Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Wehrerziehung in Frankreich

breitetsten Volksseuchen, wie Tuberkulose, des Alkoholmißbrauchs und der Ge¬
schlechtskrankheiten. Es steht außer Frage, daß die erfolgreiche Ablegung
dieser Wehrprüfung planmäßige Vorübungen in allen Zweigen und eine ernste
Zusammenarbeit von Körper und Geist voraussetzt. Gewandt als Soldat ist
der Franzose, der mit einer solchen körperlichen Durchbildung und geistigen
Schulung in den Verband des Heeres eintritt.

Bei einer Anerkennung dieses geistvollen, mit praktischer Voraussicht und
fachmännischer Klugheit entwickelten körperlichen Übungssystems auf militär¬
pädagogischer Grundlage für den Bereich der landsturmpflichtigen französischen
Jungmannen müssen wir zugleich die neueren Bestrebungen auf diesem Gebiete
voll würdigen, die in Unterricht und Schrift die Bedeutung der moralischen
Pflichten des werdenden Mannes der Jugend eindringlich zu Gemüte führen.
Dem französischen Jüngling wird klar gemacht, daß nicht kriegerische Absichten
die Richtung des Strebens nach Wehrmacht bestimmen, sondern ein Festhalten
des ideellen, durch die hohen Grundsätze der französischen Revolution geschaffenen,
tiefgehenden Einflusses des französischen Gedankens in der Welt. Die Erinnerung
an trübe Zeiten bedingt eine ständige Stählung nationaler Kraft. "I^on8
ce>n8ervon8 le 8c>uvenil- ac no8 6ouleur3, ac ahme que non8 con8erv0N8
Lslui nie I'inkluenLe kranLAl8L, qui g, kaltes Ä et-avsr3 le nouae Je8 Arara3
prinLlpe8 ac la Kövolution . . . Die Soldatenzeit muß eine mit Stolz
getragene staatsbürgerliche Pflicht sein. Manneszucht geht aus dem Pflicht¬
gefühl und der Vernunft hervor und gründet sich auf die Einsicht der notwendigen
Bedürfnisse eines in glorreicher geschichtlicher Entwicklung in Besitz. Geist
und Würde groß gewordenen demokratischen Staatswesens. Zudem verlangt
das völlige Schwinden des ganz instinktiv begeisternd wirkenden Masseneinsatzes
der Truppe auf kleiner Fläche aus den Methoden moderner Kriegsführung
und der Vereinsamung des Soldaten im heutigen Gefecht eine so weitgehende
äußere und besonders innere Durchbildung des einzelnen, daß schon im Gange
der militärischen Vorbereitung auf die große Wichtigkeit selbständigen Handelns,
auf die Kraft starker Willenstätigkeit und gesicherter sittlicher Stärke mit Nach¬
druck hingewiesen wird. Siegesgewißheit dank einer Überlegenheit des "esprit
kranca,i8" soll Wille, Herz und Sinne mit republikanischen Geiste erfüllen,
um gegen jeden Gegner und überall das Vaterland zu verteidigen. Gründlich
erfaßt, werden diese Faktoren durch die >,L. ^. O." in die Landesteile
getragen, von allen Behörden kraftvoll unterstützt. Und um die volle Sicherheit
solcher Lehrrichtungen zu verbürgen, werden in dem für die Hand der Jugend
bestimmten, von einem Stabsoffiziere verfaßten Leitfaden Sinn und Bedeutung
der sittlichen Grundlagen der Menschenpersönlichkeit leicht faßlich und sehr aus¬
führlich behandelt.

