Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Wehrerziehung in Frankreich

dieser Anstrengung die Höhe der Zusatzpunkte über der Normalzahl zehn be¬
stimmen. Für die Prüflinge der berittenen Truppengattung wird an Stelle der
Marschtüchtigkeit eine gewisse Reit- und Leitfähigkeit in allen Gangarten, aber
nur in der Reitbahn verlangt, verbunden mit einigen Kenntnissen über den
Bau und die Pflege des Pferdes. Beiden Gruppen gemeinsam und in dem¬
selben Grade wird die Schießprüfung abgenommen. Nach zwei Probeschüssen
müssen in fortlaufender Reihe je sechs Kugeln im stehenden, knieenden und
liegenden Anschlag abgefeuert werden. Scheibenart (Achsenscheibe) und Scheiben¬
größe (zwei Meter im Quadrat) sind vorgeschrieben. Eine feste Schußweite ist
nicht angegeben. Sie regelt sich vielmehr durch die Festsetzung, daß der Durch¬
messer des um den Mittelpunkt des Achsenkreuzes gelegten schwarzen Schie߬
blechs ein Tausendstel der Schießdistanz betragen muß. Zwei Kreise, von
denen der größere ein Zweihundertstel der Entfernung des Schützen als Durch¬
messer hat und ein kleinerer, der nur halb so groß ist, teilen die Scheiben¬
fläche in verschiedene Abschnitte ein. Die Bewertung ist nach allen möglichen
Abstufungen geregelt. Die Punktzahl 20 wird stets gegeben, wenn alle
achtzehn Treffer innerhalb des kleineren Kreises liegen. Eine theoretische
Wissensprobe über die allgemeine Theorie des Schießens, der Flughahn, die
Visierlinie. die Abgangsrichtung und Schußweite, die Bedeutung und An¬
wendung der Visiereinrichtung beschließt diesen Teil der Rekrutenprüfung. Im
weiteren Verlauf werden sechs verschiedenen Gruppen entnommene Freiübungen
geprüft. Je ein Lauf von 60 Metern in 10 Sekunden und von 2 Kilometern
in 10 Minuten, ein Weitsprung von 3,20 Metern, ein Hochsprung von 1 Meter,
beide ohne Sprungbrett und mit beliebigem Anlauf, sollen die allgemeine
physische Verfassung und die erreichte Stufe körperlicher Geschicklichkeit zeigen.
Die folgenden Prüfungsstoffe beziehen sich auf die Grundlagen eines an¬
gewandten Turnens im Gelände. Die Muskelstärke der Finger, der Hand¬
gelenke und der Arme wird durch Hangeln am Doppeltau bis zu 5 Meter
Höhe und einige leichtere Übungen am Reck nachgewiesen. Wert legt man in
Frankreich aus die Pflege des Boxens, von dem im Rahmen des brevet
et'aptitucZe Arm- und Beinstoß mit der entsprechenden Abwehr gefordert wird.
