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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Deutschland und Oesterreich

Bunde, in Verbindung mit der Annexion von Schleswig-Holstein. Hannover.
Kurhessen, Oberhessen und Nassau darf als ein Ziel angesehen werden, wie es
bei Ausbruch des Krieges niemals gesteckt werden konnte". Dieses Ziel wegen
des Gewinnes von ein paar Quadratmeilen oder ein paar Millionen Kriegs¬
entschädigung in Frage zu stellen, wäre ein politischer Fehler.

Noch einmal setzte Bismarck am 24. -- dem entscheidenden Tage -- dem König
an der Hand dieses Memorandum all' seine Gründe für einen raschen und milden
Frieden auseinander. Wilhelm gab ihm in manchem Punkte recht; aber,
sagte er, Österreich und seine Verbündeten müssen für ihre preußenfeindliche
Haltung gestraft werden. Worauf Bismarck: Unsere Aufgabe ist die Anbahnung
einer nationalen Einigung unter Preußen, nicht aber das Strafrichteramt.
Und mit seinem ganzen Freimut setzte er hinzu, Österreichs Rivalität gegen
Preußen sei nicht strafbarer als die Preußens gegen Österreich.

Das war im Grunde nur mehr ein Streit um Worte. Aber der König erboste
sich doch so, daß Bismarck es vorzog sich zu entfernen. Er trat in sein Zimmer und
dachte, wie er selber erzählte, ob es nicht das Beste wäre, zum offenen Fenster des
vierten Stockwerks hinab zu "fallen". Da legte sich eine Hand auf seine
Schulter. Es war die des Kronprinzen, der sich in schlichten Worten erbot,
beim Könige zu vermitteln. Schon nach einer schwachen halben Stunde kam
er wieder zurück. Es habe schwer gehalten, aber der Vater habe zugestimmt.
"Sprich Du im Namen der Zukunft" hatte Wilhelm zu seinem Sohne gesagt.
So war es in dieser kritischen Stunde der künftige Thronerbe, der nie ein
Freund Bismarcks und stets ein Gegner des Krieges gewesen, und der nun
mit Kraft und Erfolg eingriff. Bismarck hat ihm dies nie vergessen. "Der
Kronprinz", sagte er nach Jahren, "war der einzige verständige Mensch im
Hauptquartier zu Nikolsburg, der mir beigestanden und sich namentlich dem
Begehren von Landesabtretungen Österreichs kräftig widersetzt hat". Übrigens
waren es recht unfreundliche Worte, die Wilhelm als Marginale auf Bismarcks
Denkschrift setzte: "Nachdem mein Ministerpräsident mich vor dem Feinde im
Stiche läßt und ich außerstande bin, ihn zu ersetzen, habe ich die Frage mit
meinem Sohne erörtert und da sich derselbe der Auffassung des Minister¬
präsidenten angeschlossen hat. sehe ich mich zu meinem Schmerz gezwungen, nach
so glänzenden Siegen der Armee in diesen sauren Apfel zu beißen und einen
so schmachvollen Frieden anzunehmen". Wir denken heute, daß man solche
"Schmach" wohl auf sich nehmen konnte.

Als die Bedingungen von Nikolsburg schon zur Unterschrist fertig lagen,
erschien Benedetti mit den gewissen Kompensationsforderungen. Aber Bismarck,
der die Sache nun im Sacke hatte, wies ihn ebenso höflich als kurz ab. Das
Wesentliche in den nur vorläufigen aber für beide Teile bindenden Präliminarien,
die das historische Datum des 26. Juli 1866 tragen, bleibt immer die Zu¬
stimmung Österreichs zur Auflösung des deutschen Bundes und zur Ordnung
der Dinge in Norddeutschland nach Preußens Ermessen. Selbstverständlich


Deutschland und Oesterreich

Bunde, in Verbindung mit der Annexion von Schleswig-Holstein. Hannover.
Kurhessen, Oberhessen und Nassau darf als ein Ziel angesehen werden, wie es
bei Ausbruch des Krieges niemals gesteckt werden konnte". Dieses Ziel wegen
des Gewinnes von ein paar Quadratmeilen oder ein paar Millionen Kriegs¬
entschädigung in Frage zu stellen, wäre ein politischer Fehler.

Noch einmal setzte Bismarck am 24. — dem entscheidenden Tage — dem König
an der Hand dieses Memorandum all' seine Gründe für einen raschen und milden
Frieden auseinander. Wilhelm gab ihm in manchem Punkte recht; aber,
sagte er, Österreich und seine Verbündeten müssen für ihre preußenfeindliche
Haltung gestraft werden. Worauf Bismarck: Unsere Aufgabe ist die Anbahnung
einer nationalen Einigung unter Preußen, nicht aber das Strafrichteramt.
Und mit seinem ganzen Freimut setzte er hinzu, Österreichs Rivalität gegen
Preußen sei nicht strafbarer als die Preußens gegen Österreich.

