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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Zur Reichslmchwoche s

gefüllt mit Spiel und Trinken. Aber viele würden ihre paar Mark gern
sparen, wenn sie sonst eine Anregung hätten. Und mancher, der im Frieden
nie ein Buch anrührte, könnte jetzt dauernd als Leser gewonnen werden. Denn
stärker als sonst prägen sich auch die innerlichen Erlebnisse dieser Kriegsmonate ein.

Es hätte schon so viel getan werden können und es ist im Grunde so
wenig getan worden. Zwei Kriegswinter sind vorbei, die vielen wie ein schwerer
Traum verstrichen sind, weil die Heimat, das müssen wir ohne Beschönigung ein¬
gestehen, ihre Pflicht ihren Verteidigern gegenüber nicht in jeder Hinsicht erfüllt hat.

Diese Reichsbuchwoche bietet Gelegenheit, Versäumtes nachzuholen. Sie
soll zeigen, ob wir aus der großen Zeit gelernt haben, ebenfalls etwas Großes,
weil Innerliches zu machen.

Wie in politischer, so wird auch jetzt in geistiger Beziehung über die
Zukunft der Völker Europas entschieden. Noch heute hört man oft genug die
Befürchtung aussprechen, eine der Folgen des Weltkrieges werde eine wachsende
Verrohung sein. Diese wird nicht eintreten, wenn wir die innerlichen Möglich¬
keiten ausnutzen, die sich jetzt bemerkbar machen. Dann wird er uns im
Gegenteil aus dem äußeren Firlefanz, der sich bei uns immer noch breit macht, über
unsere bisherige Zivilisation hinüber zu einer wirklichen, innerlichen Kultur führen.

Die Reichsbuchwoche ist keine wohltätige Veranstaltung wie irgendeine andere.
Sie ist die Willensäußerung unseres Volkes zum Emporsteigen oder Stehenbleiben.

Unsere Männer im Felde haben dieses Emporsteigen bejaht. Die Zurück¬
gebliebenen haben bisher zum großen Teil in Gleichgültigkeit verharrt. Auch
für sie ist die Stunde, sich aufzuraffen, jetzt da.

Und das wollen wir uns als Ausblick vergegenwärtigen, nicht nur für
eine kurze Woche dieses Jahres kommen diese Erwägungen in Betracht. Die
Bücher draußen nutzen sich weit schneller ab als daheim. Sie gehen durch zu
viele ungewandte, oft schmutzige Hände und sie sind allerlei Zufällen ausgesetzt.
Darum müssen sie häufiger ersetzt und ergänzt werden als in unseren Bibliotheken.

Die Angehörigen der im Felde stehenden Offiziere und Mannschaften müssen
auch in Zukunft handeln. Sie sollten kein Paket ins Feld schicken, ohne ein
Buch beizufügen. Und sie sollten keine Gelegenheit vorübergehen lassen, in
Bekanntenkreisen für die Notwendigkeit der Büchergaben Propaganda zu machen.

Doch das ist nur ein Ausblick. Die nächste Aufgabe gilt es in der
Neichsbuchwoche zu lösen. Und es muß erwartet werden, daß diesmal jeder
seine Pflicht tut. Eine Pflicht, die nicht nur die erfolgreiche Durchführung des
Krieges, sondern das sieghafte, innerliche Aufsteigen unseres Volkes im späteren
Frieden von uns verlangt.




Zur Reichslmchwoche s

gefüllt mit Spiel und Trinken. Aber viele würden ihre paar Mark gern
sparen, wenn sie sonst eine Anregung hätten. Und mancher, der im Frieden
nie ein Buch anrührte, könnte jetzt dauernd als Leser gewonnen werden. Denn
stärker als sonst prägen sich auch die innerlichen Erlebnisse dieser Kriegsmonate ein.

Es hätte schon so viel getan werden können und es ist im Grunde so
wenig getan worden. Zwei Kriegswinter sind vorbei, die vielen wie ein schwerer
Traum verstrichen sind, weil die Heimat, das müssen wir ohne Beschönigung ein¬
gestehen, ihre Pflicht ihren Verteidigern gegenüber nicht in jeder Hinsicht erfüllt hat.

Diese Reichsbuchwoche bietet Gelegenheit, Versäumtes nachzuholen. Sie
soll zeigen, ob wir aus der großen Zeit gelernt haben, ebenfalls etwas Großes,
weil Innerliches zu machen.

Wie in politischer, so wird auch jetzt in geistiger Beziehung über die
Zukunft der Völker Europas entschieden. Noch heute hört man oft genug die
Befürchtung aussprechen, eine der Folgen des Weltkrieges werde eine wachsende
Verrohung sein. Diese wird nicht eintreten, wenn wir die innerlichen Möglich¬
keiten ausnutzen, die sich jetzt bemerkbar machen. Dann wird er uns im
Gegenteil aus dem äußeren Firlefanz, der sich bei uns immer noch breit macht, über
unsere bisherige Zivilisation hinüber zu einer wirklichen, innerlichen Kultur führen.

Die Reichsbuchwoche ist keine wohltätige Veranstaltung wie irgendeine andere.
Sie ist die Willensäußerung unseres Volkes zum Emporsteigen oder Stehenbleiben.

Unsere Männer im Felde haben dieses Emporsteigen bejaht. Die Zurück¬
gebliebenen haben bisher zum großen Teil in Gleichgültigkeit verharrt. Auch
für sie ist die Stunde, sich aufzuraffen, jetzt da.

Und das wollen wir uns als Ausblick vergegenwärtigen, nicht nur für
eine kurze Woche dieses Jahres kommen diese Erwägungen in Betracht. Die
Bücher draußen nutzen sich weit schneller ab als daheim. Sie gehen durch zu
viele ungewandte, oft schmutzige Hände und sie sind allerlei Zufällen ausgesetzt.
Darum müssen sie häufiger ersetzt und ergänzt werden als in unseren Bibliotheken.

Die Angehörigen der im Felde stehenden Offiziere und Mannschaften müssen
auch in Zukunft handeln. Sie sollten kein Paket ins Feld schicken, ohne ein
Buch beizufügen. Und sie sollten keine Gelegenheit vorübergehen lassen, in
Bekanntenkreisen für die Notwendigkeit der Büchergaben Propaganda zu machen.

Doch das ist nur ein Ausblick. Die nächste Aufgabe gilt es in der
Neichsbuchwoche zu lösen. Und es muß erwartet werden, daß diesmal jeder
seine Pflicht tut. Eine Pflicht, die nicht nur die erfolgreiche Durchführung des
Krieges, sondern das sieghafte, innerliche Aufsteigen unseres Volkes im späteren
Frieden von uns verlangt.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/266>, abgerufen am 27.07.2024.