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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Das Geld bleibt im Lande

da der natürliche Reichtum des Landes an Rohstoffen nicht vermindert und die
Arbeitsleistungen der Bewohner ihren allgemeinen wirtschaftlichen Zwecken nicht
entzogen seien, da das Geld aber keinen Wert in sich habe, sondern nur ein
Maßstab wirtschaftlicher Werte sei, so werde ein Land dadurch nicht ärmer,
daß bares Geld in das Ausland fließe, sobald nur die entsprechenden Gegenwerte
damit erworben würden. Dies wäre richtig, wenn wirklich in "barem Gelde"
gezahlt würde. Das geschieht aber nicht und kann gar nicht geschehen, da ein
einzelner Staat, und sei er auch das goldreiche England, soviel "bares Geld"
d. i. im internationalen Verkehr ausschließlich Gold, gar nicht besitzt. Wie die
Deutsche Reichsbank einen Goldvorrat von annähernd 2^ Milliarden Mark aus¬
weist, während allerdings seit Beginn unserer Münzreform mehr als 5 Milliarden
Mark deutscher Goldmünzen geprägt worden sind,*) so wird man bei einem Gold¬
vorrat der Bank von England von nur wenig über 1 Milliarde Mark den gesamten
Goldbestand in England, wennschon das Gold dort noch im freien Verkehr umläuft,
doch auf sicherlich nicht mehr als 5 oder höchstens 6 Milliarden Mark schätzen dürfen.
Wie bei uns, so kommen aber auch in England nur verhältnismäßig geringe
Mengen Goldes zur Ausfuhr, um damit die Lieferungen des Auslands, be¬
sonders Amerikas zu bezahlen. Mehr noch als wir, ist England, welches um
die Aufrechterhaltung seiner Rolle als Weltbankier kämpft, darauf angewiesen,
große Goldbestände im Lande zu halten, um dadurch das Vertrauen in seine
Währung aufrecht zu erhalten und einem Sinken des Sterlingkurses durch ge¬
legentliche Goldausfuhr jederzeit begegnen zu können. Die Goldzahlungen
Englands für Kriegsmaterial ans Ausland werden schwerlich wenige Millionen
Mark überstiegen haben, stellen also ini Verhältnis zu den Milliardenwerten
keinen entscheidenden Betrag dar. Ähnlich steht es mit den anderen Staaten
der Entente, die ihren Goldvorrat, wie die Ausweise der Notenbanken ver¬
raten, ängstlich gewahrt haben, und von denen Frankreich und Rußland sogar
verfügbare Goldmengen nicht an das materialliefernde Ausland, sondern gerade
nach England als Sicherheit für die von diesem den Bundesgenossen gewährten
Kredite ausgeführt haben, welche den ungeheuren Betrag von 90 Milliarden
erreicht haben sollen.**) Womit bezahlt nun aber England die amerikanischen
Milliardenlieferungen? Zu einem Teil dienen dazu die Ausfuhr eigener Pro-
dickte ins Ausland, sowie die Leistungen seiner Handelsschiffahrt und Geldver¬
mittlung; die daraus im Auslande entstehenden Guthaben werden gegen die
Auslandsforderungen aus Kriegsmateriallieferung aufgerechnet. Da aber auch
die Wirtschaft Englands sich auf unmittelbare Kriegsproduktion eingestellt hat,




*) Ein Teil des deutschen Goldes muß sich noch in Privatbesitz befinden, ein größerer
Teil wird zu industriellen und Schmuckzwecken verarbeitet worden sein, sowie bereits vor dem
Kriege ins Ausland abgeflossen sein.
**) Vortrag des Sir George Paish in der Kgl. Statistischen Gesellschaft in London am
21. März 1916.
Das Geld bleibt im Lande

da der natürliche Reichtum des Landes an Rohstoffen nicht vermindert und die
Arbeitsleistungen der Bewohner ihren allgemeinen wirtschaftlichen Zwecken nicht
entzogen seien, da das Geld aber keinen Wert in sich habe, sondern nur ein
Maßstab wirtschaftlicher Werte sei, so werde ein Land dadurch nicht ärmer,
daß bares Geld in das Ausland fließe, sobald nur die entsprechenden Gegenwerte
damit erworben würden. Dies wäre richtig, wenn wirklich in „barem Gelde"
gezahlt würde. Das geschieht aber nicht und kann gar nicht geschehen, da ein
einzelner Staat, und sei er auch das goldreiche England, soviel „bares Geld"
d. i. im internationalen Verkehr ausschließlich Gold, gar nicht besitzt. Wie die
Deutsche Reichsbank einen Goldvorrat von annähernd 2^ Milliarden Mark aus¬
weist, während allerdings seit Beginn unserer Münzreform mehr als 5 Milliarden
Mark deutscher Goldmünzen geprägt worden sind,*) so wird man bei einem Gold¬
vorrat der Bank von England von nur wenig über 1 Milliarde Mark den gesamten
Goldbestand in England, wennschon das Gold dort noch im freien Verkehr umläuft,
doch auf sicherlich nicht mehr als 5 oder höchstens 6 Milliarden Mark schätzen dürfen.
Wie bei uns, so kommen aber auch in England nur verhältnismäßig geringe
Mengen Goldes zur Ausfuhr, um damit die Lieferungen des Auslands, be¬
sonders Amerikas zu bezahlen. Mehr noch als wir, ist England, welches um
die Aufrechterhaltung seiner Rolle als Weltbankier kämpft, darauf angewiesen,
große Goldbestände im Lande zu halten, um dadurch das Vertrauen in seine
Währung aufrecht zu erhalten und einem Sinken des Sterlingkurses durch ge¬
legentliche Goldausfuhr jederzeit begegnen zu können. Die Goldzahlungen
Englands für Kriegsmaterial ans Ausland werden schwerlich wenige Millionen
Mark überstiegen haben, stellen also ini Verhältnis zu den Milliardenwerten
keinen entscheidenden Betrag dar. Ähnlich steht es mit den anderen Staaten
der Entente, die ihren Goldvorrat, wie die Ausweise der Notenbanken ver¬
raten, ängstlich gewahrt haben, und von denen Frankreich und Rußland sogar
verfügbare Goldmengen nicht an das materialliefernde Ausland, sondern gerade
nach England als Sicherheit für die von diesem den Bundesgenossen gewährten
Kredite ausgeführt haben, welche den ungeheuren Betrag von 90 Milliarden
erreicht haben sollen.**) Womit bezahlt nun aber England die amerikanischen
Milliardenlieferungen? Zu einem Teil dienen dazu die Ausfuhr eigener Pro-
dickte ins Ausland, sowie die Leistungen seiner Handelsschiffahrt und Geldver¬
mittlung; die daraus im Auslande entstehenden Guthaben werden gegen die
Auslandsforderungen aus Kriegsmateriallieferung aufgerechnet. Da aber auch
die Wirtschaft Englands sich auf unmittelbare Kriegsproduktion eingestellt hat,




