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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Die Uriegslyrik der deutschen Arbeiter

Der deutschen Treue gilt sein Gedicht "Der Fahneneid". "Ausmarsch"
läßt uns den dröhnenden Schritt der Regimenter hören und gipfelt in dem
Soldatenschwur:

Die Champagneschlacht, die Heinrich Lersch mit erlebte, ist von ihm zu
einem Schlachtengemälde von eindringlichster Wirkung in seinen Dichtungen
geformt worden. Auch sein Leben hat nur an einem Faden gehangen, denn
"Granaten sprangen, wie der Herzschlag ging". Dem Feind ruft er entgegen:
"Ihr kommt nicht durch I Wir stehn wie Stahl und Stein!" Die furchtbare
Gewalt des französischen Ansturms schildert er in seinen Gedichten "Im Artillerie¬
feuer", "Kampfgesang" und "Morgenangriff". Jedes dieser Gedichte hat
sozusagen geschichtlichen Wert. Als Sänger der Champagneschlacht ist Heinrich
Lersch der Berufene geworden. Sein Arbeiterstand macht sich aber selbst in
einigen seiner Kriegsdichtungen 'erkennbar. In "Des Granatendrehers Kriegs¬
lied" z.B.: "Ich schrubbe dich, ich bohre dich, werdende Granate!" oder: "Es
knirscht der Stahl, der Riemen knirscht, Drehbank, du, surre, hause". Sieht
man hierbei nicht den Eisendreher am Arbeitswerk? Dann läßt er den "Weber"
im Schützengraben sein Lied singen. Die Arbeit des Leinenwebers gibt seiner
Dichtung Form und Gehalt. Wie geistvoll ist die Webstuhlarbeit mit der
Kriegszeit verglichen!

Wie sich seine eigene Berufsarbeit mit dem Kriege vergleichen läßt, zeigt
er in seiner Dichtung "Die große Schmiede". Eine Fülle von Gedanken gibt
ihm dieser Vergleich:

Das Ausschlagen der Granaten klingt ihm, als wenn auf Eisen geschlagen
wird. Der Krach der Wurfminen ist ihm wie das Stampfen einer großen
Nietmaschine. Das Arbeiten in den Sappen mit Spaten und Schaufeln vergleicht
er mit dem Geräusch kreischender Scheibenriemen im Fabrikräderwerk.


Die Uriegslyrik der deutschen Arbeiter

Der deutschen Treue gilt sein Gedicht „Der Fahneneid". „Ausmarsch"
läßt uns den dröhnenden Schritt der Regimenter hören und gipfelt in dem
Soldatenschwur:

Die Champagneschlacht, die Heinrich Lersch mit erlebte, ist von ihm zu
einem Schlachtengemälde von eindringlichster Wirkung in seinen Dichtungen
geformt worden. Auch sein Leben hat nur an einem Faden gehangen, denn
„Granaten sprangen, wie der Herzschlag ging". Dem Feind ruft er entgegen:
„Ihr kommt nicht durch I Wir stehn wie Stahl und Stein!" Die furchtbare
Gewalt des französischen Ansturms schildert er in seinen Gedichten „Im Artillerie¬
feuer", „Kampfgesang" und „Morgenangriff". Jedes dieser Gedichte hat
sozusagen geschichtlichen Wert. Als Sänger der Champagneschlacht ist Heinrich
Lersch der Berufene geworden. Sein Arbeiterstand macht sich aber selbst in
einigen seiner Kriegsdichtungen 'erkennbar. In „Des Granatendrehers Kriegs¬
lied" z.B.: „Ich schrubbe dich, ich bohre dich, werdende Granate!" oder: „Es
knirscht der Stahl, der Riemen knirscht, Drehbank, du, surre, hause". Sieht
man hierbei nicht den Eisendreher am Arbeitswerk? Dann läßt er den „Weber"
im Schützengraben sein Lied singen. Die Arbeit des Leinenwebers gibt seiner
Dichtung Form und Gehalt. Wie geistvoll ist die Webstuhlarbeit mit der
Kriegszeit verglichen!

Wie sich seine eigene Berufsarbeit mit dem Kriege vergleichen läßt, zeigt
er in seiner Dichtung „Die große Schmiede". Eine Fülle von Gedanken gibt
ihm dieser Vergleich:

Das Ausschlagen der Granaten klingt ihm, als wenn auf Eisen geschlagen
wird. Der Krach der Wurfminen ist ihm wie das Stampfen einer großen
Nietmaschine. Das Arbeiten in den Sappen mit Spaten und Schaufeln vergleicht
er mit dem Geräusch kreischender Scheibenriemen im Fabrikräderwerk.


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[0235] Die Uriegslyrik der deutschen Arbeiter Der deutschen Treue gilt sein Gedicht „Der Fahneneid". „Ausmarsch" läßt uns den dröhnenden Schritt der Regimenter hören und gipfelt in dem Soldatenschwur: Die Champagneschlacht, die Heinrich Lersch mit erlebte, ist von ihm zu einem Schlachtengemälde von eindringlichster Wirkung in seinen Dichtungen geformt worden. Auch sein Leben hat nur an einem Faden gehangen, denn „Granaten sprangen, wie der Herzschlag ging". Dem Feind ruft er entgegen: „Ihr kommt nicht durch I Wir stehn wie Stahl und Stein!" Die furchtbare Gewalt des französischen Ansturms schildert er in seinen Gedichten „Im Artillerie¬ feuer", „Kampfgesang" und „Morgenangriff". Jedes dieser Gedichte hat sozusagen geschichtlichen Wert. Als Sänger der Champagneschlacht ist Heinrich Lersch der Berufene geworden. Sein Arbeiterstand macht sich aber selbst in einigen seiner Kriegsdichtungen 'erkennbar. In „Des Granatendrehers Kriegs¬ lied" z.B.: „Ich schrubbe dich, ich bohre dich, werdende Granate!" oder: „Es knirscht der Stahl, der Riemen knirscht, Drehbank, du, surre, hause". Sieht man hierbei nicht den Eisendreher am Arbeitswerk? Dann läßt er den „Weber" im Schützengraben sein Lied singen. Die Arbeit des Leinenwebers gibt seiner Dichtung Form und Gehalt. Wie geistvoll ist die Webstuhlarbeit mit der Kriegszeit verglichen! Wie sich seine eigene Berufsarbeit mit dem Kriege vergleichen läßt, zeigt er in seiner Dichtung „Die große Schmiede". Eine Fülle von Gedanken gibt ihm dieser Vergleich: Das Ausschlagen der Granaten klingt ihm, als wenn auf Eisen geschlagen wird. Der Krach der Wurfminen ist ihm wie das Stampfen einer großen Nietmaschine. Das Arbeiten in den Sappen mit Spaten und Schaufeln vergleicht er mit dem Geräusch kreischender Scheibenriemen im Fabrikräderwerk.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/235>, abgerufen am 28.07.2024.