Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.Amerika als tertius xguäens im Weltkriege den die Vereinigten Staaten verfügen, in der günstigsten Weise beeinflussen. Allerdings ist nicht zu leugnen, daß in diesem leuchtenden Bilde ungeahnter Einen weiteren Gegenstand ernstlicher Sorge inmitten des allgemeinen Grenzboten III 1916 20
Amerika als tertius xguäens im Weltkriege den die Vereinigten Staaten verfügen, in der günstigsten Weise beeinflussen. Allerdings ist nicht zu leugnen, daß in diesem leuchtenden Bilde ungeahnter Einen weiteren Gegenstand ernstlicher Sorge inmitten des allgemeinen Grenzboten III 1916 20
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0317" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330855"/> <fw type="header" place="top"> Amerika als tertius xguäens im Weltkriege</fw><lb/> <p xml:id="ID_1000" prev="#ID_999"> den die Vereinigten Staaten verfügen, in der günstigsten Weise beeinflussen.<lb/> Das erste Kriegsjahr brachte, wie bereits angedeutet, zunächst eine Gold-<lb/> entziehung. Bei einer jährlichen Eigenproduktion von etwa 90 Millionen Dollar<lb/> betrug im Jahre 1914 die Goldeinfuhr 57,38 Millionen Dollar, der eine<lb/> Ausfuhr von 222,61 Millionen Dollar gegenüberstand. Die Goldentziehung,<lb/> die das Land in diesem Jahre erlitt, ist demzufolge mit 165,22 Millionen<lb/> Dollar zu bewerten. Die Zahlen des Jahres 1915 zeigen den jähen, über alle<lb/> Erwartungen günstigen Umschwung: die Goldeinfuhr war auf 451,95 Millionen<lb/> Dollar gestiegen, während die Ausfuhr auf 31,42 Millionen Dollar zurück¬<lb/> gegangen war; der, abgerechnet der Eigenproduktion, erfolgte Zuwachs belief<lb/> sich demnach auf 420,53 Millionen Dollar. Der Staatssekretär des Schatz¬<lb/> amtes konnte somit bereits Ende 1915 mitteilen, daß der Goldbestand der<lb/> Vereinigten Staaten von etwa 1,8 Milliarden Dollar im Anfang des Jahres<lb/> auf weit über 2 Milliarden Dollar angewachsen war. Das Wachstum des<lb/> amerikanischen Goldvorrates ist seit jener Mitteilung nicht stehengeblieben. So<lb/> lesen wir z. B. in dem New Aorker „Journal of Commerce", daß von Mitte<lb/> Mai bis Ende Juni 1916 allem 450 Millionen Mark Gold für englische<lb/> Rechnung in New Aork eingegangen sind, von denen ein Teil zur Bezahlung<lb/> der Kriegslieferungen, ein anderer zur Stützung des englischen Wechsel¬<lb/> kurses dienen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1001"> Allerdings ist nicht zu leugnen, daß in diesem leuchtenden Bilde ungeahnter<lb/> Geschäftsgewinne und Millioneneinnahmen auch einige Schatten zu erkennen<lb/> sind. Der Niedergang der Einwanderung machte sich als Arbeitermangel<lb/> fühlbar, der indessen dadurch ausgeglichen wurde, daß einige ausgedehnte<lb/> Fabrikationszweige an dem allgemeinen Aufstieg nicht teilnehmen konnten und<lb/> ihre Arbeiter entlassen mußten. Diese Zweige leiden außerordentlich unter dem<lb/> Einfluß des europäischen Krieges. Es sind hier zu nennen die Papier- und<lb/> Textilindustrie, die infolge des Mangels an deutschen Teerfarben ihre Fabri¬<lb/> kation nicht aufrechterhalten können, die Nähmaschinenindustrie, deren Ausfuhr<lb/> im Jahre 1915 auf ein Zehntel von 1913 zurückgegangen ist, die Schreib-<lb/> Maschinenindustrie und die Industrie landwirtschaftlicher Maschinen, deren Aus¬<lb/> suhrziffern ebenfalls weit hinter denen von 1913 zurückgeblieben sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1002" next="#ID_1003"> Einen weiteren Gegenstand ernstlicher Sorge inmitten des allgemeinen<lb/> Freudentaumels bildete der von Deutschland eingeleitete und während mehreren<lb/> Monaten mit Nachdruck geführte Unterseebootskrieg. Wenn man auch in der<lb/> Vernichtung der auf dem Transport nach England befindlichen Waren keine<lb/> ernstliche Bedrohung der Ausfuhr erblickte — das Risiko der Überfahrt hatte<lb/> der Besteller zu tragen —, so stieg doch in dem sich immer fühlbarer machenden<lb/> Frachtraummangel eine ernstliche Gefahr auf, von der zu befürchten war, daß<lb/> sie schließlich die weitere Ausbeutung der durch den europäischen Krieg geschaffenen<lb/> Konjunktur unmöglich machen würde. Wir werden in Deutschland durch nichts<lb/> davon abzubringen sein, die Politik Wilsons in Fragen des Unterseebootskrieges</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1916 20</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0317]
Amerika als tertius xguäens im Weltkriege
den die Vereinigten Staaten verfügen, in der günstigsten Weise beeinflussen.