*) Ein Teil des deutschen Goldes muß sich noch in Privatbesitz befinden, ein größerer
Teil wird zu industriellen und Schmuckzwecken verarbeitet worden sein, sowie bereits vor dem
Kriege ins Ausland abgeflossen sein.
**) Vortrag des Sir George Paish in der Kgl. Statistischen Gesellschaft in London am
21. März 1916.
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[0078] Das Geld bleibt im Lande da der natürliche Reichtum des Landes an Rohstoffen nicht vermindert und die Arbeitsleistungen der Bewohner ihren allgemeinen wirtschaftlichen Zwecken nicht entzogen seien, da das Geld aber keinen Wert in sich habe, sondern nur ein Maßstab wirtschaftlicher Werte sei, so werde ein Land dadurch nicht ärmer, daß bares Geld in das Ausland fließe, sobald nur die entsprechenden Gegenwerte damit erworben würden. Dies wäre richtig, wenn wirklich in „barem Gelde" gezahlt würde. Das geschieht aber nicht und kann gar nicht geschehen, da ein einzelner Staat, und sei er auch das goldreiche England, soviel „bares Geld" d. i. im internationalen Verkehr ausschließlich Gold, gar nicht besitzt. Wie die Deutsche Reichsbank einen Goldvorrat von annähernd 2^ Milliarden Mark aus¬ weist, während allerdings seit Beginn unserer Münzreform mehr als 5 Milliarden Mark deutscher Goldmünzen geprägt worden sind,*) so wird man bei einem Gold¬ vorrat der Bank von England von nur wenig über 1 Milliarde Mark den gesamten Goldbestand in England, wennschon das Gold dort noch im freien Verkehr umläuft, doch auf sicherlich nicht mehr als 5 oder höchstens 6 Milliarden Mark schätzen dürfen. Wie bei uns, so kommen aber auch in England nur verhältnismäßig geringe Mengen Goldes zur Ausfuhr, um damit die Lieferungen des Auslands, be¬ sonders Amerikas zu bezahlen. Mehr noch als wir, ist England, welches um die Aufrechterhaltung seiner Rolle als Weltbankier kämpft, darauf angewiesen, große Goldbestände im Lande zu halten, um dadurch das Vertrauen in seine Währung aufrecht zu erhalten und einem Sinken des Sterlingkurses durch ge¬ legentliche Goldausfuhr jederzeit begegnen zu können. Die Goldzahlungen Englands für Kriegsmaterial ans Ausland werden schwerlich wenige Millionen Mark überstiegen haben, stellen also ini Verhältnis zu den Milliardenwerten keinen entscheidenden Betrag dar. Ähnlich steht es mit den anderen Staaten der Entente, die ihren Goldvorrat, wie die Ausweise der Notenbanken ver¬ raten, ängstlich gewahrt haben, und von denen Frankreich und Rußland sogar verfügbare Goldmengen nicht an das materialliefernde Ausland, sondern gerade nach England als Sicherheit für die von diesem den Bundesgenossen gewährten Kredite ausgeführt haben, welche den ungeheuren Betrag von 90 Milliarden erreicht haben sollen.**) Womit bezahlt nun aber England die amerikanischen Milliardenlieferungen? Zu einem Teil dienen dazu die Ausfuhr eigener Pro- dickte ins Ausland, sowie die Leistungen seiner Handelsschiffahrt und Geldver¬ mittlung; die daraus im Auslande entstehenden Guthaben werden gegen die Auslandsforderungen aus Kriegsmateriallieferung aufgerechnet. Da aber auch die Wirtschaft Englands sich auf unmittelbare Kriegsproduktion eingestellt hat, *) Ein Teil des deutschen Goldes muß sich noch in Privatbesitz befinden, ein größerer Teil wird zu industriellen und Schmuckzwecken verarbeitet worden sein, sowie bereits vor dem Kriege ins Ausland abgeflossen sein. **) Vortrag des Sir George Paish in der Kgl. Statistischen Gesellschaft in London am 21. März 1916.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/78>, abgerufen am 01.09.2024.