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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Albaniens Lntiäuschung und Erwartung

unbekannt war, .schon um den gefährlichen Zwischenregierungen ein Ende zu
bereiten.

Prinz Wilhelm zu Wied war sozusagen ein Kompromißkandidat.

Der ursprüngliche österreichische Kandidat, Fürst Herzog zu Urach. war von
Italien abgelehnt worden, da Italien durch einen katholischen Fürsten eine Be¬
vorzugung des von alters unter österreichischem Protektorat stehenden katholischen
Elements in Albanien, mit anderen Worten eine Stärkung des österreichischen
Einflusses, befürchtete. Ein Prinz aus dem Hause Savoyen aber, dessen Wahl
Italien nicht ungern gesehen hätte, war sür Österreich unannehmbar, da eine
solche Wahl fast der italienischen Herrschaft in Albanien gleichgekommen wäre.

Indem jedoch Fürst Wilhelm weder Österreich noch Italien besonders
nahe stand, war er schon in schlimmer Lage, denn keine der beiden Mächte
sah in ihm ganz ihren Mann, dem sie völlig vertraute und den sie deshalb
um jede" Preis, auch den ernsthaftesten Verwicklungen gegenüber, zu halten
ein absolutes Interesse hatte.

Die Konferenz von London hat als weiteren Nachteil bei der Schaffung
Albaniens dem neuen Staatswesen zwei äußerst verhängnisvolle Patengeschenke
mit in die Wiege gegeben: Die Kontrollkommission und die holländische
Gendarmerieexpedition.

Zu der Kontrollkommission, welche die finanzielle Verwaltung Albaniens
allein in Händen haben sollte und auch in allen übrigen äußeren und inneren
Angelegenheiten dem Fürsten ratend und mitbestimmend zur Seite zu stehen
hatte, sandten alle Großmächte Mitglieder, also Rußland, Frankreich, England,
Deutschland, Österreich und Italien. Zwei der Kontrollmitglieder gehörten
somit Staaten an, die von vornherein der Schaffung Albaniens entgegen¬
getreten waren und seinen Untergang ihrer Serbenfreundschaft halber mit un¬
gemischter Freude begrüßt hätten. Daß eine so zusammengesetzte Körperschaft
Albanien von allem Anfang nicht gedeihlich zu werden versprach, liegt auf der
Hand. Es sei hier hervorgehoben, daß das deutsche, das österreichische und
das albanische Mitglied ihrer Aufgabe völlig gewachsen waren, auch das eng¬
lische wohlwollend zu vermitteln suchte und es wäre sehr zu begrüßen gewesen,
wenn der Fürst, einmal in Durazzo, sich auf den Rat dieser balkanerfahrenen
Männer hätte stützen können, statt dem Treiben der italienischen Gesandtschaft
preisgegeben zu sein; da aber der russische und französische Kollege dieser tüch¬
tigen Diplomaten das Mißtrauen des Fürsten hervorriefen und rechtfertigten,
mußte selbstverständlich auch die Tüchtigkeit der anderen brach bleiben.

Was weiter die holländische Gendarmeriemisston betrifft, so war es zunächst
schon mißlich, sie der Kontrollkommission und nicht der albanischen Regierung
zu unterstellen, wodurch der Fürst noch mehr von der Kontrollkommission ab¬
hängig wurde, als es ohnehin der Fall war, und eventuellen selbstherrlichen
Übergriffen der des Landes gänzlich unkundigen holländischen Offiziere Tür
und Tor erschlossen werden mußten. --


Albaniens Lntiäuschung und Erwartung

unbekannt war, .schon um den gefährlichen Zwischenregierungen ein Ende zu
bereiten.

Prinz Wilhelm zu Wied war sozusagen ein Kompromißkandidat.

Der ursprüngliche österreichische Kandidat, Fürst Herzog zu Urach. war von
Italien abgelehnt worden, da Italien durch einen katholischen Fürsten eine Be¬
vorzugung des von alters unter österreichischem Protektorat stehenden katholischen
Elements in Albanien, mit anderen Worten eine Stärkung des österreichischen
Einflusses, befürchtete. Ein Prinz aus dem Hause Savoyen aber, dessen Wahl
Italien nicht ungern gesehen hätte, war sür Österreich unannehmbar, da eine
solche Wahl fast der italienischen Herrschaft in Albanien gleichgekommen wäre.

Indem jedoch Fürst Wilhelm weder Österreich noch Italien besonders
nahe stand, war er schon in schlimmer Lage, denn keine der beiden Mächte
sah in ihm ganz ihren Mann, dem sie völlig vertraute und den sie deshalb
um jede» Preis, auch den ernsthaftesten Verwicklungen gegenüber, zu halten
ein absolutes Interesse hatte.

Die Konferenz von London hat als weiteren Nachteil bei der Schaffung
Albaniens dem neuen Staatswesen zwei äußerst verhängnisvolle Patengeschenke
mit in die Wiege gegeben: Die Kontrollkommission und die holländische
Gendarmerieexpedition.

Zu der Kontrollkommission, welche die finanzielle Verwaltung Albaniens
allein in Händen haben sollte und auch in allen übrigen äußeren und inneren
Angelegenheiten dem Fürsten ratend und mitbestimmend zur Seite zu stehen
hatte, sandten alle Großmächte Mitglieder, also Rußland, Frankreich, England,
Deutschland, Österreich und Italien. Zwei der Kontrollmitglieder gehörten
somit Staaten an, die von vornherein der Schaffung Albaniens entgegen¬
getreten waren und seinen Untergang ihrer Serbenfreundschaft halber mit un¬
gemischter Freude begrüßt hätten. Daß eine so zusammengesetzte Körperschaft
Albanien von allem Anfang nicht gedeihlich zu werden versprach, liegt auf der
Hand. Es sei hier hervorgehoben, daß das deutsche, das österreichische und
das albanische Mitglied ihrer Aufgabe völlig gewachsen waren, auch das eng¬
lische wohlwollend zu vermitteln suchte und es wäre sehr zu begrüßen gewesen,
wenn der Fürst, einmal in Durazzo, sich auf den Rat dieser balkanerfahrenen
Männer hätte stützen können, statt dem Treiben der italienischen Gesandtschaft
preisgegeben zu sein; da aber der russische und französische Kollege dieser tüch¬
tigen Diplomaten das Mißtrauen des Fürsten hervorriefen und rechtfertigten,
mußte selbstverständlich auch die Tüchtigkeit der anderen brach bleiben.

Was weiter die holländische Gendarmeriemisston betrifft, so war es zunächst
schon mißlich, sie der Kontrollkommission und nicht der albanischen Regierung
zu unterstellen, wodurch der Fürst noch mehr von der Kontrollkommission ab¬
hängig wurde, als es ohnehin der Fall war, und eventuellen selbstherrlichen
Übergriffen der des Landes gänzlich unkundigen holländischen Offiziere Tür
und Tor erschlossen werden mußten. —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/86>, abgerufen am 28.07.2024.