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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Amerika als teitius Zauäens im Weltkriege

rung dieses Landes ist, welche sich mit unermüdlichem Pathos zum Hüter der
"höchsten Güter der Menschheit" bestellt glaubt. In der Redaktionsstube in
Berlin, in der die deutsche Ausgabe des "American Machinist" unter dem Namen
"Zeitschrift für praktischen Maschinenbau" besorgt wurde, kam die "giftige Granate"
der Cleveland Automatic Machine Co. zum ersten Male zum Explodieren: der
berechtigte Entrüstungssturm, der sich in Deutschland beim Bekanntwerden dieser
Anpreisung erhob, veranlaßte die genannte Schriftleitung, ihre Zeitschrift weiterhin
in Deutschland nicht mehr erscheinen zu lassen.

Wie leicht man in Amerika überhaupt dazu neigt im Interesse eines guten
Geschäftes alle übrigen Rücksichten, selbst die Rücksicht auf die Neutralität, bei¬
seite zu setzen, zeigt ein Fall, den die Zeitschrift "Deutscher Werkzeugmaschinen¬
bau" vom 27. Januar 1916 veröffentlicht. Hiernach soll die Wagener Electric
Co. in Se. Louis nach Erlangung eines größeren Auftrages alle in ihrem
Werke angestellten Deutschen und Amerikaner mit deutschen Namen oder deutscher
Herkunft entlassen haben. --

In welcher rücksichtslosen Weise die Ausbeutung der Kriegslonjunktur in
Amerika betrieben wurde, zeigt am eindringlichsten die Steigerung der Aus¬
fuhrziffer von 2113 Millionen Dollar am Ende 1914 auf 3547 Millionen Dollar
Ende 1915, also um 1434 Millionen Dollar! Diese Steigerung erstreckt sich
nahezu ausschließlich auf Bedarfsartikel des Krieges und wurde bewirkt durch
die Aufträge der Ententestaaten. Die Ausfuhr hatte am Ende 1915 die Ein¬
fuhr um 1,75 Milliarden Dollar überholt, das war das außerordentlich günstige
Ergebnis des Geschäftsjahres 1915.

Das Jahr 1916 brachte eine weitere Steigerung der Ausfuhr von Waffen,
Munition und Kriegsartikel. Die Ausfuhr von Explosivstoffen, die im April
1915 etwas über 6 Millionen Dollar betrug, stieg in diesem Jahre auf
über 56 Millionen Dollar. Die Stacheldrahtlieferung hatte sich in derselben
Zeit von 2 Millionen auf 4^ Millionen Dollar erhöht. Ferner erhielten die
Ententestaaten für 23 Millionen Dollar verschiedenes anderes Kriegsmaterial
geliefert gegenüber für nicht ganz 4 Millionen im gleichen Monat des Vor¬
jahres. Verfolgen wir die Ausfuhrziffern nach den Ententestaaten während
der Monate Juli bis einschließlich Februar in den Jahren 1913/14. 1914/15
und 1915/16, so ist die Ausfuhr in dem letzten Jahre gewachsen von 446 und
606 auf 906 Millionen Dollar nach England, von 121 und 218 auf
347 Millionen Dollar nach Frankreich, von 18 und 20 auf 165 (!) Mil¬
lionen Dollar nach Rußland und von 53 und 116 auf 182 Millionen Dollar
nach Italien. Die Steigerung der Gesamtausfuhr nack den vier genannten
Ländern unserer verbündeten Feinde wird demzufolge durch die Zahlen: 638.
860 und 1600 Millionen Dollar für die genannten acht Monate gekennzeichnet.

