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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Las Geld bleibt im Lande

deren Nahrungsmittellieferung, bilden sie gleichfalls deren Einkommen, ver¬
mindert nur um den Betrag, um welchen das in der Landwirtschaft arbeitende
Kapital etwa aufgezehrt wird. Das kommt für den Ackerbau nicht in Betracht,
da der Grund und Boden ja erhalten bleibt, wohl aber für die über deu
Umfang einer Jahresproduktion hinaus erfolgten Viehverkäufe; so ist unser
Bestand an Schweinen durch besonders große Abschlachtunqen, welche wegen
der Futtermittelknappheit geboten erschienen, stark zurückgegangen, und zwar von
25.6 Millionen am 1. Dezember 1913 auf 19.2 Million am 1. Oktober 1915.
Der Bestand an Rindvieh hat sich nur ganz geringfügig vermindert, derjenige
an Schafen und Ziegen ist noch gestiegen. Also auch hier kein wirklich ernstlich
ins Gewicht fallender Verlust all Nationalvermögen.

Das Ergebnis ist also, daß in einem Staat, welcher, wie etwa das Deutsche
Reich, für 10 Milliarden Kriegmaterial und Nahrungsmittel im Inland kauft,
damit der heimischen Bevölkerung ein Einkommen von annähernd 10 Milliarden
schafft, sodaß also da Ausgabe und Einnahme sich die Wage halten, das
Volksvermögen hierdurch allein keine Minderung erfährt.*)

Allein die Einkommensteuer, welche hiervon im Deutschen Reiche durch
Staat und Gemeinden erhoben wird, dürfte 1--1^2 Milliarden Mark betragen,
eine Summe, welche unmittelbar den öffentlichen Bedürfnissen wieder zufließt.
Die an diesen Kriegseinkünften teilhabenden weiten Bevölkerungsschichten.
Fabrikanten, Angestellte, Arbeiter, Landwirte, werden in die Lage gesetzt,
trotz der allgemeinen Kriegsteuerung ihren Unterhalt selbst ohne Inanspruch¬
nahme öffentlicher Unterstützungen zu schreiten, und den vielfach nicht uner¬
heblichen Überschuß über ihren Verbrauch zur Kapitalbildung und damit zur
Stärkung des Nationalvermögens zu benutzen. Hierfür mag als Beleg dienen
eine Statistik der Deutschen Sparkassen, wonach diese für sich und ihre Ein¬
leger 4^/2 Milliarden Mark der und III. Kriegsanleihe übernommen haben
und trotzdem der Gesamtbestand an Sparguthaben sich bis März 1916 noch
um etwa 500 Millionen Mark vermehrt hat gegenüber dem Stande
von 1914.**)

Den besten Beweis für die kapitalvildmde Wirkung der inländischen
Kriegsproduktion aber bildet das riesenhafte Ergebnis der Kriegsanleihen.
Wenn in 4 Anleihen innerhalb zweier Jahre 36^ Milliarden Mark auf lange
Fristen aufgebracht werden konnten, so kann das erklärt werden nicht nur aus
der Verwendung von im Kriege brach liegendem Kapital etwa aus Export,
Luxus, Industrie, Handel, Schiffahrt, sondern zum wesentlichen Teil aus der




*) Für daS Deutsche Reich dürfte unter Zugrundelegung eines Jahreseinkommens
von etwa 40 Milliarden (Schätzung vor dem Kriege) und reiner Kriegsaufwendungen von
jährlich etwa 25 Milliarden anzunehmen sein, daß mehr als die Hälfte des Volksein¬
kommens im Kriege durch die inländische Kriegsproduktion unmittelbar und mittelbar
geschaffen wird.
Helfferich im Reichstage vom 16. Mürz 1916,
Las Geld bleibt im Lande

deren Nahrungsmittellieferung, bilden sie gleichfalls deren Einkommen, ver¬
mindert nur um den Betrag, um welchen das in der Landwirtschaft arbeitende
Kapital etwa aufgezehrt wird. Das kommt für den Ackerbau nicht in Betracht,
da der Grund und Boden ja erhalten bleibt, wohl aber für die über deu
Umfang einer Jahresproduktion hinaus erfolgten Viehverkäufe; so ist unser
Bestand an Schweinen durch besonders große Abschlachtunqen, welche wegen
der Futtermittelknappheit geboten erschienen, stark zurückgegangen, und zwar von
25.6 Millionen am 1. Dezember 1913 auf 19.2 Million am 1. Oktober 1915.
Der Bestand an Rindvieh hat sich nur ganz geringfügig vermindert, derjenige
an Schafen und Ziegen ist noch gestiegen. Also auch hier kein wirklich ernstlich
ins Gewicht fallender Verlust all Nationalvermögen.