Mit diesen ziemlich vielseitigen Examensgegenständen ist die praktische Prüfung
beendet. Aber noch ist der junge Mann nicht am Ziel: er muß weiterhin
Sinn und Anwendung des Kartenmaßstabes und die einfachsten Regeln der
Projektionslehre erklären können. Nur ein genaues Verständnis der Dar¬
stellung von Geländeformen durch Schichtlinien und Schraffierungen kann ihm
bei den auf diesem Gebiete nicht geringen Anforderungen eine gute Note ein¬
bringen. Endlich soll der junge Franzose mit den Grundlagen einer gesunden
Lebensführung im allgemeinen und mit all den Maßregeln vertraut sein, die
im soldatischen Dienst bei großen Anstrengungen oder starken Einflüssen des
Klimas und der Witterung beachtet werden müssen. Im Prüfungsplan der
Gesundheitslehre stehen ausdrücklich Vorbeugung und Bekämpfung der ver-


Die Wehrerziehung in Frankreich

dieser Anstrengung die Höhe der Zusatzpunkte über der Normalzahl zehn be¬
stimmen. Für die Prüflinge der berittenen Truppengattung wird an Stelle der
Marschtüchtigkeit eine gewisse Reit- und Leitfähigkeit in allen Gangarten, aber
nur in der Reitbahn verlangt, verbunden mit einigen Kenntnissen über den
Bau und die Pflege des Pferdes. Beiden Gruppen gemeinsam und in dem¬
selben Grade wird die Schießprüfung abgenommen. Nach zwei Probeschüssen
müssen in fortlaufender Reihe je sechs Kugeln im stehenden, knieenden und
liegenden Anschlag abgefeuert werden. Scheibenart (Achsenscheibe) und Scheiben¬
größe (zwei Meter im Quadrat) sind vorgeschrieben. Eine feste Schußweite ist
nicht angegeben. Sie regelt sich vielmehr durch die Festsetzung, daß der Durch¬
messer des um den Mittelpunkt des Achsenkreuzes gelegten schwarzen Schie߬
blechs ein Tausendstel der Schießdistanz betragen muß. Zwei Kreise, von
denen der größere ein Zweihundertstel der Entfernung des Schützen als Durch¬
messer hat und ein kleinerer, der nur halb so groß ist, teilen die Scheiben¬
fläche in verschiedene Abschnitte ein. Die Bewertung ist nach allen möglichen
Abstufungen geregelt. Die Punktzahl 20 wird stets gegeben, wenn alle
achtzehn Treffer innerhalb des kleineren Kreises liegen. Eine theoretische
Wissensprobe über die allgemeine Theorie des Schießens, der Flughahn, die
Visierlinie. die Abgangsrichtung und Schußweite, die Bedeutung und An¬
wendung der Visiereinrichtung beschließt diesen Teil der Rekrutenprüfung. Im
weiteren Verlauf werden sechs verschiedenen Gruppen entnommene Freiübungen
geprüft. Je ein Lauf von 60 Metern in 10 Sekunden und von 2 Kilometern
in 10 Minuten, ein Weitsprung von 3,20 Metern, ein Hochsprung von 1 Meter,
beide ohne Sprungbrett und mit beliebigem Anlauf, sollen die allgemeine
physische Verfassung und die erreichte Stufe körperlicher Geschicklichkeit zeigen.
Die folgenden Prüfungsstoffe beziehen sich auf die Grundlagen eines an¬
gewandten Turnens im Gelände. Die Muskelstärke der Finger, der Hand¬
gelenke und der Arme wird durch Hangeln am Doppeltau bis zu 5 Meter
Höhe und einige leichtere Übungen am Reck nachgewiesen. Wert legt man in
Frankreich aus die Pflege des Boxens, von dem im Rahmen des brevet
et'aptitucZe Arm- und Beinstoß mit der entsprechenden Abwehr gefordert wird.
Mit diesen ziemlich vielseitigen Examensgegenständen ist die praktische Prüfung
beendet. Aber noch ist der junge Mann nicht am Ziel: er muß weiterhin
Sinn und Anwendung des Kartenmaßstabes und die einfachsten Regeln der
Projektionslehre erklären können. Nur ein genaues Verständnis der Dar¬
stellung von Geländeformen durch Schichtlinien und Schraffierungen kann ihm
bei den auf diesem Gebiete nicht geringen Anforderungen eine gute Note ein¬
bringen. Endlich soll der junge Franzose mit den Grundlagen einer gesunden
