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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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deutsche Zeitungswelt mußte sich nach dem "Moniteur" richten, dem amtlichen
Organ der kaiserlichen Regierung. Da die englischen Blätter vom Festlande
abgesperrt waren, so hatte Napoleon als Journalist die Alleinherrschaft in der
Hand. Und er. der Zwingherr der Presse, war ein gewandter Journalist. In
seinen Erlassen, Reden, Tagesberichten, in der meisterhaften Handhabung des
"Moniteur" bewies er seine Kunst, die Seelen zu lenken. Geschickt wußte er
dem Nationalgeist zu schmeicheln, niemals hat er für das. was Frankreich nicht
zu bieten vermochte, ein Ersatzmittel in der Fremde gesucht. Die Zensurstriche,
Änderungen, Zusätze, die der Kaiser an dem Werke der Frau von Stael ,.ve
I'^IIemaZne" gemacht hat. und die durch späteren Abdruck als ein Denkmal
jener Zeit aufbewahrt sind, zeigen eine wahrhaft abderitische Kleinlichkeit. Der
anfänglichen Verstümmelung folgte überdies, wie bekannt, die gänzliche Unter"
drückung des Buches auf dem Fuße nach, allein der Beweggrund dieser klein¬
lichen Maßnahme war die Erwägung, daß das Werk nicht französisch, daß sein
geistiger Inhalt fremdartig, und volkswidrig sei. Niemals wurde der Pre߬
zwang unter Napoleon zu einer Erniedrigung des Nationalgeistes, im Gegen¬
teil, dieser erhob stolzer als jemals sein Haupt über die Völker Europas.

Napoleon hatte die französische Presse in straffe Zucht gebracht, er hatte
ihr feine Uniform angezogen, aber ihre Macht überlebte die seinige. Vergeblich
suchte während der Restaurationszeit die Regierung der Bourbonen die Pre߬
freiheit einzuschränken. Ludwig der Achtzehnte hob zunächst die Zensur auf,
um sie 1818 in gemäßigter Form wieder einzuführen. Durch ein Gesetz vom
19. Januar 1822 wurde bestimmt, daß ohne königliche Genehmigung keine
Zeitung mehr gegründet oder ausgegeben werden dürfe. Diese Zensur¬
vorschriften bestanden bis zum Regierungsantritt Karls des Zehnten, der durch
eine königliche Verordnung vom 29. September 1824 die Zensur wieder be¬
seitigte. Aber die Presse erfreute sich nicht lange dieser Freiheit: Karl der
Zehnte hatte, wie alle Bourbonen. "nichts gelernt und nichts vergessen" und
er ließ sich im Juli 1330 zu den berüchtigten sechs "Ordonanzen" hinreißen,
die den Lebensnerv der Presse empfindlich trafen und mit dazu beitrugen, die
Revolution herbeizuführen. Mit dem Julikönigtum riß die liberale Strömung
zunächst alle Preßschrcmken nieder, dann folgte wieder eine allmähliche Ein¬
dämmung des Zeitungswesens, aber die öffentliche Meinung hatte inzwischen
eine solche Macht erlangt, daß alle Versuche, die Presse dauernd niederzuhalten,
sich als vergeblich erwiesen. Der französische Journalismus erlebte jetzt eine
vorher nie gesehene Blüte. Diese neue Epoche setzte sofort mit der Thron¬
besteigung Ludwigs des Achtzehnter ein und erreichte während des Julikönig,
tuas ihren Höhepunkt. Das neuerwachte Parteileben schuf sich neue Organe.
Stimmführer des Liberalismus waren der "Causeur Europöen", "Jndöpendant",
"Courier frau<M", "Constitutionel", "Aristarque". Als weitere Vorkämpfer
dieser Partei traten "La Presse" (1833), "Siöcle" (1836), "Patrie" (1842)
ans den Plan; 1833 wurde der strengkatholische "Univers" ins Leben gerufen.


