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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Das Geld bleibt im Lande

Kapitalbilduug der an der Kriegsproduktion beteiligten Organisationen und
Volksschichten. Für die großen Werke ist das aus deren bekanntgegebenen
Zeichnungsziffern jedenfalls bewiesen.

Auf der andern Seite ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Volks¬
kräfte, welche zur Erzeugung des Kriegsmaterials im Inland in Anspruch
genommen werden, von ihrer bisherigen nach rein wirtschaftlichen Gesichts¬
punkten geregelten Produktion abgelenkt werden und nicht in der Lage sind,
diejenigen Güter zu schaffen, welche sie ohne jene Inanspruchnahme produziert
haben würden. Aber bei näherem Zusehen fällt auch dieser Nachteil nur
wenig ins Gewicht. Es wird alles zum Bedarf Notwendige ohnehin produ¬
ziert. Nur das Entbehrliche, die Luxusproduktion, z. B. Papier-Galanterie¬
waren-, Spielwaren-, Porzellan-, z. T. Textilindustrie und Baugewerbe wird
eingeschränkt. Die sich daraus ergebenden Verteuerungen und Einschränkungen
der Lebenshaltung werden allgemein gern ertragen. Der Vorteil, her in
Sparsamkeit des Verbrauchs liegt, überwiegt hier einen Ausfall an Produk¬
tionsgewinn. Es wäre aber auch in der Kriegszeit eine lohnende Produktion
nicht notwendiger Friedenswerte sehr erschwert, da die Tatsache des Krieges
allein und die daraus sich ergebenden wirtschaftlichen Sorgen für jeden
einzelnen die Nachfrage nach den leichter entbehrlichen Gütern zurückgedrängt
haben; hierzu kommt, daß unsere Ausfuhr ja durch die englische Blockade
ziemlich lahmgelegt ist. Es würde also ohne die befruchtenden Milliardeu-
bestellungen des Staates im Inland während des Krieges Arbeitslosigkeit
und Not der minderbemittelten Klassen eintreten, welche bei uns im großen
und ganzen vermieden worden ist. Die beim Kriegsanfang stark gestiegene
Arbeitslosigkeit ist durch die Abwanderung der Arbeiter in die Kriegsindustrieen
heute im allgemeinen unter das Normalmaß im Frieden herabgesunken.*)

Die sonst brach liegenden Volkskräfte werden durch die Organisation
der Kriegswirtschaft zur Bedarfsdeckung herangezogen. Die dadurch erzielte
Mehrleistung gegenüber friedensmäßiger Produktion bedeutet reinen Gewinn
und ist unmittelbare Folge der Verwendung des Geldes im Lande.**) Daß
die Arbeit auch eine lohnende für die Arbeiterschaft ist, erweisen die vielfach
auf das Doppelte gestiegenen Löhne in den Industriebezirken, sowie die Tat¬
sache, daß Streiks während der Klicgszeit biss-r bei uns wenig vorgekommen
sind. Es sind bei uns in der Zeit vom 1. September 1914 bis 31. August 1915
durch Streiks nur 37838 Arbeitstage verloren worden, gegenüber 2,9 Millionen
in England.***)

Daß wir unseren Kriegsbedarf im wesentlichen im Inlande decken,
geschieht nun allerdings nicht ganz freiwillig, sondern ist eine Folge der





*) Vergl. Böttger, Das Geld im Kriege. S. 28/29.
") Dies betont auch besonders Heat a, a. O.
-) Vergl. Dresdener Bank a, a. O., S. 13.
Das Geld bleibt im Lande

Kapitalbilduug der an der Kriegsproduktion beteiligten Organisationen und
Volksschichten. Für die großen Werke ist das aus deren bekanntgegebenen
Zeichnungsziffern jedenfalls bewiesen.

Auf der andern Seite ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Volks¬
kräfte, welche zur Erzeugung des Kriegsmaterials im Inland in Anspruch
genommen werden, von ihrer bisherigen nach rein wirtschaftlichen Gesichts¬
punkten geregelten Produktion abgelenkt werden und nicht in der Lage sind,
diejenigen Güter zu schaffen, welche sie ohne jene Inanspruchnahme produziert
haben würden. Aber bei näherem Zusehen fällt auch dieser Nachteil nur
wenig ins Gewicht. Es wird alles zum Bedarf Notwendige ohnehin produ¬
ziert. Nur das Entbehrliche, die Luxusproduktion, z. B. Papier-Galanterie¬
waren-, Spielwaren-, Porzellan-, z. T. Textilindustrie und Baugewerbe wird
eingeschränkt. Die sich daraus ergebenden Verteuerungen und Einschränkungen
der Lebenshaltung werden allgemein gern ertragen. Der Vorteil, her in
Sparsamkeit des Verbrauchs liegt, überwiegt hier einen Ausfall an Produk¬
tionsgewinn. Es wäre aber auch in der Kriegszeit eine lohnende Produktion
nicht notwendiger Friedenswerte sehr erschwert, da die Tatsache des Krieges
allein und die daraus sich ergebenden wirtschaftlichen Sorgen für jeden
einzelnen die Nachfrage nach den leichter entbehrlichen Gütern zurückgedrängt
haben; hierzu kommt, daß unsere Ausfuhr ja durch die englische Blockade
ziemlich lahmgelegt ist. Es würde also ohne die befruchtenden Milliardeu-
bestellungen des Staates im Inland während des Krieges Arbeitslosigkeit
und Not der minderbemittelten Klassen eintreten, welche bei uns im großen
und ganzen vermieden worden ist. Die beim Kriegsanfang stark gestiegene
Arbeitslosigkeit ist durch die Abwanderung der Arbeiter in die Kriegsindustrieen
heute im allgemeinen unter das Normalmaß im Frieden herabgesunken.*)

