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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Amerika als tertius ^uäeiis im Weltkriege

Frankreichs sich auf den Krieg eingestellt hatten -- in England stehen zurzeit
4052 Werkstätten unter Aufsicht des Mnnitionsministeriums -- und daß seit
Februar die amerikanische Ausfuhr nach Europa eine weitere Steigerung erfahren
hat. so ist der Eifer und die Energie ohne weiteres zu erkennen, mit welchen
unsere Feinde die Vorbereitungen zu der jetzt gegen die Mittelmächte unter¬
nommenen Generaloffensive betrieben haben. Aber es ist auch zu erkennen,
daß diese Offensive ohne die geschilderte weitreichende Mithilfe und Mitarbeit
der Industrie Amerikas für unsere Feinde eine Unmöglichkeit geblieben wäre.

Die Vermittelung der Aufträge zwischen der Entente und der amerikanischen
Industrie besorgt in erster Linie das Haus I. P. Morgan u. Co. in New Uork,
das, gestützt auf seine Zweigniederlassungen in London und Paris, heute als
der Regierungsagent der Entente angesprochen werden muß. In dem Bank¬
gebäude in New Aork legen die amerikanischen Fabrikanten ihre Muster von
Kriegsartikel vor, und von dort aus werden die erteilten Aufträge bestätigt
und die Rechnungen beglichen. Die Bezahlung erfolgt in Dollar und Cent,
wodurch sich die Geschäftsabschlüsse von der sinkenden Valuta der kriegführenden
Länder unabhängig machen.

Der Ertrag dieser Millionenabschlüsse ergibt nun für die amerikanischen
Fabrikanten nicht ohne weiteres Reingewinne. Ein großer Teil derselben ist
für die Abschreibungen einzusetzen, welche die ausgedehnten Neubauten und neu
eingestellten Maschinenanlagen zu amortisieren haben. Außerdem sind die Preise
für Rohmaterialien nicht unbeträchtlich gestiegen. Das Pfund Kupfer, das im
Dezember 1914 mit 0,126 Dollar bezahlt wurde, erreichte im selben Monat
1915 einen Preis von 0,2 Dollar; die Tonne Roheisen stieg in derselben Zeit
von 15,14 Dollar auf 17,13 Dollar. Auch die Arbeitslöhne haben natur¬
gemäß eine Steigerung erfahren. Daß dennoch die Reingewinne ganz außer¬
ordentlich hohe sind, zeigen am eindeutigsten die Kurssteigerungen. Hier hat
die schon genannte Bethlehem Skeet Corporation, die vor dem Kriege nicht in
der Lage war eine Dividende zu verteilen, einen Rekord aufgestellt. Bei einem
früheren Kapitalbestand von 24578400 Dollar war der Kurs von 30 am
Ende Juli 1914 auf 257 im folgenden Jahre gestiegen, eine Steigerung, die
einen Wertzuwachs von nahezu 60 Millionen Dollar darstellt. Welchen Vorteil
z. B. die Betriebsumstellung auf Heereslieferung der Baldwin Locomotive Co.
einbrachte, erhellt der Umstand, daß dieses Werk, welches 1914 350000 Dollar
Gewinn ausschüttete, 1915 dagegen die stattliche Summe von 3,8 Millionen
Dollar zur Verteilung brachte. Da sich die Verhältnisse in den übrigen für
die Entente arbeitenden Industrien in ähnlicher Weise gestaltet haben, so ist
wohl zu verstehen, wenn man in Amerika den europäischen Krieg als einen
Glücksfall einschätzt und durchaus kein Interesse daran hat, diesen gewinn¬
bringenden Zustand vorzeitig abzukürzen.

Der Ertrag, den diese mit Millionen rechnenden Lieferungsabschlüsse
erbrachten, mußte den Vorrat an gemünzten und ungemünztem Gold, über


Amerika als tertius ^uäeiis im Weltkriege

Frankreichs sich auf den Krieg eingestellt hatten — in England stehen zurzeit
4052 Werkstätten unter Aufsicht des Mnnitionsministeriums — und daß seit
Februar die amerikanische Ausfuhr nach Europa eine weitere Steigerung erfahren
hat. so ist der Eifer und die Energie ohne weiteres zu erkennen, mit welchen
unsere Feinde die Vorbereitungen zu der jetzt gegen die Mittelmächte unter¬
nommenen Generaloffensive betrieben haben. Aber es ist auch zu erkennen,
daß diese Offensive ohne die geschilderte weitreichende Mithilfe und Mitarbeit
der Industrie Amerikas für unsere Feinde eine Unmöglichkeit geblieben wäre.

Die Vermittelung der Aufträge zwischen der Entente und der amerikanischen
Industrie besorgt in erster Linie das Haus I. P. Morgan u. Co. in New Uork,
das, gestützt auf seine Zweigniederlassungen in London und Paris, heute als
der Regierungsagent der Entente angesprochen werden muß. In dem Bank¬
gebäude in New Aork legen die amerikanischen Fabrikanten ihre Muster von
Kriegsartikel vor, und von dort aus werden die erteilten Aufträge bestätigt
und die Rechnungen beglichen. Die Bezahlung erfolgt in Dollar und Cent,
wodurch sich die Geschäftsabschlüsse von der sinkenden Valuta der kriegführenden
Länder unabhängig machen.

Der Ertrag dieser Millionenabschlüsse ergibt nun für die amerikanischen
Fabrikanten nicht ohne weiteres Reingewinne. Ein großer Teil derselben ist
für die Abschreibungen einzusetzen, welche die ausgedehnten Neubauten und neu
eingestellten Maschinenanlagen zu amortisieren haben. Außerdem sind die Preise
für Rohmaterialien nicht unbeträchtlich gestiegen. Das Pfund Kupfer, das im
Dezember 1914 mit 0,126 Dollar bezahlt wurde, erreichte im selben Monat
1915 einen Preis von 0,2 Dollar; die Tonne Roheisen stieg in derselben Zeit
von 15,14 Dollar auf 17,13 Dollar. Auch die Arbeitslöhne haben natur¬
gemäß eine Steigerung erfahren. Daß dennoch die Reingewinne ganz außer¬
ordentlich hohe sind, zeigen am eindeutigsten die Kurssteigerungen. Hier hat
die schon genannte Bethlehem Skeet Corporation, die vor dem Kriege nicht in
der Lage war eine Dividende zu verteilen, einen Rekord aufgestellt. Bei einem
früheren Kapitalbestand von 24578400 Dollar war der Kurs von 30 am
Ende Juli 1914 auf 257 im folgenden Jahre gestiegen, eine Steigerung, die
einen Wertzuwachs von nahezu 60 Millionen Dollar darstellt. Welchen Vorteil
z. B. die Betriebsumstellung auf Heereslieferung der Baldwin Locomotive Co.
einbrachte, erhellt der Umstand, daß dieses Werk, welches 1914 350000 Dollar
Gewinn ausschüttete, 1915 dagegen die stattliche Summe von 3,8 Millionen
Dollar zur Verteilung brachte. Da sich die Verhältnisse in den übrigen für
die Entente arbeitenden Industrien in ähnlicher Weise gestaltet haben, so ist
wohl zu verstehen, wenn man in Amerika den europäischen Krieg als einen
Glücksfall einschätzt und durchaus kein Interesse daran hat, diesen gewinn¬
bringenden Zustand vorzeitig abzukürzen.

Der Ertrag, den diese mit Millionen rechnenden Lieferungsabschlüsse
erbrachten, mußte den Vorrat an gemünzten und ungemünztem Gold, über


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/316>, abgerufen am 23.07.2024.