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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Das Geld bleibt im Lande

dürften die aus rein friedensmäßiger Arbeit und Erzeugung sich ergebenden
Auslandsguthaben, die allerdings noch durch die erhebliche Rohmaterialausfuhr
der Kolonien verstärkt werden, doch bei weitem nicht zur Bezahlung der hohen
amerikanischen Kriegsrechnungen ausreichen. Der Fehlbetrag muß im wesent¬
lichen aufgebracht werden durch die Abstoßung des großen englischen Besitzes
an ausländischen, insbesondere amerikanischen Wertpapieren, welche ja seit De¬
zember 1915 durch die englische Regierung selbst in die Wege geleitet wird.
Das Kapital, das England auf diese Weise seit Kriegsbeginn aus dem Ausland
zurückgezogen hat, beträgt nicht weniger als 400 Millionen Pfund, d. i. 8 Mil¬
liarden Mark/) England verliert aber damit die wertvollste Reserve seines
Nationalvermögens. Ein dann noch verbleibender Bedarf an Zahlungsmitteln
wird durch Aufnahme von Anleihen im Ausland gedeckt, wie ja das amerika¬
nische Bankhaus Morgan u. Co. eine solche für England in Höhe von 500
Millionen Dollars vermittelt hat; hierzu dürften mehrere kleinere, mehr privaten
Charakters hinzukommen; eine neue große Anleihe soll nach Zeitungsmeldungen in
Vorbereitung sein. Die Kosten solcher Auslandsanleihen sind nicht unerheblich
größer als die unserer Kriegsanleihen imJnland. So muß England für die Morgan-
Anleihe aufwenden an Netto-Zinsen einschließlich Tilgungsquote 6.01 Prozent,
während unsere dritte große Kriegsanleihe, die mehr als 12 Milliarden Mark
erbracht hat, nur 5,16 Prozent Aufwendungen erfordert. Das reiche Frankreich
mußte allerdings auch für seine letzte große Inlandsanleihe, die weniger er-
brachte als die unsere, sogar 6,58Prozent aufwenden.**) Diese Zahlen erscheinen für
die Gegner noch ungünstiger, wenn man berücksichtigt, daß England sowohl wie
Frankreich vor dem Kriege in der Lage waren, ihre Staatsanleihen um
Vs^l Prozent niedriger zu verzinsen als Deutschland, entsprechend dem all¬
gemein niederen Zinsfuß in diesen Ländern.

Das Ergebnis ist, daß die Auslandslieferungen an England nur zum
kleinsten Teile durch das in sich ja wertlose Metall bezahlt werden, in der
Hauptsache durch Hingabe wirtschaftlicher Güter und Arbeitsleistungen, durch
Übertragung produktiven Auslandskapitals und durch Eingehung dauernder
Schulden zu ungünstigen Bedingungen. Hierzu kommt, daß der dafür ein¬
getauschte Kriegsbedarf an wahrem wirtschaftlichen Wert den Aufwendungen
nicht entsprechen dürfte, da die ausländischen Kriegsmaterialproduzenten, un-
beeinflußt durch patriotische Rücksichten und gesetzliche Einengungen***) die höchsten
Preise von dem Kriegsmaterial bedürftigen Lande zu erzielen in der Lage sind.
Als Beleg hierfür mag dienen die Preisentwicklung für Bessemer-Stahl, das





*) Bortrag d-s Sir George Paish in der Kgl. Statistischen Gesellschaft in London am
21. März 1916."
**) Bergl. "Die wirtschaftlichen Kräfte Deutschlands im Kriege. Herausgegeben von der
Dresdener Bank. Seite 19.
***) Man denke an die zahlreichen Beschlagnahmen und Höchstpreisfestsetzungen bei uns,
sowie die Strafen auf übermäßige Vorteile aus Kriegslieferungen.
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Das Geld bleibt im Lande

dürften die aus rein friedensmäßiger Arbeit und Erzeugung sich ergebenden
Auslandsguthaben, die allerdings noch durch die erhebliche Rohmaterialausfuhr
der Kolonien verstärkt werden, doch bei weitem nicht zur Bezahlung der hohen
amerikanischen Kriegsrechnungen ausreichen. Der Fehlbetrag muß im wesent¬
lichen aufgebracht werden durch die Abstoßung des großen englischen Besitzes
an ausländischen, insbesondere amerikanischen Wertpapieren, welche ja seit De¬
zember 1915 durch die englische Regierung selbst in die Wege geleitet wird.
Das Kapital, das England auf diese Weise seit Kriegsbeginn aus dem Ausland
zurückgezogen hat, beträgt nicht weniger als 400 Millionen Pfund, d. i. 8 Mil¬
liarden Mark/) England verliert aber damit die wertvollste Reserve seines
Nationalvermögens. Ein dann noch verbleibender Bedarf an Zahlungsmitteln
wird durch Aufnahme von Anleihen im Ausland gedeckt, wie ja das amerika¬
nische Bankhaus Morgan u. Co. eine solche für England in Höhe von 500
Millionen Dollars vermittelt hat; hierzu dürften mehrere kleinere, mehr privaten
Charakters hinzukommen; eine neue große Anleihe soll nach Zeitungsmeldungen in
Vorbereitung sein. Die Kosten solcher Auslandsanleihen sind nicht unerheblich
größer als die unserer Kriegsanleihen imJnland. So muß England für die Morgan-
Anleihe aufwenden an Netto-Zinsen einschließlich Tilgungsquote 6.01 Prozent,
während unsere dritte große Kriegsanleihe, die mehr als 12 Milliarden Mark
erbracht hat, nur 5,16 Prozent Aufwendungen erfordert. Das reiche Frankreich
mußte allerdings auch für seine letzte große Inlandsanleihe, die weniger er-
brachte als die unsere, sogar 6,58Prozent aufwenden.**) Diese Zahlen erscheinen für
die Gegner noch ungünstiger, wenn man berücksichtigt, daß England sowohl wie
Frankreich vor dem Kriege in der Lage waren, ihre Staatsanleihen um
Vs^l Prozent niedriger zu verzinsen als Deutschland, entsprechend dem all¬
gemein niederen Zinsfuß in diesen Ländern.

