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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Deutschland und (Oesterreich

Maße gemessen, ein "mit Glacehandschuhen" geführter war. Ist auch König-
grätz eine der größten und blutigsten Schlachten des Jahrhunderts gewesen, so
erscheint der Feldzug im ganzen doch nur wie eine kurze und glimpfliche
Episode, wie ein Degenkreuzen zwischen ritterlichen Gegnern.

Heute vollends sind die Wunden vernarbt, die das Jahr 1866 schlug.
Die Generation, die mit echtem Schmerz sah, wie Haus Österreich aus seiner
400 Jahre alten Präsidialstellung in Deutschland gedrängt wurde, ist schier
ausgestorben. Ihre wenigen Reste haben sich mit dem Schicksal längst abge¬
funden. Nicht was uns in trauriger Fehde trennte -- was uns versöhnte,
wollen wir ins Gedächtnis rufen. Die Verhandlungen von Nikolsburg und
der Präliminarfriede vom 26. Juli 1866 aber waren es, die diese Versöhnung
brachten (zunächst freilich nur äußerlich), die aber doch alles weitere möglich
machten ....

Königgrätz war geschlagen. Bismarck trat vor. Wie mit einem Schlage
ist aus dem verwegenen Spieler, der die Dinge mit Absicht auf die Spitze
getrieben hat, der weise und maßvolle Staatsmann geworden, der dem Blut¬
vergießen ein Ende machen will. Der preußische Premier hatte den kurzen
Feldzug im Hauptquartier des Königlichen Oberkommandanten mitgemacht.
Aber erst nach der großen kriegerischen Entscheidung kamen harte Arbeit und
Sorge für ihn -- Stunden, die er noch als Greis den schwersten seines Lebens
zuzählte. Darum sind die mit angestrengter Tätigkeit erfüllten Wochen nach
dem 3. Juli auch für das psychologische Lebensbild des Gewaltigen von hoher
Wichtigkeit.

Schon in den bangen Entscheidungsstunden von Königgrätz dachte Bismarck,
wie er selber erzählt, nach, wie man sich künftig zu Österreich stellen werde.
Aber er hat sich gewiß schon weit früher solche Gedanken gemacht. Den Habs¬
burgerstaat zu zertrümmern war objektiv unmöglich und lag subjektiv sicher
nicht in den Plänen eines Realpolitikers, der gerade durch seine klare Erkenntnis
des Erreichbaren so viel wirklich erreicht hat. Am selben Abende des 3. Juli,
da Moltke das historische Wort sprach: "Majestät haben nicht bloß die Schlacht,
sondern den Feldzug gewonnen", sagte Bismarck zu seinem Könige (wie Sybel
bekräftigt), "Die Streitfrage ist entschieden. Jetzt gilt es, die alte Freund¬
schaft mit Osterreich wieder zu gewinnen". Bismarck war eben bei aller Tat¬
kraft und Beharrlichkeit der Mann, der stets wußte, wo und wann er einzuhalten
habe. Auch das ist eines der Geheimnisse seiner Erfolge.

Es waren drei praktische Gründe, die in dem Minister den Wunsch nach
einem baldigen Frieden sozusagen stündlich steigerten. Zuerst Erzherzog Albrecht
und seine bei Custoza siegreiche Südarmee; zweitens die furchtbar wütende
Cholera; drittens Louis Napoleon. Leidender Gedanke aber blieb für den Staats¬
mann, dessen Blick ebenso in die Weite wie in die Tiefe ging, daß Österreich
geschont werden müsse, sofern dies mit dem vorgesteckten Ziele nur irgend ver¬
einbar war. Denn ein tödlich verletztes Österreich -- so argumentierte Bismarck


Deutschland und (Oesterreich

Maße gemessen, ein „mit Glacehandschuhen" geführter war. Ist auch König-
grätz eine der größten und blutigsten Schlachten des Jahrhunderts gewesen, so
erscheint der Feldzug im ganzen doch nur wie eine kurze und glimpfliche
Episode, wie ein Degenkreuzen zwischen ritterlichen Gegnern.

Heute vollends sind die Wunden vernarbt, die das Jahr 1866 schlug.
Die Generation, die mit echtem Schmerz sah, wie Haus Österreich aus seiner
400 Jahre alten Präsidialstellung in Deutschland gedrängt wurde, ist schier
ausgestorben. Ihre wenigen Reste haben sich mit dem Schicksal längst abge¬
funden. Nicht was uns in trauriger Fehde trennte — was uns versöhnte,
wollen wir ins Gedächtnis rufen. Die Verhandlungen von Nikolsburg und
der Präliminarfriede vom 26. Juli 1866 aber waren es, die diese Versöhnung
brachten (zunächst freilich nur äußerlich), die aber doch alles weitere möglich
machten ....

Königgrätz war geschlagen. Bismarck trat vor. Wie mit einem Schlage
ist aus dem verwegenen Spieler, der die Dinge mit Absicht auf die Spitze
getrieben hat, der weise und maßvolle Staatsmann geworden, der dem Blut¬
vergießen ein Ende machen will. Der preußische Premier hatte den kurzen
Feldzug im Hauptquartier des Königlichen Oberkommandanten mitgemacht.
Aber erst nach der großen kriegerischen Entscheidung kamen harte Arbeit und
Sorge für ihn — Stunden, die er noch als Greis den schwersten seines Lebens
zuzählte. Darum sind die mit angestrengter Tätigkeit erfüllten Wochen nach
dem 3. Juli auch für das psychologische Lebensbild des Gewaltigen von hoher
Wichtigkeit.