Das Ergebnis ist also, daß in einem Staat, welcher, wie etwa das Deutsche
Reich, für 10 Milliarden Kriegmaterial und Nahrungsmittel im Inland kauft,
damit der heimischen Bevölkerung ein Einkommen von annähernd 10 Milliarden
schafft, sodaß also da Ausgabe und Einnahme sich die Wage halten, das
Volksvermögen hierdurch allein keine Minderung erfährt.*)

Allein die Einkommensteuer, welche hiervon im Deutschen Reiche durch
Staat und Gemeinden erhoben wird, dürfte 1—1^2 Milliarden Mark betragen,
eine Summe, welche unmittelbar den öffentlichen Bedürfnissen wieder zufließt.
Die an diesen Kriegseinkünften teilhabenden weiten Bevölkerungsschichten.
Fabrikanten, Angestellte, Arbeiter, Landwirte, werden in die Lage gesetzt,
trotz der allgemeinen Kriegsteuerung ihren Unterhalt selbst ohne Inanspruch¬
nahme öffentlicher Unterstützungen zu schreiten, und den vielfach nicht uner¬
heblichen Überschuß über ihren Verbrauch zur Kapitalbildung und damit zur
Stärkung des Nationalvermögens zu benutzen. Hierfür mag als Beleg dienen
eine Statistik der Deutschen Sparkassen, wonach diese für sich und ihre Ein¬
leger 4^/2 Milliarden Mark der und III. Kriegsanleihe übernommen haben
und trotzdem der Gesamtbestand an Sparguthaben sich bis März 1916 noch
um etwa 500 Millionen Mark vermehrt hat gegenüber dem Stande
von 1914.**)

Den besten Beweis für die kapitalvildmde Wirkung der inländischen
Kriegsproduktion aber bildet das riesenhafte Ergebnis der Kriegsanleihen.
Wenn in 4 Anleihen innerhalb zweier Jahre 36^ Milliarden Mark auf lange
Fristen aufgebracht werden konnten, so kann das erklärt werden nicht nur aus
der Verwendung von im Kriege brach liegendem Kapital etwa aus Export,
Luxus, Industrie, Handel, Schiffahrt, sondern zum wesentlichen Teil aus der




*) Für daS Deutsche Reich dürfte unter Zugrundelegung eines Jahreseinkommens
von etwa 40 Milliarden (Schätzung vor dem Kriege) und reiner Kriegsaufwendungen von
jährlich etwa 25 Milliarden anzunehmen sein, daß mehr als die Hälfte des Volksein¬
kommens im Kriege durch die inländische Kriegsproduktion unmittelbar und mittelbar
geschaffen wird.
Helfferich im Reichstage vom 16. Mürz 1916,
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[0081] Las Geld bleibt im Lande deren Nahrungsmittellieferung, bilden sie gleichfalls deren Einkommen, ver¬ mindert nur um den Betrag, um welchen das in der Landwirtschaft arbeitende Kapital etwa aufgezehrt wird. Das kommt für den Ackerbau nicht in Betracht, da der Grund und Boden ja erhalten bleibt, wohl aber für die über deu Umfang einer Jahresproduktion hinaus erfolgten Viehverkäufe; so ist unser Bestand an Schweinen durch besonders große Abschlachtunqen, welche wegen der Futtermittelknappheit geboten erschienen, stark zurückgegangen, und zwar von 25.6 Millionen am 1. Dezember 1913 auf 19.2 Million am 1. Oktober 1915. Der Bestand an Rindvieh hat sich nur ganz geringfügig vermindert, derjenige an Schafen und Ziegen ist noch gestiegen. Also auch hier kein wirklich ernstlich ins Gewicht fallender Verlust all Nationalvermögen. Das Ergebnis ist also, daß in einem Staat, welcher, wie etwa das Deutsche Reich, für 10 Milliarden Kriegmaterial und Nahrungsmittel im Inland kauft, damit der heimischen Bevölkerung ein Einkommen von annähernd 10 Milliarden schafft, sodaß also da Ausgabe und Einnahme sich die Wage halten, das Volksvermögen hierdurch allein keine Minderung erfährt.*) Allein die Einkommensteuer, welche hiervon im Deutschen Reiche durch Staat und Gemeinden erhoben wird, dürfte 1—1^2 Milliarden Mark betragen, eine Summe, welche unmittelbar den öffentlichen Bedürfnissen wieder zufließt. Die an diesen Kriegseinkünften teilhabenden weiten Bevölkerungsschichten. Fabrikanten, Angestellte, Arbeiter, Landwirte, werden in die Lage gesetzt, trotz der allgemeinen Kriegsteuerung ihren Unterhalt selbst ohne Inanspruch¬ nahme öffentlicher Unterstützungen zu schreiten, und den vielfach nicht uner¬ heblichen Überschuß über ihren Verbrauch zur Kapitalbildung und damit zur Stärkung des Nationalvermögens zu benutzen. Hierfür mag als Beleg dienen eine Statistik der Deutschen Sparkassen, wonach diese für sich und ihre Ein¬ leger 4^/2 Milliarden Mark der und III. Kriegsanleihe übernommen haben und trotzdem der Gesamtbestand an Sparguthaben sich bis März 1916 noch um etwa 500 Millionen Mark vermehrt hat gegenüber dem Stande von 1914.**) Den besten Beweis für die kapitalvildmde Wirkung der inländischen Kriegsproduktion aber bildet das riesenhafte Ergebnis der Kriegsanleihen. Wenn in 4 Anleihen innerhalb zweier Jahre 36^ Milliarden Mark auf lange Fristen aufgebracht werden konnten, so kann das erklärt werden nicht nur aus der Verwendung von im Kriege brach liegendem Kapital etwa aus Export, Luxus, Industrie, Handel, Schiffahrt, sondern zum wesentlichen Teil aus der *) Für daS Deutsche Reich dürfte unter Zugrundelegung eines Jahreseinkommens von etwa 40 Milliarden (Schätzung vor dem Kriege) und reiner Kriegsaufwendungen von jährlich etwa 25 Milliarden anzunehmen sein, daß mehr als die Hälfte des Volksein¬ kommens im Kriege durch die inländische Kriegsproduktion unmittelbar und mittelbar geschaffen wird. Helfferich im Reichstage vom 16. Mürz 1916,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/81>, abgerufen am 01.09.2024.