vor Augen halten, daß der Handel mit Grundstücken wegen der Unbeweglich- keit des gehandelten Gegenstandes überhaupt kein Handel im volkswirtschaft¬ lichen Sinne ist. Als das Wesentliche der in diesen Ausführungen vorgeschlagenen Land¬ vergabungsform wird wie gesagt angesehen, daß die Vergabung erfolgt an den ersten Redner und an die unbeschränkte Reihe der Fortsetzer seines Blutes, also ohne eine absehbare Grenze der Befitzzeit, damit der einzelne Lehensnutzer sich wie ein Eigentümer fühlen kann; daß es sich aber andererseits eben doch um eine bloße Lehensvergabung des Bodens handelt, sodaß bei dem Aussterben von Familien immer wieder Boden an die öffentlich rechtliche Körperschaft zurückfällt und zur Weitervergabung an andere private Redner frei wird. Ein besonderes Erbrecht, wie etwa ein Vorzug des Mannstamms, ist damit an sich noch in keiner Weise erfordert. Ebensowenig andere Anforderungen wie etwa Wehrfähigkeit des Lehensträgers. Wenn die Vergabungsform etwa zur Schaffung einer Militärgrenze benutzt werden soll, könnte man sich dem alten Lehenrecht in dieser Richtung noch weiter annähern. Um bei jahrhundertelanger Besitzzeit zu weit zurückgehende und darum unsichere Verwanoschaftsprüfungen über Abstammung vom ersten Redner zu vermeiden, wird es zweckmüßig sein, solche Nachkommen des ersten Redners als nicht mehr lehensberechtigt anzusehen, die drei Geschlechterfolgen lang dem Gute völlig fremd waren. Auch so noch wird die Verleihung an die Geschlechter¬ folgen, die das Wesen der vorgeschlagenen Verleihungsform ausmacht, den Familiensinn und Familienzusammenhang stärken. Auch ohne besondere recht¬ liche Voraussetzung der Lebensfähigkeit im Sinne der Wehrfähigkeit wird wenigstens bei jeder Neuverleihung die vergabende öffentliche Stelle in der Lage fein, Bevölkerungshygiene zu treiben und selbst im Sinne der „eugenischen" Bestrebungen zu wirken, indem sie gewisse gesundheitliche Anforderungen an die Bewerber stellt und die Starken und Gesunden bevorzugt. Bevölkerungspolitik im engeren Sinne, als Sicherung und Vermehrung des Bevölkerungszuwachses wird künftighin in Europa eine dringende Aufgabe sein. Und nicht erst seit dem Weltkrieg mit seinen furchtbaren Verlusten an europäischen Menschen. Das Problem selbst war in dem Sinken der Geburten¬ ziffer schon vorher da. Auch für uns. Wenn auch nicht ganz fo dringend wie für Frankreich. Die zur Sicherung unserer Stellung und keineswegs zur „Befreiung" aller möglichen interessanten Mindereuropäer nach dem Krieg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/72>, abgerufen am 03.07.2024.