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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Deutschland und (Oesterreich

seligen, von düsterem Geheimnis umwobenen Grafen Moriz Esterhazy zu.
Gewiß besaß dieser Minister "ohne Portefeuille", dem man gemeinhin eine
Hauptschuld an der unglücklichen österreichischen Politik von 1866 beimißt, in
der Hofburg und am Ballplatz mehr Macht, als der nominelle Leiter der
auswärtigen Angelegenheiten Graf Mensdmff-Pouilly. Als nun Herring --
erst am 19. Juli! -- bei Bismarck eintraf, um die Geneigtheit der öster¬
reichischen Regierung zu direkten Unterhandlungen anzuzeigen, hörte er ein:
Zu spät! Die Mediation Frankreichs sei bereits angenommen. Das war.
schreibt Friedjung, "das Ende der Verbindung Österreichs in Deutschland",
denn die letzte Gelegenheit für die Monarchie, im Süden des Mains festen
Fuß zu fassen, war vorbei. Bismarck ist auf feinen wiederholt gestellten
Antrag einer Trennung Deutschlands in zwei Interessensphären nicht mehr zu¬
rückgekommen.*)

Bismarck sprach mit seinem Zu spät! die Wahrheit. Schon am 14. Juli
hatte Napoleon mit Goltz die Bedingungen eines Friedens in der Weise skizziert,
wie er der Hauptsache nach zwölf Tage fpüter wirklich zustande kam. Am
17. waren diese Punktationen im preußischen Hauptquartier zu Nikolsburg
eingetroffen. Bereits am Tage darauf erschien hier Benedetti, der, ganz wie
fpüter in Eins verurteilt war, die Rolle des Zudringlichen zu spielen.

Nikolsburg liegt in einer der schönsten Gegenden Mährens, hart an der
nieder-österreichischen Grenze im Süden der weingesegneten Polauer Berge.
Das Städtchen -- nebenbei gesagt die Heimat Sonnenfels', des erleuchtetsten
Ratgebers Maria Theresiens -- hat in jenen Tagen einen welthistorischen Namen
erobert. Es bedeutet für alle Zeiten die Grenzscheide zwischen der öster¬
reichisch-preußischen Rivalität, die mit dem Regierungsantritt des großen
Friedrich begonnen hatte, und einer treuen, festen Freundschaft, die in unsern
Tagen ihre glanzvollste Probe bestanden.

Hier wurde vorerst am 22. Juli eine fünftägige Waffenruhe vereinbart.
Zwei Tage vorher hatte Tegetthoff bei Lissa gesiegt; die Preußen aber standen
schon vor den Toren Wiens und vor Preßburg. Aber ehe die fünf Tage um
sind ist auch der Friede gemacht. Mit den österreichischen Unterhändlern hatte
Bismarck nicht allzu schwere Arbeit. Den Vertreter Napoleons scheint er mit
halben Worten und halben Zugestündnissen vertröstet zu haben, die er nie ein¬
zuhalten gedachte. Einen harten Kampf aber hatte er mit seinem "alten Herrn".
Und da war die Friedenssache, für die sich Bismarck mit seinem ganzen Feuer
einsetzte, mehr als einmal in Gefahr, zu scheitern. Heute erst vermögen wir
die Kraft und das Geschick zu ermessen, mit denen der Minister dieser Hinter-



