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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Deutschland und Osterreich
Zur Halbjahrhundertseier des prager Friedens am 2Z. August M6
Dr. Z, von Newcrld von

Der nachfolgende Aufsatz stammt aus der Feder eines Österreichers,
Er bildet das Gegenstück zum Aufsatz des Reichsdeutschen Dr. Karl
Buchheim, den wir anläßlich der Halbjahrhundertfeier des Nikolsburgec
Friedens in Heft 29 d. I. veröffentlicht haben. Beide Verfasser gelangen
unabhängig voneinander zu dem Ergebnis, daß der Friedensschluß
zwischen Deutschland und Osterreich eines der im höchsten Sinne staats-
männischen Meisterstücke Bismarcks war, und daß beide Parteien heute
nur das betonen wollen, was sie nach langem Hader versöhnte.


Die Schriftleitung.

reißig Jahre werde der deutsche Krieg dauern -- so prophezeite
man im Frühjahr 1866. In Wahrheit wahrte es vom Beginn
der Feindseligkeiten bis zum Präliminarfrieden etwa einen Monat,
und zwischen den ersten Schüssen in Böhmen und der Entscheidungs¬
schlacht lag eine Woche. Auch sonst lebte die Zeit vor dem
Ringen in manchem Irrtum. Recht allgemein hielt man Österreich für den
unbedingt stärkeren Teil, und in der Donaumonarchie selber herrschte eine ver¬
hängnisvolle Unterschätzung des Gegners. Man malte sich den Kampf mit
Preußen meist optimistisch aus. Neben dem Haß gegen den "Störenfried mit
den drei Haaren", gegen den "Herrn von Eisenblut", gab sich eine mit Mi߬
achtung gepaarte Abneigung gegen alles Preußische überhaupt in schärfsten
Formen kund. Eine ähnliche erbitterte Aversion gab es in Norddeutschland
nicht. Dort wollte ja lange kaum jemand den Krieg außer jenem einen, der
eben stärker war als alle andern zusammen.

So kam der blutige Strauß, von dem Moltke höchst aufrichtig und in
seiner großzügigen Art gesagt hat: "Der Krieg 1866 ist nicht aus Notwehr
gegen Bedrohung der eigenen Existenz entsprungen, auch nicht hervorgerufen
durch die öffentliche Meinung und die Stimme des Volkes. Er ist ein im
Kabinett als notwendig erkannter, längst beabsichtigter und ruhig vorbereiteter
Kampf nicht für Ländererwerb, Gebietsvermehrung oder materiellen Gewinn,
sondern für ein ideales Gut -- für Machtstellung". Stark aber war hüben
und drüben der patriotische Gram ob des Bruderkrieges, ob des Kampfes
Deutscher gegen Deutsche, der eine echte, frohe Begeisterung ausschloß. Mit
posthumer Genugtuung stellen wir aber auch fest, daß dieser Krieg, nach heutigem




Deutschland und Osterreich
Zur Halbjahrhundertseier des prager Friedens am 2Z. August M6
Dr. Z, von Newcrld von

Der nachfolgende Aufsatz stammt aus der Feder eines Österreichers,
Er bildet das Gegenstück zum Aufsatz des Reichsdeutschen Dr. Karl
Buchheim, den wir anläßlich der Halbjahrhundertfeier des Nikolsburgec
Friedens in Heft 29 d. I. veröffentlicht haben. Beide Verfasser gelangen
unabhängig voneinander zu dem Ergebnis, daß der Friedensschluß
zwischen Deutschland und Osterreich eines der im höchsten Sinne staats-
männischen Meisterstücke Bismarcks war, und daß beide Parteien heute
nur das betonen wollen, was sie nach langem Hader versöhnte.


Die Schriftleitung.

reißig Jahre werde der deutsche Krieg dauern — so prophezeite
man im Frühjahr 1866. In Wahrheit wahrte es vom Beginn
der Feindseligkeiten bis zum Präliminarfrieden etwa einen Monat,
und zwischen den ersten Schüssen in Böhmen und der Entscheidungs¬
schlacht lag eine Woche. Auch sonst lebte die Zeit vor dem
Ringen in manchem Irrtum. Recht allgemein hielt man Österreich für den
unbedingt stärkeren Teil, und in der Donaumonarchie selber herrschte eine ver¬
hängnisvolle Unterschätzung des Gegners. Man malte sich den Kampf mit
Preußen meist optimistisch aus. Neben dem Haß gegen den „Störenfried mit
den drei Haaren", gegen den „Herrn von Eisenblut", gab sich eine mit Mi߬
achtung gepaarte Abneigung gegen alles Preußische überhaupt in schärfsten
Formen kund. Eine ähnliche erbitterte Aversion gab es in Norddeutschland
nicht. Dort wollte ja lange kaum jemand den Krieg außer jenem einen, der
eben stärker war als alle andern zusammen.

