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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Deutschland und Oesterreich

war die Abtretung Schleswig-Holsteins. Auch im Punkte der Kriegsentschädigung
zeigte sich Bismarck nachgibig; die 20 Millionen Taler, die Österreich auferlegt
wurden, dünken uns heute eine Bagatelle. Auch die süddeutschen Staaten
kann ohne nennenswerte Gebietsabtretung und mit relativ bescheidenen
Zahlungen weg. Für Sachsens, seines tapferen Bundesgenossen, territoriale
Integrität war Österreich in loyaler Weise eingetreten. Aber auf der Zu¬
gehörigkeit des Königreichs zum künftigen norddeutschen Bunde hatte, Bismarck,
zuletzt mit Heftigkeit, bestanden.

Bereits am 23. August erhielten die Präliminarien ihre endgültige Form.
Dieser Prager Friede ist das grundlegende Dokument geworden zur modernen
Stellung Preußens. Es gab dem bis dahin schmächtigen und in zwei Teile
zerrissenen Staat Vergrößerung und Abrundung. Es machte ihn zum Führer
nördlich des Main; es hat aber dem Begriffe "deutsch" schon damals einen
über den Norden hinaus greifenden Inhalt gegeben. Denn was die Welt freilich
noch nicht wußte: zehn Tage vor Prag waren die geheimen Schutz- und Trutz-
bündnisse Bismarcks mit den süddeutschen Staaten perfekt geworden. Jenen
besondern "Südbund", der ihnen vorbehalten wurde, blieb auf dem Papier
und die Schaffung eines Deutschen Reiches war schon in jenen Tagen, soweit
es die Umstände zuließen, sichergestellt.

Für Louis Napoleon und seine Rheinbundswünsche bildete auch dies
einen Mißerfolg. Als im Juli 1870 die Süddeutschen nicht mit Frankreich,
sondern vertragstreu mit Norddeutschland gingen: da erst mochte der Kaiser
erkennen, wie sehr ihn dieser sympathische NonZieur <Zs LlZmarLk 1866 hinters
Licht geführt. Bismark hatte den von der Welt noch für überschlau Gehaltenen
hingehalten und als Mittel benutzt, um ihn zuletzt auch um die bescheidensten
"Spesen" seiner Neutralität und Mediation zu bringen. Sicher hat Napoleons
Dazwischentreten nach Königgrätz an sich seine Folgen gehabt; denn es drängte
die preußischen Vorherrschaftsgedanken über ganz Deutschland zunächst in den
Hintergrund. Österreich aber Hütte ohne Napoleons Vermittlung vermutlich --
siehe Mission Giskra -- noch bessere Bedingungen erreicht; für sich selber endlich
hat der "ehrliche Makler" von der Seine nichts erzielt, als eine Abfuhr. Am
4. August ist Bismarck in Berlin; ant 5. erscheint schon Benedetti und fordert
nun nicht mehr kleine Grenzberichtigungen, sondern schlankweg Mainz. Saarlouis,
Saarbrücken, die bayrische Rheinpfalz. Bismarck weist ihn trocken ab, droht
mit den Kriege. Benedetti geht und sein erhabener Souverän steckt die
"diplomatische Ohrfeige" ruhig ein. So brachte 1866, und zwar weniger der
preußische Sieg als die französische Vermittlung, für Louis Napoleons Prestige
daheim und in Europa eine bedenkliche Einbuße. . .

"Es soll in Zukunft und für beständig Friede und Freundschaft zwischen
den beiderseitigen Staaten herrschen," hieß es wie üblich im Prager Traktat.
Niemals sonst ist eine konventionelle Phrase so zur Wahrheit geworden. Mit der
Freundschaft freilich hatte es, wenigstens beim Besiegten, noch seine guten Wege. Aber


Deutschland und Oesterreich

war die Abtretung Schleswig-Holsteins. Auch im Punkte der Kriegsentschädigung
zeigte sich Bismarck nachgibig; die 20 Millionen Taler, die Österreich auferlegt
wurden, dünken uns heute eine Bagatelle. Auch die süddeutschen Staaten
kann ohne nennenswerte Gebietsabtretung und mit relativ bescheidenen
Zahlungen weg. Für Sachsens, seines tapferen Bundesgenossen, territoriale
Integrität war Österreich in loyaler Weise eingetreten. Aber auf der Zu¬
gehörigkeit des Königreichs zum künftigen norddeutschen Bunde hatte, Bismarck,
zuletzt mit Heftigkeit, bestanden.

Bereits am 23. August erhielten die Präliminarien ihre endgültige Form.
Dieser Prager Friede ist das grundlegende Dokument geworden zur modernen
Stellung Preußens. Es gab dem bis dahin schmächtigen und in zwei Teile
zerrissenen Staat Vergrößerung und Abrundung. Es machte ihn zum Führer
nördlich des Main; es hat aber dem Begriffe „deutsch" schon damals einen
über den Norden hinaus greifenden Inhalt gegeben. Denn was die Welt freilich
noch nicht wußte: zehn Tage vor Prag waren die geheimen Schutz- und Trutz-
bündnisse Bismarcks mit den süddeutschen Staaten perfekt geworden. Jenen
besondern „Südbund", der ihnen vorbehalten wurde, blieb auf dem Papier
und die Schaffung eines Deutschen Reiches war schon in jenen Tagen, soweit
es die Umstände zuließen, sichergestellt.

