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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Als im April 1913 nach Ende des Balkankrieges der Verkehr wieder offen
stand, reisten hervorragende Albaner sofort nach Wien und Rom. Von denKabinetten
über die Aussichten eines europäisch-christlichen Fürsten befragt, betonten sie, daß der
Versuch dann, aber auch nur dann Hoffnung auf Erfolg biete, wenn dem betreffenden
Fürsten einige tausend Mann der Truppen einer Großmacht mitgegeben würden.
Sie waren der Ansicht, daß dies fremde Kontingent unerläßlich sei, um
dem Fürsten etwas von dem großen Ansehen der Mächte in Albanien zu ver¬
leihen und damit seinen Befehlen einer notwendig noch primitiven Bevölkerung
gegenüber den unentbehrlichen Nachdruck, sowie die Möglichkeit, seine Autorität
auch gegen gewisse Große des Landes, denen eine angestammte Gefolgschaft
nahe steht, wahren zu können. Einer einheimischen, bezahlten Truppe kam
ihrer Ansicht nach diese Wirkung nicht zu, umsoweniger als die landesunkundigen
Jnstruktionsoffiziere unmöglich sofort das albanische Volk richtig genug zu beurteilen
imstande waren, um eine sachkundige Auswahl unter ihren Leuten zu treffen.
Trotzdem wurde dies als Lonclitio 8ins qua non angeratene Kontingent nicht
gewährt, vielmehr die Schaffung einer albanischen Gendarmerie unter
holländischen Jnstruktionsofsizieren endgültig beschlossen und zwar deshalb,
weil der Zusammensetzung einer fremden Truppe (der ererbten Sympathie
Albaniens entsprechend konnte hiezu im Grunde nur österreichisches Militär in
Frage kommen) die Eifersucht Italiens als unüberwindliches Hindernis im
Wege stand. An eine gemischt österreichisch-italienische Truppe war bei der
schon damals stark entwickelten gegenseitigen Abneigung nicht zu denken, ebenso
verbot es sich für Österreich aus naheliegenden und sehr triftigen Gründen,
einer italienischen Anregung stattzugeben, nach der Nordalbanien zwar von
österreichischen Truppen, Südalbanien mit Valona aber durch die Italiener zu
besetzen gewesen wäre.

Als im Dezember 1913, im Januar und Februar 1914 einige der tüch¬
tigsten albanischen Führer in Berlin waren, um dort mit ihrem künftigen
Landesherrn in Fühlung zu treten, hatten sich gegenüber den Schwierigkeiten
unter den Mächten, rund herausgesagt: den Ränken Italiens gegen Osterreich,
alle Vorstellungen der albanischen Intelligenz schon so nutzlos erwiesen, daß
diese Abgesandten bereits damals der Zukunft mit den schlimmsten Befürchtungen
entgegensahen.

Die Persönlichkeit des Fürsten konnte diese Besorgnisse nicht zerstreuen,
denn sofort erschien Prinz Wilhelm zwar als eine durchaus rechtliche, achtens-
werte, pflichttreue und wohl auch aufopferungsfähige, von ehrlichsten Willen
erfüllte Natur, aber kaum als der Mann, die hundert Fäden der Intrige,
die dem ebengeschaffenen Staate den Atem schon in jenen ersten Monaten
zu rauben begannen, kurzerhand zu zerreißen und den Schwierigkeiten von außen
den unbesorgten Einsatz einer rücksichtslos tatkräftigen Natur entgegenzusetzen.

Die Kontrollkommission hatte die Zusammensetzung der Deputation, welche
den Fürsten in Neu-Wied abgeholt hat. Essad Pascha Toptani übertragen und


Als im April 1913 nach Ende des Balkankrieges der Verkehr wieder offen
stand, reisten hervorragende Albaner sofort nach Wien und Rom. Von denKabinetten
über die Aussichten eines europäisch-christlichen Fürsten befragt, betonten sie, daß der
Versuch dann, aber auch nur dann Hoffnung auf Erfolg biete, wenn dem betreffenden
Fürsten einige tausend Mann der Truppen einer Großmacht mitgegeben würden.
Sie waren der Ansicht, daß dies fremde Kontingent unerläßlich sei, um
dem Fürsten etwas von dem großen Ansehen der Mächte in Albanien zu ver¬
leihen und damit seinen Befehlen einer notwendig noch primitiven Bevölkerung
gegenüber den unentbehrlichen Nachdruck, sowie die Möglichkeit, seine Autorität
auch gegen gewisse Große des Landes, denen eine angestammte Gefolgschaft
nahe steht, wahren zu können. Einer einheimischen, bezahlten Truppe kam
ihrer Ansicht nach diese Wirkung nicht zu, umsoweniger als die landesunkundigen
Jnstruktionsoffiziere unmöglich sofort das albanische Volk richtig genug zu beurteilen
imstande waren, um eine sachkundige Auswahl unter ihren Leuten zu treffen.
Trotzdem wurde dies als Lonclitio 8ins qua non angeratene Kontingent nicht
gewährt, vielmehr die Schaffung einer albanischen Gendarmerie unter
holländischen Jnstruktionsofsizieren endgültig beschlossen und zwar deshalb,
weil der Zusammensetzung einer fremden Truppe (der ererbten Sympathie
Albaniens entsprechend konnte hiezu im Grunde nur österreichisches Militär in
Frage kommen) die Eifersucht Italiens als unüberwindliches Hindernis im
Wege stand. An eine gemischt österreichisch-italienische Truppe war bei der
schon damals stark entwickelten gegenseitigen Abneigung nicht zu denken, ebenso
verbot es sich für Österreich aus naheliegenden und sehr triftigen Gründen,
einer italienischen Anregung stattzugeben, nach der Nordalbanien zwar von
österreichischen Truppen, Südalbanien mit Valona aber durch die Italiener zu
besetzen gewesen wäre.

Als im Dezember 1913, im Januar und Februar 1914 einige der tüch¬
tigsten albanischen Führer in Berlin waren, um dort mit ihrem künftigen
Landesherrn in Fühlung zu treten, hatten sich gegenüber den Schwierigkeiten
unter den Mächten, rund herausgesagt: den Ränken Italiens gegen Osterreich,
alle Vorstellungen der albanischen Intelligenz schon so nutzlos erwiesen, daß
diese Abgesandten bereits damals der Zukunft mit den schlimmsten Befürchtungen
entgegensahen.

Die Persönlichkeit des Fürsten konnte diese Besorgnisse nicht zerstreuen,
denn sofort erschien Prinz Wilhelm zwar als eine durchaus rechtliche, achtens-
werte, pflichttreue und wohl auch aufopferungsfähige, von ehrlichsten Willen
erfüllte Natur, aber kaum als der Mann, die hundert Fäden der Intrige,
die dem ebengeschaffenen Staate den Atem schon in jenen ersten Monaten
zu rauben begannen, kurzerhand zu zerreißen und den Schwierigkeiten von außen
den unbesorgten Einsatz einer rücksichtslos tatkräftigen Natur entgegenzusetzen.

Die Kontrollkommission hatte die Zusammensetzung der Deputation, welche
den Fürsten in Neu-Wied abgeholt hat. Essad Pascha Toptani übertragen und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/87>, abgerufen am 22.12.2024.