So kam der blutige Strauß, von dem Moltke höchst aufrichtig und in
seiner großzügigen Art gesagt hat: „Der Krieg 1866 ist nicht aus Notwehr
gegen Bedrohung der eigenen Existenz entsprungen, auch nicht hervorgerufen
durch die öffentliche Meinung und die Stimme des Volkes. Er ist ein im
Kabinett als notwendig erkannter, längst beabsichtigter und ruhig vorbereiteter
Kampf nicht für Ländererwerb, Gebietsvermehrung oder materiellen Gewinn,
sondern für ein ideales Gut — für Machtstellung". Stark aber war hüben
und drüben der patriotische Gram ob des Bruderkrieges, ob des Kampfes
Deutscher gegen Deutsche, der eine echte, frohe Begeisterung ausschloß. Mit
posthumer Genugtuung stellen wir aber auch fest, daß dieser Krieg, nach heutigem


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[0251] [Abbildung] Deutschland und Osterreich Zur Halbjahrhundertseier des prager Friedens am 2Z. August M6 Dr. Z, von Newcrld von Der nachfolgende Aufsatz stammt aus der Feder eines Österreichers, Er bildet das Gegenstück zum Aufsatz des Reichsdeutschen Dr. Karl Buchheim, den wir anläßlich der Halbjahrhundertfeier des Nikolsburgec Friedens in Heft 29 d. I. veröffentlicht haben. Beide Verfasser gelangen unabhängig voneinander zu dem Ergebnis, daß der Friedensschluß zwischen Deutschland und Osterreich eines der im höchsten Sinne staats- männischen Meisterstücke Bismarcks war, und daß beide Parteien heute nur das betonen wollen, was sie nach langem Hader versöhnte. Die Schriftleitung. reißig Jahre werde der deutsche Krieg dauern — so prophezeite man im Frühjahr 1866. In Wahrheit wahrte es vom Beginn der Feindseligkeiten bis zum Präliminarfrieden etwa einen Monat, und zwischen den ersten Schüssen in Böhmen und der Entscheidungs¬ schlacht lag eine Woche. Auch sonst lebte die Zeit vor dem Ringen in manchem Irrtum. Recht allgemein hielt man Österreich für den unbedingt stärkeren Teil, und in der Donaumonarchie selber herrschte eine ver¬ hängnisvolle Unterschätzung des Gegners. Man malte sich den Kampf mit Preußen meist optimistisch aus. Neben dem Haß gegen den „Störenfried mit den drei Haaren", gegen den „Herrn von Eisenblut", gab sich eine mit Mi߬ achtung gepaarte Abneigung gegen alles Preußische überhaupt in schärfsten Formen kund. Eine ähnliche erbitterte Aversion gab es in Norddeutschland nicht. Dort wollte ja lange kaum jemand den Krieg außer jenem einen, der eben stärker war als alle andern zusammen. So kam der blutige Strauß, von dem Moltke höchst aufrichtig und in seiner großzügigen Art gesagt hat: „Der Krieg 1866 ist nicht aus Notwehr gegen Bedrohung der eigenen Existenz entsprungen, auch nicht hervorgerufen durch die öffentliche Meinung und die Stimme des Volkes. Er ist ein im Kabinett als notwendig erkannter, längst beabsichtigter und ruhig vorbereiteter Kampf nicht für Ländererwerb, Gebietsvermehrung oder materiellen Gewinn, sondern für ein ideales Gut — für Machtstellung". Stark aber war hüben und drüben der patriotische Gram ob des Bruderkrieges, ob des Kampfes Deutscher gegen Deutsche, der eine echte, frohe Begeisterung ausschloß. Mit posthumer Genugtuung stellen wir aber auch fest, daß dieser Krieg, nach heutigem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/251>, abgerufen am 26.06.2024.