Für Louis Napoleon und seine Rheinbundswünsche bildete auch dies
einen Mißerfolg. Als im Juli 1870 die Süddeutschen nicht mit Frankreich,
sondern vertragstreu mit Norddeutschland gingen: da erst mochte der Kaiser
erkennen, wie sehr ihn dieser sympathische NonZieur <Zs LlZmarLk 1866 hinters
Licht geführt. Bismark hatte den von der Welt noch für überschlau Gehaltenen
hingehalten und als Mittel benutzt, um ihn zuletzt auch um die bescheidensten
„Spesen" seiner Neutralität und Mediation zu bringen. Sicher hat Napoleons
Dazwischentreten nach Königgrätz an sich seine Folgen gehabt; denn es drängte
die preußischen Vorherrschaftsgedanken über ganz Deutschland zunächst in den
Hintergrund. Österreich aber Hütte ohne Napoleons Vermittlung vermutlich —
siehe Mission Giskra — noch bessere Bedingungen erreicht; für sich selber endlich
hat der „ehrliche Makler" von der Seine nichts erzielt, als eine Abfuhr. Am
4. August ist Bismarck in Berlin; ant 5. erscheint schon Benedetti und fordert
nun nicht mehr kleine Grenzberichtigungen, sondern schlankweg Mainz. Saarlouis,
Saarbrücken, die bayrische Rheinpfalz. Bismarck weist ihn trocken ab, droht
mit den Kriege. Benedetti geht und sein erhabener Souverän steckt die
„diplomatische Ohrfeige" ruhig ein. So brachte 1866, und zwar weniger der
preußische Sieg als die französische Vermittlung, für Louis Napoleons Prestige
daheim und in Europa eine bedenkliche Einbuße. . .

„Es soll in Zukunft und für beständig Friede und Freundschaft zwischen
den beiderseitigen Staaten herrschen," hieß es wie üblich im Prager Traktat.
Niemals sonst ist eine konventionelle Phrase so zur Wahrheit geworden. Mit der
Freundschaft freilich hatte es, wenigstens beim Besiegten, noch seine guten Wege. Aber


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[0258] Deutschland und Oesterreich war die Abtretung Schleswig-Holsteins. Auch im Punkte der Kriegsentschädigung zeigte sich Bismarck nachgibig; die 20 Millionen Taler, die Österreich auferlegt wurden, dünken uns heute eine Bagatelle. Auch die süddeutschen Staaten kann ohne nennenswerte Gebietsabtretung und mit relativ bescheidenen Zahlungen weg. Für Sachsens, seines tapferen Bundesgenossen, territoriale Integrität war Österreich in loyaler Weise eingetreten. Aber auf der Zu¬ gehörigkeit des Königreichs zum künftigen norddeutschen Bunde hatte, Bismarck, zuletzt mit Heftigkeit, bestanden. Bereits am 23. August erhielten die Präliminarien ihre endgültige Form. Dieser Prager Friede ist das grundlegende Dokument geworden zur modernen Stellung Preußens. Es gab dem bis dahin schmächtigen und in zwei Teile zerrissenen Staat Vergrößerung und Abrundung. Es machte ihn zum Führer nördlich des Main; es hat aber dem Begriffe „deutsch" schon damals einen über den Norden hinaus greifenden Inhalt gegeben. Denn was die Welt freilich noch nicht wußte: zehn Tage vor Prag waren die geheimen Schutz- und Trutz- bündnisse Bismarcks mit den süddeutschen Staaten perfekt geworden. Jenen besondern „Südbund", der ihnen vorbehalten wurde, blieb auf dem Papier und die Schaffung eines Deutschen Reiches war schon in jenen Tagen, soweit es die Umstände zuließen, sichergestellt. Für Louis Napoleon und seine Rheinbundswünsche bildete auch dies einen Mißerfolg. Als im Juli 1870 die Süddeutschen nicht mit Frankreich, sondern vertragstreu mit Norddeutschland gingen: da erst mochte der Kaiser erkennen, wie sehr ihn dieser sympathische NonZieur <Zs LlZmarLk 1866 hinters Licht geführt. Bismark hatte den von der Welt noch für überschlau Gehaltenen hingehalten und als Mittel benutzt, um ihn zuletzt auch um die bescheidensten „Spesen" seiner Neutralität und Mediation zu bringen. Sicher hat Napoleons Dazwischentreten nach Königgrätz an sich seine Folgen gehabt; denn es drängte die preußischen Vorherrschaftsgedanken über ganz Deutschland zunächst in den Hintergrund. Österreich aber Hütte ohne Napoleons Vermittlung vermutlich — siehe Mission Giskra — noch bessere Bedingungen erreicht; für sich selber endlich hat der „ehrliche Makler" von der Seine nichts erzielt, als eine Abfuhr. Am 4. August ist Bismarck in Berlin; ant 5. erscheint schon Benedetti und fordert nun nicht mehr kleine Grenzberichtigungen, sondern schlankweg Mainz. Saarlouis, Saarbrücken, die bayrische Rheinpfalz. Bismarck weist ihn trocken ab, droht mit den Kriege. Benedetti geht und sein erhabener Souverän steckt die „diplomatische Ohrfeige" ruhig ein. So brachte 1866, und zwar weniger der preußische Sieg als die französische Vermittlung, für Louis Napoleons Prestige daheim und in Europa eine bedenkliche Einbuße. . . „Es soll in Zukunft und für beständig Friede und Freundschaft zwischen den beiderseitigen Staaten herrschen," hieß es wie üblich im Prager Traktat. Niemals sonst ist eine konventionelle Phrase so zur Wahrheit geworden. Mit der Freundschaft freilich hatte es, wenigstens beim Besiegten, noch seine guten Wege. Aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/258>, abgerufen am 23.07.2024.