Das erste Kriegsjahr brachte, wie bereits angedeutet, zunächst eine Gold-
entziehung. Bei einer jährlichen Eigenproduktion von etwa 90 Millionen Dollar
betrug im Jahre 1914 die Goldeinfuhr 57,38 Millionen Dollar, der eine
Ausfuhr von 222,61 Millionen Dollar gegenüberstand. Die Goldentziehung,
die das Land in diesem Jahre erlitt, ist demzufolge mit 165,22 Millionen
Dollar zu bewerten. Die Zahlen des Jahres 1915 zeigen den jähen, über alle
Erwartungen günstigen Umschwung: die Goldeinfuhr war auf 451,95 Millionen
Dollar gestiegen, während die Ausfuhr auf 31,42 Millionen Dollar zurück¬
gegangen war; der, abgerechnet der Eigenproduktion, erfolgte Zuwachs belief
sich demnach auf 420,53 Millionen Dollar. Der Staatssekretär des Schatz¬
amtes konnte somit bereits Ende 1915 mitteilen, daß der Goldbestand der
Vereinigten Staaten von etwa 1,8 Milliarden Dollar im Anfang des Jahres
auf weit über 2 Milliarden Dollar angewachsen war. Das Wachstum des
amerikanischen Goldvorrates ist seit jener Mitteilung nicht stehengeblieben. So
lesen wir z. B. in dem New Aorker „Journal of Commerce", daß von Mitte
Mai bis Ende Juni 1916 allem 450 Millionen Mark Gold für englische
Rechnung in New Aork eingegangen sind, von denen ein Teil zur Bezahlung
der Kriegslieferungen, ein anderer zur Stützung des englischen Wechsel¬
kurses dienen.
Allerdings ist nicht zu leugnen, daß in diesem leuchtenden Bilde ungeahnter
Geschäftsgewinne und Millioneneinnahmen auch einige Schatten zu erkennen
sind. Der Niedergang der Einwanderung machte sich als Arbeitermangel
fühlbar, der indessen dadurch ausgeglichen wurde, daß einige ausgedehnte
Fabrikationszweige an dem allgemeinen Aufstieg nicht teilnehmen konnten und
ihre Arbeiter entlassen mußten. Diese Zweige leiden außerordentlich unter dem
Einfluß des europäischen Krieges. Es sind hier zu nennen die Papier- und
Textilindustrie, die infolge des Mangels an deutschen Teerfarben ihre Fabri¬
kation nicht aufrechterhalten können, die Nähmaschinenindustrie, deren Ausfuhr
im Jahre 1915 auf ein Zehntel von 1913 zurückgegangen ist, die Schreib-
Maschinenindustrie und die Industrie landwirtschaftlicher Maschinen, deren Aus¬
suhrziffern ebenfalls weit hinter denen von 1913 zurückgeblieben sind.
Einen weiteren Gegenstand ernstlicher Sorge inmitten des allgemeinen
Freudentaumels bildete der von Deutschland eingeleitete und während mehreren
Monaten mit Nachdruck geführte Unterseebootskrieg. Wenn man auch in der
Vernichtung der auf dem Transport nach England befindlichen Waren keine
ernstliche Bedrohung der Ausfuhr erblickte — das Risiko der Überfahrt hatte
der Besteller zu tragen —, so stieg doch in dem sich immer fühlbarer machenden
Frachtraummangel eine ernstliche Gefahr auf, von der zu befürchten war, daß
sie schließlich die weitere Ausbeutung der durch den europäischen Krieg geschaffenen
Konjunktur unmöglich machen würde. Wir werden in Deutschland durch nichts
davon abzubringen sein, die Politik Wilsons in Fragen des Unterseebootskrieges
Grenzboten III 1916 20
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