Lebensführung im allgemeinen und mit all den Maßregeln vertraut sein, die
im soldatischen Dienst bei großen Anstrengungen oder starken Einflüssen des
Klimas und der Witterung beachtet werden müssen. Im Prüfungsplan der
Gesundheitslehre stehen ausdrücklich Vorbeugung und Bekämpfung der ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0355" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330893"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Wehrerziehung in Frankreich</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1112" prev="#ID_1111" next="#ID_1113"> dieser Anstrengung die Höhe der Zusatzpunkte über der Normalzahl zehn be¬<lb/>
stimmen. Für die Prüflinge der berittenen Truppengattung wird an Stelle der<lb/>
Marschtüchtigkeit eine gewisse Reit- und Leitfähigkeit in allen Gangarten, aber<lb/>
nur in der Reitbahn verlangt, verbunden mit einigen Kenntnissen über den<lb/>
Bau und die Pflege des Pferdes. Beiden Gruppen gemeinsam und in dem¬<lb/>
selben Grade wird die Schießprüfung abgenommen. Nach zwei Probeschüssen<lb/>
müssen in fortlaufender Reihe je sechs Kugeln im stehenden, knieenden und<lb/>
liegenden Anschlag abgefeuert werden. Scheibenart (Achsenscheibe) und Scheiben¬<lb/>
größe (zwei Meter im Quadrat) sind vorgeschrieben. Eine feste Schußweite ist<lb/>
nicht angegeben. Sie regelt sich vielmehr durch die Festsetzung, daß der Durch¬<lb/>
messer des um den Mittelpunkt des Achsenkreuzes gelegten schwarzen Schie߬<lb/>
blechs ein Tausendstel der Schießdistanz betragen muß. Zwei Kreise, von<lb/>
denen der größere ein Zweihundertstel der Entfernung des Schützen als Durch¬<lb/>
messer hat und ein kleinerer, der nur halb so groß ist, teilen die Scheiben¬<lb/>
fläche in verschiedene Abschnitte ein. Die Bewertung ist nach allen möglichen<lb/>
Abstufungen geregelt. Die Punktzahl 20 wird stets gegeben, wenn alle<lb/>
achtzehn Treffer innerhalb des kleineren Kreises liegen. Eine theoretische<lb/>
Wissensprobe über die allgemeine Theorie des Schießens, der Flughahn, die<lb/>
Visierlinie. die Abgangsrichtung und Schußweite, die Bedeutung und An¬<lb/>
wendung der Visiereinrichtung beschließt diesen Teil der Rekrutenprüfung. Im<lb/>
weiteren Verlauf werden sechs verschiedenen Gruppen entnommene Freiübungen<lb/>
geprüft. Je ein Lauf von 60 Metern in 10 Sekunden und von 2 Kilometern<lb/>
in 10 Minuten, ein Weitsprung von 3,20 Metern, ein Hochsprung von 1 Meter,<lb/>
beide ohne Sprungbrett und mit beliebigem Anlauf, sollen die allgemeine<lb/>
physische Verfassung und die erreichte Stufe körperlicher Geschicklichkeit zeigen.<lb/>
Die folgenden Prüfungsstoffe beziehen sich auf die Grundlagen eines an¬<lb/>
gewandten Turnens im Gelände. Die Muskelstärke der Finger, der Hand¬<lb/>
gelenke und der Arme wird durch Hangeln am Doppeltau bis zu 5 Meter<lb/>
Höhe und einige leichtere Übungen am Reck nachgewiesen. Wert legt man in<lb/>
Frankreich aus die Pflege des Boxens, von dem im Rahmen des brevet<lb/>
et'aptitucZe Arm- und Beinstoß mit der entsprechenden Abwehr gefordert wird.<lb/>
Mit diesen ziemlich vielseitigen Examensgegenständen ist die praktische Prüfung<lb/>
beendet. Aber noch ist der junge Mann nicht am Ziel: er muß weiterhin<lb/>
Sinn und Anwendung des Kartenmaßstabes und die einfachsten Regeln der<lb/>
Projektionslehre erklären können. Nur ein genaues Verständnis der Dar¬<lb/>
stellung von Geländeformen durch Schichtlinien und Schraffierungen kann ihm<lb/>
bei den auf diesem Gebiete nicht geringen Anforderungen eine gute Note ein¬<lb/>
bringen. Endlich soll der junge Franzose mit den Grundlagen einer gesunden<lb/>