Zu einer nach der Auffassung maßgebender deutscher Kreise zu starken
Neigung verfrühten Anlernens bestimmter Militär-technischer Formen und der
mustergültigen Berücksichtigung ethischer Einwirkungen auf das junge Gemüt


Die Wehrerziehung in Frankreich

breitetsten Volksseuchen, wie Tuberkulose, des Alkoholmißbrauchs und der Ge¬
schlechtskrankheiten. Es steht außer Frage, daß die erfolgreiche Ablegung
dieser Wehrprüfung planmäßige Vorübungen in allen Zweigen und eine ernste
Zusammenarbeit von Körper und Geist voraussetzt. Gewandt als Soldat ist
der Franzose, der mit einer solchen körperlichen Durchbildung und geistigen
Schulung in den Verband des Heeres eintritt.

Bei einer Anerkennung dieses geistvollen, mit praktischer Voraussicht und
fachmännischer Klugheit entwickelten körperlichen Übungssystems auf militär¬
pädagogischer Grundlage für den Bereich der landsturmpflichtigen französischen
Jungmannen müssen wir zugleich die neueren Bestrebungen auf diesem Gebiete
voll würdigen, die in Unterricht und Schrift die Bedeutung der moralischen
Pflichten des werdenden Mannes der Jugend eindringlich zu Gemüte führen.
Dem französischen Jüngling wird klar gemacht, daß nicht kriegerische Absichten
die Richtung des Strebens nach Wehrmacht bestimmen, sondern ein Festhalten
des ideellen, durch die hohen Grundsätze der französischen Revolution geschaffenen,
tiefgehenden Einflusses des französischen Gedankens in der Welt. Die Erinnerung
an trübe Zeiten bedingt eine ständige Stählung nationaler Kraft. „I^on8
ce>n8ervon8 le 8c>uvenil- ac no8 6ouleur3, ac ahme que non8 con8erv0N8
Lslui nie I'inkluenLe kranLAl8L, qui g, kaltes Ä et-avsr3 le nouae Je8 Arara3
prinLlpe8 ac la Kövolution . . . Die Soldatenzeit muß eine mit Stolz
getragene staatsbürgerliche Pflicht sein. Manneszucht geht aus dem Pflicht¬
gefühl und der Vernunft hervor und gründet sich auf die Einsicht der notwendigen
Bedürfnisse eines in glorreicher geschichtlicher Entwicklung in Besitz. Geist
und Würde groß gewordenen demokratischen Staatswesens. Zudem verlangt
das völlige Schwinden des ganz instinktiv begeisternd wirkenden Masseneinsatzes
der Truppe auf kleiner Fläche aus den Methoden moderner Kriegsführung
und der Vereinsamung des Soldaten im heutigen Gefecht eine so weitgehende
äußere und besonders innere Durchbildung des einzelnen, daß schon im Gange
der militärischen Vorbereitung auf die große Wichtigkeit selbständigen Handelns,
auf die Kraft starker Willenstätigkeit und gesicherter sittlicher Stärke mit Nach¬
druck hingewiesen wird. Siegesgewißheit dank einer Überlegenheit des „esprit
kranca,i8" soll Wille, Herz und Sinne mit republikanischen Geiste erfüllen,
um gegen jeden Gegner und überall das Vaterland zu verteidigen. Gründlich
erfaßt, werden diese Faktoren durch die >,L. ^. O." in die Landesteile
getragen, von allen Behörden kraftvoll unterstützt. Und um die volle Sicherheit
solcher Lehrrichtungen zu verbürgen, werden in dem für die Hand der Jugend
bestimmten, von einem Stabsoffiziere verfaßten Leitfaden Sinn und Bedeutung
der sittlichen Grundlagen der Menschenpersönlichkeit leicht faßlich und sehr aus¬
führlich behandelt.