Das war im Grunde nur mehr ein Streit um Worte. Aber der König erboste
sich doch so, daß Bismarck es vorzog sich zu entfernen. Er trat in sein Zimmer und
dachte, wie er selber erzählte, ob es nicht das Beste wäre, zum offenen Fenster des
vierten Stockwerks hinab zu „fallen". Da legte sich eine Hand auf seine
Schulter. Es war die des Kronprinzen, der sich in schlichten Worten erbot,
beim Könige zu vermitteln. Schon nach einer schwachen halben Stunde kam
er wieder zurück. Es habe schwer gehalten, aber der Vater habe zugestimmt.
„Sprich Du im Namen der Zukunft" hatte Wilhelm zu seinem Sohne gesagt.
So war es in dieser kritischen Stunde der künftige Thronerbe, der nie ein
Freund Bismarcks und stets ein Gegner des Krieges gewesen, und der nun
mit Kraft und Erfolg eingriff. Bismarck hat ihm dies nie vergessen. „Der
Kronprinz", sagte er nach Jahren, „war der einzige verständige Mensch im
Hauptquartier zu Nikolsburg, der mir beigestanden und sich namentlich dem
Begehren von Landesabtretungen Österreichs kräftig widersetzt hat". Übrigens
waren es recht unfreundliche Worte, die Wilhelm als Marginale auf Bismarcks
Denkschrift setzte: „Nachdem mein Ministerpräsident mich vor dem Feinde im
Stiche läßt und ich außerstande bin, ihn zu ersetzen, habe ich die Frage mit
meinem Sohne erörtert und da sich derselbe der Auffassung des Minister¬
präsidenten angeschlossen hat. sehe ich mich zu meinem Schmerz gezwungen, nach
so glänzenden Siegen der Armee in diesen sauren Apfel zu beißen und einen
so schmachvollen Frieden anzunehmen". Wir denken heute, daß man solche
„Schmach" wohl auf sich nehmen konnte.

Als die Bedingungen von Nikolsburg schon zur Unterschrist fertig lagen,
erschien Benedetti mit den gewissen Kompensationsforderungen. Aber Bismarck,
der die Sache nun im Sacke hatte, wies ihn ebenso höflich als kurz ab. Das
Wesentliche in den nur vorläufigen aber für beide Teile bindenden Präliminarien,
die das historische Datum des 26. Juli 1866 tragen, bleibt immer die Zu¬
stimmung Österreichs zur Auflösung des deutschen Bundes und zur Ordnung
der Dinge in Norddeutschland nach Preußens Ermessen. Selbstverständlich


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[0257] Deutschland und Oesterreich Bunde, in Verbindung mit der Annexion von Schleswig-Holstein. Hannover. Kurhessen, Oberhessen und Nassau darf als ein Ziel angesehen werden, wie es bei Ausbruch des Krieges niemals gesteckt werden konnte". Dieses Ziel wegen des Gewinnes von ein paar Quadratmeilen oder ein paar Millionen Kriegs¬ entschädigung in Frage zu stellen, wäre ein politischer Fehler. Noch einmal setzte Bismarck am 24. — dem entscheidenden Tage — dem König an der Hand dieses Memorandum all' seine Gründe für einen raschen und milden Frieden auseinander. Wilhelm gab ihm in manchem Punkte recht; aber, sagte er, Österreich und seine Verbündeten müssen für ihre preußenfeindliche Haltung gestraft werden. Worauf Bismarck: Unsere Aufgabe ist die Anbahnung einer nationalen Einigung unter Preußen, nicht aber das Strafrichteramt. Und mit seinem ganzen Freimut setzte er hinzu, Österreichs Rivalität gegen Preußen sei nicht strafbarer als die Preußens gegen Österreich. Das war im Grunde nur mehr ein Streit um Worte. Aber der König erboste sich doch so, daß Bismarck es vorzog sich zu entfernen. Er trat in sein Zimmer und dachte, wie er selber erzählte, ob es nicht das Beste wäre, zum offenen Fenster des vierten Stockwerks hinab zu „fallen". Da legte sich eine Hand auf seine Schulter. Es war die des Kronprinzen, der sich in schlichten Worten erbot, beim Könige zu vermitteln. Schon nach einer schwachen halben Stunde kam er wieder zurück. Es habe schwer gehalten, aber der Vater habe zugestimmt. „Sprich Du im Namen der Zukunft" hatte Wilhelm zu seinem Sohne gesagt. So war es in dieser kritischen Stunde der künftige Thronerbe, der nie ein Freund Bismarcks und stets ein Gegner des Krieges gewesen, und der nun mit Kraft und Erfolg eingriff. Bismarck hat ihm dies nie vergessen. „Der Kronprinz", sagte er nach Jahren, „war der einzige verständige Mensch im Hauptquartier zu Nikolsburg, der mir beigestanden und sich namentlich dem Begehren von Landesabtretungen Österreichs kräftig widersetzt hat". Übrigens waren es recht unfreundliche Worte, die Wilhelm als Marginale auf Bismarcks Denkschrift setzte: „Nachdem mein Ministerpräsident mich vor dem Feinde im Stiche läßt und ich außerstande bin, ihn zu ersetzen, habe ich die Frage mit meinem Sohne erörtert und da sich derselbe der Auffassung des Minister¬ präsidenten angeschlossen hat. sehe ich mich zu meinem Schmerz gezwungen, nach so glänzenden Siegen der Armee in diesen sauren Apfel zu beißen und einen so schmachvollen Frieden anzunehmen". Wir denken heute, daß man solche „Schmach" wohl auf sich nehmen konnte. Als die Bedingungen von Nikolsburg schon zur Unterschrist fertig lagen, erschien Benedetti mit den gewissen Kompensationsforderungen. Aber Bismarck, der die Sache nun im Sacke hatte, wies ihn ebenso höflich als kurz ab. Das Wesentliche in den nur vorläufigen aber für beide Teile bindenden Präliminarien, die das historische Datum des 26. Juli 1866 tragen, bleibt immer die Zu¬ stimmung Österreichs zur Auflösung des deutschen Bundes und zur Ordnung der Dinge in Norddeutschland nach Preußens Ermessen. Selbstverständlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/257>, abgerufen am 23.07.2024.