Lebensführung im allgemeinen und mit all den Maßregeln vertraut sein, die<lb/>
im soldatischen Dienst bei großen Anstrengungen oder starken Einflüssen des<lb/>
Klimas und der Witterung beachtet werden müssen. Im Prüfungsplan der<lb/>
Gesundheitslehre stehen ausdrücklich Vorbeugung und Bekämpfung der ver-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0355] Die Wehrerziehung in Frankreich dieser Anstrengung die Höhe der Zusatzpunkte über der Normalzahl zehn be¬ stimmen. Für die Prüflinge der berittenen Truppengattung wird an Stelle der Marschtüchtigkeit eine gewisse Reit- und Leitfähigkeit in allen Gangarten, aber nur in der Reitbahn verlangt, verbunden mit einigen Kenntnissen über den Bau und die Pflege des Pferdes. Beiden Gruppen gemeinsam und in dem¬ selben Grade wird die Schießprüfung abgenommen. Nach zwei Probeschüssen müssen in fortlaufender Reihe je sechs Kugeln im stehenden, knieenden und liegenden Anschlag abgefeuert werden. Scheibenart (Achsenscheibe) und Scheiben¬ größe (zwei Meter im Quadrat) sind vorgeschrieben. Eine feste Schußweite ist nicht angegeben. Sie regelt sich vielmehr durch die Festsetzung, daß der Durch¬ messer des um den Mittelpunkt des Achsenkreuzes gelegten schwarzen Schie߬ blechs ein Tausendstel der Schießdistanz betragen muß. Zwei Kreise, von denen der größere ein Zweihundertstel der Entfernung des Schützen als Durch¬ messer hat und ein kleinerer, der nur halb so groß ist, teilen die Scheiben¬ fläche in verschiedene Abschnitte ein. Die Bewertung ist nach allen möglichen Abstufungen geregelt. Die Punktzahl 20 wird stets gegeben, wenn alle achtzehn Treffer innerhalb des kleineren Kreises liegen. Eine theoretische Wissensprobe über die allgemeine Theorie des Schießens, der Flughahn, die Visierlinie. die Abgangsrichtung und Schußweite, die Bedeutung und An¬ wendung der Visiereinrichtung beschließt diesen Teil der Rekrutenprüfung. Im weiteren Verlauf werden sechs verschiedenen Gruppen entnommene Freiübungen geprüft. Je ein Lauf von 60 Metern in 10 Sekunden und von 2 Kilometern in 10 Minuten, ein Weitsprung von 3,20 Metern, ein Hochsprung von 1 Meter, beide ohne Sprungbrett und mit beliebigem Anlauf, sollen die allgemeine physische Verfassung und die erreichte Stufe körperlicher Geschicklichkeit zeigen. Die folgenden Prüfungsstoffe beziehen sich auf die Grundlagen eines an¬ gewandten Turnens im Gelände. Die Muskelstärke der Finger, der Hand¬ gelenke und der Arme wird durch Hangeln am Doppeltau bis zu 5 Meter Höhe und einige leichtere Übungen am Reck nachgewiesen. Wert legt man in Frankreich aus die Pflege des Boxens, von dem im Rahmen des brevet et'aptitucZe Arm- und Beinstoß mit der entsprechenden Abwehr gefordert wird. Mit diesen ziemlich vielseitigen Examensgegenständen ist die praktische Prüfung beendet. Aber noch ist der junge Mann nicht am Ziel: er muß weiterhin Sinn und Anwendung des Kartenmaßstabes und die einfachsten Regeln der Projektionslehre erklären können. Nur ein genaues Verständnis der Dar¬ stellung von Geländeformen durch Schichtlinien und Schraffierungen kann ihm bei den auf diesem Gebiete nicht geringen Anforderungen eine gute Note ein¬ bringen. Endlich soll der junge Franzose mit den Grundlagen einer gesunden Lebensführung im allgemeinen und mit all den Maßregeln vertraut sein, die im soldatischen Dienst bei großen Anstrengungen oder starken Einflüssen des Klimas und der Witterung beachtet werden müssen. Im Prüfungsplan der Gesundheitslehre stehen ausdrücklich Vorbeugung und Bekämpfung der ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/355
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/355>, abgerufen am 29.06.2024.