deutsche Zeitungswelt mußte sich nach dem „Moniteur" richten, dem amtlichen
Organ der kaiserlichen Regierung. Da die englischen Blätter vom Festlande
abgesperrt waren, so hatte Napoleon als Journalist die Alleinherrschaft in der
Hand. Und er. der Zwingherr der Presse, war ein gewandter Journalist. In
seinen Erlassen, Reden, Tagesberichten, in der meisterhaften Handhabung des
„Moniteur" bewies er seine Kunst, die Seelen zu lenken. Geschickt wußte er
dem Nationalgeist zu schmeicheln, niemals hat er für das. was Frankreich nicht
zu bieten vermochte, ein Ersatzmittel in der Fremde gesucht. Die Zensurstriche,
Änderungen, Zusätze, die der Kaiser an dem Werke der Frau von Stael ,.ve
I'^IIemaZne« gemacht hat. und die durch späteren Abdruck als ein Denkmal
jener Zeit aufbewahrt sind, zeigen eine wahrhaft abderitische Kleinlichkeit. Der
anfänglichen Verstümmelung folgte überdies, wie bekannt, die gänzliche Unter»
drückung des Buches auf dem Fuße nach, allein der Beweggrund dieser klein¬
lichen Maßnahme war die Erwägung, daß das Werk nicht französisch, daß sein
geistiger Inhalt fremdartig, und volkswidrig sei. Niemals wurde der Pre߬
zwang unter Napoleon zu einer Erniedrigung des Nationalgeistes, im Gegen¬
teil, dieser erhob stolzer als jemals sein Haupt über die Völker Europas.

Napoleon hatte die französische Presse in straffe Zucht gebracht, er hatte
ihr feine Uniform angezogen, aber ihre Macht überlebte die seinige. Vergeblich
suchte während der Restaurationszeit die Regierung der Bourbonen die Pre߬
freiheit einzuschränken. Ludwig der Achtzehnte hob zunächst die Zensur auf,
um sie 1818 in gemäßigter Form wieder einzuführen. Durch ein Gesetz vom
19. Januar 1822 wurde bestimmt, daß ohne königliche Genehmigung keine
Zeitung mehr gegründet oder ausgegeben werden dürfe. Diese Zensur¬
vorschriften bestanden bis zum Regierungsantritt Karls des Zehnten, der durch
eine königliche Verordnung vom 29. September 1824 die Zensur wieder be¬
seitigte. Aber die Presse erfreute sich nicht lange dieser Freiheit: Karl der
Zehnte hatte, wie alle Bourbonen. „nichts gelernt und nichts vergessen" und
er ließ sich im Juli 1330 zu den berüchtigten sechs „Ordonanzen" hinreißen,
die den Lebensnerv der Presse empfindlich trafen und mit dazu beitrugen, die
Revolution herbeizuführen. Mit dem Julikönigtum riß die liberale Strömung
zunächst alle Preßschrcmken nieder, dann folgte wieder eine allmähliche Ein¬
dämmung des Zeitungswesens, aber die öffentliche Meinung hatte inzwischen
eine solche Macht erlangt, daß alle Versuche, die Presse dauernd niederzuhalten,
sich als vergeblich erwiesen. Der französische Journalismus erlebte jetzt eine
vorher nie gesehene Blüte. Diese neue Epoche setzte sofort mit der Thron¬
besteigung Ludwigs des Achtzehnter ein und erreichte während des Julikönig,
tuas ihren Höhepunkt. Das neuerwachte Parteileben schuf sich neue Organe.
Stimmführer des Liberalismus waren der „Causeur Europöen", „Jndöpendant",
„Courier frau<M", „Constitutionel", „Aristarque". Als weitere Vorkämpfer
dieser Partei traten „La Presse" (1833), „Siöcle" (1836), „Patrie" (1842)
ans den Plan; 1833 wurde der strengkatholische „Univers" ins Leben gerufen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/25>, abgerufen am 22.12.2024.