Das Ergebnis ist, daß die Auslandslieferungen an England nur zum
kleinsten Teile durch das in sich ja wertlose Metall bezahlt werden, in der
Hauptsache durch Hingabe wirtschaftlicher Güter und Arbeitsleistungen, durch
Übertragung produktiven Auslandskapitals und durch Eingehung dauernder
Schulden zu ungünstigen Bedingungen. Hierzu kommt, daß der dafür ein¬
getauschte Kriegsbedarf an wahrem wirtschaftlichen Wert den Aufwendungen
nicht entsprechen dürfte, da die ausländischen Kriegsmaterialproduzenten, un-
beeinflußt durch patriotische Rücksichten und gesetzliche Einengungen***) die höchsten
Preise von dem Kriegsmaterial bedürftigen Lande zu erzielen in der Lage sind.
Als Beleg hierfür mag dienen die Preisentwicklung für Bessemer-Stahl, das





*) Bortrag d-s Sir George Paish in der Kgl. Statistischen Gesellschaft in London am
21. März 1916."
**) Bergl. „Die wirtschaftlichen Kräfte Deutschlands im Kriege. Herausgegeben von der
Dresdener Bank. Seite 19.
***) Man denke an die zahlreichen Beschlagnahmen und Höchstpreisfestsetzungen bei uns,
sowie die Strafen auf übermäßige Vorteile aus Kriegslieferungen.
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[0079] Das Geld bleibt im Lande dürften die aus rein friedensmäßiger Arbeit und Erzeugung sich ergebenden Auslandsguthaben, die allerdings noch durch die erhebliche Rohmaterialausfuhr der Kolonien verstärkt werden, doch bei weitem nicht zur Bezahlung der hohen amerikanischen Kriegsrechnungen ausreichen. Der Fehlbetrag muß im wesent¬ lichen aufgebracht werden durch die Abstoßung des großen englischen Besitzes an ausländischen, insbesondere amerikanischen Wertpapieren, welche ja seit De¬ zember 1915 durch die englische Regierung selbst in die Wege geleitet wird. Das Kapital, das England auf diese Weise seit Kriegsbeginn aus dem Ausland zurückgezogen hat, beträgt nicht weniger als 400 Millionen Pfund, d. i. 8 Mil¬ liarden Mark/) England verliert aber damit die wertvollste Reserve seines Nationalvermögens. Ein dann noch verbleibender Bedarf an Zahlungsmitteln wird durch Aufnahme von Anleihen im Ausland gedeckt, wie ja das amerika¬ nische Bankhaus Morgan u. Co. eine solche für England in Höhe von 500 Millionen Dollars vermittelt hat; hierzu dürften mehrere kleinere, mehr privaten Charakters hinzukommen; eine neue große Anleihe soll nach Zeitungsmeldungen in Vorbereitung sein. Die Kosten solcher Auslandsanleihen sind nicht unerheblich größer als die unserer Kriegsanleihen imJnland. So muß England für die Morgan- Anleihe aufwenden an Netto-Zinsen einschließlich Tilgungsquote 6.01 Prozent, während unsere dritte große Kriegsanleihe, die mehr als 12 Milliarden Mark erbracht hat, nur 5,16 Prozent Aufwendungen erfordert. Das reiche Frankreich mußte allerdings auch für seine letzte große Inlandsanleihe, die weniger er- brachte als die unsere, sogar 6,58Prozent aufwenden.**) Diese Zahlen erscheinen für die Gegner noch ungünstiger, wenn man berücksichtigt, daß England sowohl wie Frankreich vor dem Kriege in der Lage waren, ihre Staatsanleihen um Vs^l Prozent niedriger zu verzinsen als Deutschland, entsprechend dem all¬ gemein niederen Zinsfuß in diesen Ländern. Das Ergebnis ist, daß die Auslandslieferungen an England nur zum kleinsten Teile durch das in sich ja wertlose Metall bezahlt werden, in der Hauptsache durch Hingabe wirtschaftlicher Güter und Arbeitsleistungen, durch Übertragung produktiven Auslandskapitals und durch Eingehung dauernder Schulden zu ungünstigen Bedingungen. Hierzu kommt, daß der dafür ein¬ getauschte Kriegsbedarf an wahrem wirtschaftlichen Wert den Aufwendungen nicht entsprechen dürfte, da die ausländischen Kriegsmaterialproduzenten, un- beeinflußt durch patriotische Rücksichten und gesetzliche Einengungen***) die höchsten Preise von dem Kriegsmaterial bedürftigen Lande zu erzielen in der Lage sind. Als Beleg hierfür mag dienen die Preisentwicklung für Bessemer-Stahl, das *) Bortrag d-s Sir George Paish in der Kgl. Statistischen Gesellschaft in London am 21. März 1916." **) Bergl. „Die wirtschaftlichen Kräfte Deutschlands im Kriege. Herausgegeben von der Dresdener Bank. Seite 19. ***) Man denke an die zahlreichen Beschlagnahmen und Höchstpreisfestsetzungen bei uns, sowie die Strafen auf übermäßige Vorteile aus Kriegslieferungen. 5*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/79>, abgerufen am 01.09.2024.