Die letzten Zahlen zeigen, wie weit die englische Regierung den Gedanken
an Kriegsende und Friedensschluß von sich wies. Bedenkt man, daß inzwischen
auch die Industrien der Entente-Staaten, vor allem diejenigen Englands und


Amerika als teitius Zauäens im Weltkriege

rung dieses Landes ist, welche sich mit unermüdlichem Pathos zum Hüter der
„höchsten Güter der Menschheit" bestellt glaubt. In der Redaktionsstube in
Berlin, in der die deutsche Ausgabe des „American Machinist" unter dem Namen
„Zeitschrift für praktischen Maschinenbau" besorgt wurde, kam die „giftige Granate"
der Cleveland Automatic Machine Co. zum ersten Male zum Explodieren: der
berechtigte Entrüstungssturm, der sich in Deutschland beim Bekanntwerden dieser
Anpreisung erhob, veranlaßte die genannte Schriftleitung, ihre Zeitschrift weiterhin
in Deutschland nicht mehr erscheinen zu lassen.

Wie leicht man in Amerika überhaupt dazu neigt im Interesse eines guten
Geschäftes alle übrigen Rücksichten, selbst die Rücksicht auf die Neutralität, bei¬
seite zu setzen, zeigt ein Fall, den die Zeitschrift „Deutscher Werkzeugmaschinen¬
bau" vom 27. Januar 1916 veröffentlicht. Hiernach soll die Wagener Electric
Co. in Se. Louis nach Erlangung eines größeren Auftrages alle in ihrem
Werke angestellten Deutschen und Amerikaner mit deutschen Namen oder deutscher
Herkunft entlassen haben. —

In welcher rücksichtslosen Weise die Ausbeutung der Kriegslonjunktur in
Amerika betrieben wurde, zeigt am eindringlichsten die Steigerung der Aus¬
fuhrziffer von 2113 Millionen Dollar am Ende 1914 auf 3547 Millionen Dollar
Ende 1915, also um 1434 Millionen Dollar! Diese Steigerung erstreckt sich
nahezu ausschließlich auf Bedarfsartikel des Krieges und wurde bewirkt durch
die Aufträge der Ententestaaten. Die Ausfuhr hatte am Ende 1915 die Ein¬
fuhr um 1,75 Milliarden Dollar überholt, das war das außerordentlich günstige
Ergebnis des Geschäftsjahres 1915.

Das Jahr 1916 brachte eine weitere Steigerung der Ausfuhr von Waffen,
Munition und Kriegsartikel. Die Ausfuhr von Explosivstoffen, die im April
1915 etwas über 6 Millionen Dollar betrug, stieg in diesem Jahre auf
über 56 Millionen Dollar. Die Stacheldrahtlieferung hatte sich in derselben
Zeit von 2 Millionen auf 4^ Millionen Dollar erhöht. Ferner erhielten die
Ententestaaten für 23 Millionen Dollar verschiedenes anderes Kriegsmaterial
geliefert gegenüber für nicht ganz 4 Millionen im gleichen Monat des Vor¬
jahres. Verfolgen wir die Ausfuhrziffern nach den Ententestaaten während
der Monate Juli bis einschließlich Februar in den Jahren 1913/14. 1914/15
und 1915/16, so ist die Ausfuhr in dem letzten Jahre gewachsen von 446 und
606 auf 906 Millionen Dollar nach England, von 121 und 218 auf
347 Millionen Dollar nach Frankreich, von 18 und 20 auf 165 (!) Mil¬
lionen Dollar nach Rußland und von 53 und 116 auf 182 Millionen Dollar
nach Italien. Die Steigerung der Gesamtausfuhr nack den vier genannten
Ländern unserer verbündeten Feinde wird demzufolge durch die Zahlen: 638.
860 und 1600 Millionen Dollar für die genannten acht Monate gekennzeichnet.

Die letzten Zahlen zeigen, wie weit die englische Regierung den Gedanken
an Kriegsende und Friedensschluß von sich wies. Bedenkt man, daß inzwischen
auch die Industrien der Entente-Staaten, vor allem diejenigen Englands und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/315>, abgerufen am 25.08.2024.