Zu einer nach der Auffassung maßgebender deutscher Kreise zu starken
Neigung verfrühten Anlernens bestimmter Militär-technischer Formen und der
mustergültigen Berücksichtigung ethischer Einwirkungen auf das junge Gemüt


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0356" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330894"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Wehrerziehung in Frankreich</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1113" prev="#ID_1112"> breitetsten Volksseuchen, wie Tuberkulose, des Alkoholmißbrauchs und der Ge¬<lb/>
schlechtskrankheiten. Es steht außer Frage, daß die erfolgreiche Ablegung<lb/>
dieser Wehrprüfung planmäßige Vorübungen in allen Zweigen und eine ernste<lb/>
Zusammenarbeit von Körper und Geist voraussetzt. Gewandt als Soldat ist<lb/>
der Franzose, der mit einer solchen körperlichen Durchbildung und geistigen<lb/>
Schulung in den Verband des Heeres eintritt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1114"> Bei einer Anerkennung dieses geistvollen, mit praktischer Voraussicht und<lb/>
fachmännischer Klugheit entwickelten körperlichen Übungssystems auf militär¬<lb/>
pädagogischer Grundlage für den Bereich der landsturmpflichtigen französischen<lb/>
Jungmannen müssen wir zugleich die neueren Bestrebungen auf diesem Gebiete<lb/>
voll würdigen, die in Unterricht und Schrift die Bedeutung der moralischen<lb/>
Pflichten des werdenden Mannes der Jugend eindringlich zu Gemüte führen.<lb/>
Dem französischen Jüngling wird klar gemacht, daß nicht kriegerische Absichten<lb/>
die Richtung des Strebens nach Wehrmacht bestimmen, sondern ein Festhalten<lb/>
des ideellen, durch die hohen Grundsätze der französischen Revolution geschaffenen,<lb/>
tiefgehenden Einflusses des französischen Gedankens in der Welt. Die Erinnerung<lb/>
an trübe Zeiten bedingt eine ständige Stählung nationaler Kraft. &#x201E;I^on8<lb/>
ce&gt;n8ervon8 le 8c&gt;uvenil- ac no8 6ouleur3, ac ahme que non8 con8erv0N8<lb/>
Lslui nie I'inkluenLe kranLAl8L, qui g, kaltes Ä et-avsr3 le nouae Je8 Arara3<lb/>
prinLlpe8 ac la Kövolution . . . Die Soldatenzeit muß eine mit Stolz<lb/>
getragene staatsbürgerliche Pflicht sein. Manneszucht geht aus dem Pflicht¬<lb/>
gefühl und der Vernunft hervor und gründet sich auf die Einsicht der notwendigen<lb/>
Bedürfnisse eines in glorreicher geschichtlicher Entwicklung in Besitz. Geist<lb/>
und Würde groß gewordenen demokratischen Staatswesens. Zudem verlangt<lb/>
das völlige Schwinden des ganz instinktiv begeisternd wirkenden Masseneinsatzes<lb/>
der Truppe auf kleiner Fläche aus den Methoden moderner Kriegsführung<lb/>
und der Vereinsamung des Soldaten im heutigen Gefecht eine so weitgehende<lb/>
äußere und besonders innere Durchbildung des einzelnen, daß schon im Gange<lb/>
der militärischen Vorbereitung auf die große Wichtigkeit selbständigen Handelns,<lb/>
auf die Kraft starker Willenstätigkeit und gesicherter sittlicher Stärke mit Nach¬<lb/>
druck hingewiesen wird. Siegesgewißheit dank einer Überlegenheit des &#x201E;esprit<lb/>
kranca,i8" soll Wille, Herz und Sinne mit republikanischen Geiste erfüllen,<lb/>
um gegen jeden Gegner und überall das Vaterland zu verteidigen. Gründlich<lb/>
erfaßt, werden diese Faktoren durch die &gt;,L. ^. O." in die Landesteile<lb/>
getragen, von allen Behörden kraftvoll unterstützt. Und um die volle Sicherheit<lb/>
solcher Lehrrichtungen zu verbürgen, werden in dem für die Hand der Jugend<lb/>
bestimmten, von einem Stabsoffiziere verfaßten Leitfaden Sinn und Bedeutung<lb/>
der sittlichen Grundlagen der Menschenpersönlichkeit leicht faßlich und sehr aus¬<lb/>