*) "Ich glaube", sagte Giskra, "unsere Staatsmänner haben wieder einmal eine Über-
fuhr versäumt". M Heinrich "Erlebnisse eines Kriegskorrespondenten"). -- Man hat den
Fall Giskra wohl auch für eine Autosuggestion des selbstbewußten Brunner Bürgermeisters
oder für einen schlechten Scherz Bismarcks gehalten. Aber was Giskra in einer Delegations-
s'Wrig von 1871 erzählte, ist tatsächlich unwiderlegt und unwidersprochen geblieben.
Is*
Deutschland und (Oesterreich

seligen, von düsterem Geheimnis umwobenen Grafen Moriz Esterhazy zu.
Gewiß besaß dieser Minister „ohne Portefeuille", dem man gemeinhin eine
Hauptschuld an der unglücklichen österreichischen Politik von 1866 beimißt, in
der Hofburg und am Ballplatz mehr Macht, als der nominelle Leiter der
auswärtigen Angelegenheiten Graf Mensdmff-Pouilly. Als nun Herring —
erst am 19. Juli! — bei Bismarck eintraf, um die Geneigtheit der öster¬
reichischen Regierung zu direkten Unterhandlungen anzuzeigen, hörte er ein:
Zu spät! Die Mediation Frankreichs sei bereits angenommen. Das war.
schreibt Friedjung, „das Ende der Verbindung Österreichs in Deutschland",
denn die letzte Gelegenheit für die Monarchie, im Süden des Mains festen
Fuß zu fassen, war vorbei. Bismarck ist auf feinen wiederholt gestellten
Antrag einer Trennung Deutschlands in zwei Interessensphären nicht mehr zu¬
rückgekommen.*)

Bismarck sprach mit seinem Zu spät! die Wahrheit. Schon am 14. Juli
hatte Napoleon mit Goltz die Bedingungen eines Friedens in der Weise skizziert,
wie er der Hauptsache nach zwölf Tage fpüter wirklich zustande kam. Am
17. waren diese Punktationen im preußischen Hauptquartier zu Nikolsburg
eingetroffen. Bereits am Tage darauf erschien hier Benedetti, der, ganz wie
fpüter in Eins verurteilt war, die Rolle des Zudringlichen zu spielen.

Nikolsburg liegt in einer der schönsten Gegenden Mährens, hart an der
nieder-österreichischen Grenze im Süden der weingesegneten Polauer Berge.
Das Städtchen — nebenbei gesagt die Heimat Sonnenfels', des erleuchtetsten
Ratgebers Maria Theresiens — hat in jenen Tagen einen welthistorischen Namen
erobert. Es bedeutet für alle Zeiten die Grenzscheide zwischen der öster¬
reichisch-preußischen Rivalität, die mit dem Regierungsantritt des großen
Friedrich begonnen hatte, und einer treuen, festen Freundschaft, die in unsern
Tagen ihre glanzvollste Probe bestanden.

Hier wurde vorerst am 22. Juli eine fünftägige Waffenruhe vereinbart.
Zwei Tage vorher hatte Tegetthoff bei Lissa gesiegt; die Preußen aber standen
schon vor den Toren Wiens und vor Preßburg. Aber ehe die fünf Tage um
sind ist auch der Friede gemacht. Mit den österreichischen Unterhändlern hatte
Bismarck nicht allzu schwere Arbeit. Den Vertreter Napoleons scheint er mit
halben Worten und halben Zugestündnissen vertröstet zu haben, die er nie ein¬
zuhalten gedachte. Einen harten Kampf aber hatte er mit seinem „alten Herrn".
Und da war die Friedenssache, für die sich Bismarck mit seinem ganzen Feuer
einsetzte, mehr als einmal in Gefahr, zu scheitern. Heute erst vermögen wir
die Kraft und das Geschick zu ermessen, mit denen der Minister dieser Hinter-



*) „Ich glaube", sagte Giskra, „unsere Staatsmänner haben wieder einmal eine Über-
fuhr versäumt". M Heinrich „Erlebnisse eines Kriegskorrespondenten"). — Man hat den
Fall Giskra wohl auch für eine Autosuggestion des selbstbewußten Brunner Bürgermeisters
oder für einen schlechten Scherz Bismarcks gehalten. Aber was Giskra in einer Delegations-
s'Wrig von 1871 erzählte, ist tatsächlich unwiderlegt und unwidersprochen geblieben.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/255>, abgerufen am 22.07.2024.