Die sonst brach liegenden Volkskräfte werden durch die Organisation
der Kriegswirtschaft zur Bedarfsdeckung herangezogen. Die dadurch erzielte
Mehrleistung gegenüber friedensmäßiger Produktion bedeutet reinen Gewinn
und ist unmittelbare Folge der Verwendung des Geldes im Lande.**) Daß
die Arbeit auch eine lohnende für die Arbeiterschaft ist, erweisen die vielfach
auf das Doppelte gestiegenen Löhne in den Industriebezirken, sowie die Tat¬
sache, daß Streiks während der Klicgszeit biss-r bei uns wenig vorgekommen
sind. Es sind bei uns in der Zeit vom 1. September 1914 bis 31. August 1915
durch Streiks nur 37838 Arbeitstage verloren worden, gegenüber 2,9 Millionen
in England.***)

Daß wir unseren Kriegsbedarf im wesentlichen im Inlande decken,
geschieht nun allerdings nicht ganz freiwillig, sondern ist eine Folge der





*) Vergl. Böttger, Das Geld im Kriege. S. 28/29.
") Dies betont auch besonders Heat a, a. O.
-) Vergl. Dresdener Bank a, a. O., S. 13.
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[0082] Das Geld bleibt im Lande Kapitalbilduug der an der Kriegsproduktion beteiligten Organisationen und Volksschichten. Für die großen Werke ist das aus deren bekanntgegebenen Zeichnungsziffern jedenfalls bewiesen. Auf der andern Seite ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Volks¬ kräfte, welche zur Erzeugung des Kriegsmaterials im Inland in Anspruch genommen werden, von ihrer bisherigen nach rein wirtschaftlichen Gesichts¬ punkten geregelten Produktion abgelenkt werden und nicht in der Lage sind, diejenigen Güter zu schaffen, welche sie ohne jene Inanspruchnahme produziert haben würden. Aber bei näherem Zusehen fällt auch dieser Nachteil nur wenig ins Gewicht. Es wird alles zum Bedarf Notwendige ohnehin produ¬ ziert. Nur das Entbehrliche, die Luxusproduktion, z. B. Papier-Galanterie¬ waren-, Spielwaren-, Porzellan-, z. T. Textilindustrie und Baugewerbe wird eingeschränkt. Die sich daraus ergebenden Verteuerungen und Einschränkungen der Lebenshaltung werden allgemein gern ertragen. Der Vorteil, her in Sparsamkeit des Verbrauchs liegt, überwiegt hier einen Ausfall an Produk¬ tionsgewinn. Es wäre aber auch in der Kriegszeit eine lohnende Produktion nicht notwendiger Friedenswerte sehr erschwert, da die Tatsache des Krieges allein und die daraus sich ergebenden wirtschaftlichen Sorgen für jeden einzelnen die Nachfrage nach den leichter entbehrlichen Gütern zurückgedrängt haben; hierzu kommt, daß unsere Ausfuhr ja durch die englische Blockade ziemlich lahmgelegt ist. Es würde also ohne die befruchtenden Milliardeu- bestellungen des Staates im Inland während des Krieges Arbeitslosigkeit und Not der minderbemittelten Klassen eintreten, welche bei uns im großen und ganzen vermieden worden ist. Die beim Kriegsanfang stark gestiegene Arbeitslosigkeit ist durch die Abwanderung der Arbeiter in die Kriegsindustrieen heute im allgemeinen unter das Normalmaß im Frieden herabgesunken.*) Die sonst brach liegenden Volkskräfte werden durch die Organisation der Kriegswirtschaft zur Bedarfsdeckung herangezogen. Die dadurch erzielte Mehrleistung gegenüber friedensmäßiger Produktion bedeutet reinen Gewinn und ist unmittelbare Folge der Verwendung des Geldes im Lande.**) Daß die Arbeit auch eine lohnende für die Arbeiterschaft ist, erweisen die vielfach auf das Doppelte gestiegenen Löhne in den Industriebezirken, sowie die Tat¬ sache, daß Streiks während der Klicgszeit biss-r bei uns wenig vorgekommen sind. Es sind bei uns in der Zeit vom 1. September 1914 bis 31. August 1915 durch Streiks nur 37838 Arbeitstage verloren worden, gegenüber 2,9 Millionen in England.***) Daß wir unseren Kriegsbedarf im wesentlichen im Inlande decken, geschieht nun allerdings nicht ganz freiwillig, sondern ist eine Folge der *) Vergl. Böttger, Das Geld im Kriege. S. 28/29. ") Dies betont auch besonders Heat a, a. O. -) Vergl. Dresdener Bank a, a. O., S. 13.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/82>, abgerufen am 01.09.2024.