führlich behandelt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1115" next="#ID_1116"> Zu einer nach der Auffassung maßgebender deutscher Kreise zu starken<lb/>
Neigung verfrühten Anlernens bestimmter Militär-technischer Formen und der<lb/>
mustergültigen Berücksichtigung ethischer Einwirkungen auf das junge Gemüt</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0356] Die Wehrerziehung in Frankreich breitetsten Volksseuchen, wie Tuberkulose, des Alkoholmißbrauchs und der Ge¬ schlechtskrankheiten. Es steht außer Frage, daß die erfolgreiche Ablegung dieser Wehrprüfung planmäßige Vorübungen in allen Zweigen und eine ernste Zusammenarbeit von Körper und Geist voraussetzt. Gewandt als Soldat ist der Franzose, der mit einer solchen körperlichen Durchbildung und geistigen Schulung in den Verband des Heeres eintritt. Bei einer Anerkennung dieses geistvollen, mit praktischer Voraussicht und fachmännischer Klugheit entwickelten körperlichen Übungssystems auf militär¬ pädagogischer Grundlage für den Bereich der landsturmpflichtigen französischen Jungmannen müssen wir zugleich die neueren Bestrebungen auf diesem Gebiete voll würdigen, die in Unterricht und Schrift die Bedeutung der moralischen Pflichten des werdenden Mannes der Jugend eindringlich zu Gemüte führen. Dem französischen Jüngling wird klar gemacht, daß nicht kriegerische Absichten die Richtung des Strebens nach Wehrmacht bestimmen, sondern ein Festhalten des ideellen, durch die hohen Grundsätze der französischen Revolution geschaffenen, tiefgehenden Einflusses des französischen Gedankens in der Welt. Die Erinnerung an trübe Zeiten bedingt eine ständige Stählung nationaler Kraft. „I^on8 ce>n8ervon8 le 8c>uvenil- ac no8 6ouleur3, ac ahme que non8 con8erv0N8 Lslui nie I'inkluenLe kranLAl8L, qui g, kaltes Ä et-avsr3 le nouae Je8 Arara3 prinLlpe8 ac la Kövolution . . . Die Soldatenzeit muß eine mit Stolz getragene staatsbürgerliche Pflicht sein. Manneszucht geht aus dem Pflicht¬ gefühl und der Vernunft hervor und gründet sich auf die Einsicht der notwendigen Bedürfnisse eines in glorreicher geschichtlicher Entwicklung in Besitz. Geist und Würde groß gewordenen demokratischen Staatswesens. Zudem verlangt das völlige Schwinden des ganz instinktiv begeisternd wirkenden Masseneinsatzes der Truppe auf kleiner Fläche aus den Methoden moderner Kriegsführung und der Vereinsamung des Soldaten im heutigen Gefecht eine so weitgehende äußere und besonders innere Durchbildung des einzelnen, daß schon im Gange der militärischen Vorbereitung auf die große Wichtigkeit selbständigen Handelns, auf die Kraft starker Willenstätigkeit und gesicherter sittlicher Stärke mit Nach¬ druck hingewiesen wird. Siegesgewißheit dank einer Überlegenheit des „esprit kranca,i8" soll Wille, Herz und Sinne mit republikanischen Geiste erfüllen, um gegen jeden Gegner und überall das Vaterland zu verteidigen. Gründlich erfaßt, werden diese Faktoren durch die >,L. ^. O." in die Landesteile getragen, von allen Behörden kraftvoll unterstützt. Und um die volle Sicherheit solcher Lehrrichtungen zu verbürgen, werden in dem für die Hand der Jugend bestimmten, von einem Stabsoffiziere verfaßten Leitfaden Sinn und Bedeutung der sittlichen Grundlagen der Menschenpersönlichkeit leicht faßlich und sehr aus¬ führlich behandelt. Zu einer nach der Auffassung maßgebender deutscher Kreise zu starken Neigung verfrühten Anlernens bestimmter Militär-technischer Formen und der mustergültigen Berücksichtigung ethischer Einwirkungen auf das junge Gemüt

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/356
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/356>, abgerufen am 26.06.2024.