Schon in den bangen Entscheidungsstunden von Königgrätz dachte Bismarck,
wie er selber erzählt, nach, wie man sich künftig zu Österreich stellen werde.
Aber er hat sich gewiß schon weit früher solche Gedanken gemacht. Den Habs¬
burgerstaat zu zertrümmern war objektiv unmöglich und lag subjektiv sicher
nicht in den Plänen eines Realpolitikers, der gerade durch seine klare Erkenntnis
des Erreichbaren so viel wirklich erreicht hat. Am selben Abende des 3. Juli,
da Moltke das historische Wort sprach: „Majestät haben nicht bloß die Schlacht,
sondern den Feldzug gewonnen", sagte Bismarck zu seinem Könige (wie Sybel
bekräftigt), „Die Streitfrage ist entschieden. Jetzt gilt es, die alte Freund¬
schaft mit Osterreich wieder zu gewinnen". Bismarck war eben bei aller Tat¬
kraft und Beharrlichkeit der Mann, der stets wußte, wo und wann er einzuhalten
habe. Auch das ist eines der Geheimnisse seiner Erfolge.

Es waren drei praktische Gründe, die in dem Minister den Wunsch nach
einem baldigen Frieden sozusagen stündlich steigerten. Zuerst Erzherzog Albrecht
und seine bei Custoza siegreiche Südarmee; zweitens die furchtbar wütende
Cholera; drittens Louis Napoleon. Leidender Gedanke aber blieb für den Staats¬
mann, dessen Blick ebenso in die Weite wie in die Tiefe ging, daß Österreich
geschont werden müsse, sofern dies mit dem vorgesteckten Ziele nur irgend ver¬
einbar war. Denn ein tödlich verletztes Österreich — so argumentierte Bismarck


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[0252] Deutschland und (Oesterreich Maße gemessen, ein „mit Glacehandschuhen" geführter war. Ist auch König- grätz eine der größten und blutigsten Schlachten des Jahrhunderts gewesen, so erscheint der Feldzug im ganzen doch nur wie eine kurze und glimpfliche Episode, wie ein Degenkreuzen zwischen ritterlichen Gegnern. Heute vollends sind die Wunden vernarbt, die das Jahr 1866 schlug. Die Generation, die mit echtem Schmerz sah, wie Haus Österreich aus seiner 400 Jahre alten Präsidialstellung in Deutschland gedrängt wurde, ist schier ausgestorben. Ihre wenigen Reste haben sich mit dem Schicksal längst abge¬ funden. Nicht was uns in trauriger Fehde trennte — was uns versöhnte, wollen wir ins Gedächtnis rufen. Die Verhandlungen von Nikolsburg und der Präliminarfriede vom 26. Juli 1866 aber waren es, die diese Versöhnung brachten (zunächst freilich nur äußerlich), die aber doch alles weitere möglich machten .... Königgrätz war geschlagen. Bismarck trat vor. Wie mit einem Schlage ist aus dem verwegenen Spieler, der die Dinge mit Absicht auf die Spitze getrieben hat, der weise und maßvolle Staatsmann geworden, der dem Blut¬ vergießen ein Ende machen will. Der preußische Premier hatte den kurzen Feldzug im Hauptquartier des Königlichen Oberkommandanten mitgemacht. Aber erst nach der großen kriegerischen Entscheidung kamen harte Arbeit und Sorge für ihn — Stunden, die er noch als Greis den schwersten seines Lebens zuzählte. Darum sind die mit angestrengter Tätigkeit erfüllten Wochen nach dem 3. Juli auch für das psychologische Lebensbild des Gewaltigen von hoher Wichtigkeit. Schon in den bangen Entscheidungsstunden von Königgrätz dachte Bismarck, wie er selber erzählt, nach, wie man sich künftig zu Österreich stellen werde. Aber er hat sich gewiß schon weit früher solche Gedanken gemacht. Den Habs¬ burgerstaat zu zertrümmern war objektiv unmöglich und lag subjektiv sicher nicht in den Plänen eines Realpolitikers, der gerade durch seine klare Erkenntnis des Erreichbaren so viel wirklich erreicht hat. Am selben Abende des 3. Juli, da Moltke das historische Wort sprach: „Majestät haben nicht bloß die Schlacht, sondern den Feldzug gewonnen", sagte Bismarck zu seinem Könige (wie Sybel bekräftigt), „Die Streitfrage ist entschieden. Jetzt gilt es, die alte Freund¬ schaft mit Osterreich wieder zu gewinnen". Bismarck war eben bei aller Tat¬ kraft und Beharrlichkeit der Mann, der stets wußte, wo und wann er einzuhalten habe. Auch das ist eines der Geheimnisse seiner Erfolge. Es waren drei praktische Gründe, die in dem Minister den Wunsch nach einem baldigen Frieden sozusagen stündlich steigerten. Zuerst Erzherzog Albrecht und seine bei Custoza siegreiche Südarmee; zweitens die furchtbar wütende Cholera; drittens Louis Napoleon. Leidender Gedanke aber blieb für den Staats¬ mann, dessen Blick ebenso in die Weite wie in die Tiefe ging, daß Österreich geschont werden müsse, sofern dies mit dem vorgesteckten Ziele nur irgend ver¬ einbar war. Denn ein tödlich verletztes Österreich — so argumentierte Bismarck

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/252>, abgerufen am 29.06.2024.