Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.Die Ariegslyrik der deutschen Arbeiter Liebsten in Polen weint, wenn ihrem Denken am Feierabend Ruhe gegönnt Die Kriegsdichtungen von Alfons Petzold sind das Bekenntnis eines Heinrich Lersch, von Beruf Kesselschmied, verdient es, "der volks¬ Die Ariegslyrik der deutschen Arbeiter Liebsten in Polen weint, wenn ihrem Denken am Feierabend Ruhe gegönnt Die Kriegsdichtungen von Alfons Petzold sind das Bekenntnis eines Heinrich Lersch, von Beruf Kesselschmied, verdient es, „der volks¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0234" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330334"/> <fw type="header" place="top"> Die Ariegslyrik der deutschen Arbeiter</fw><lb/> <p xml:id="ID_774" prev="#ID_773"> Liebsten in Polen weint, wenn ihrem Denken am Feierabend Ruhe gegönnt<lb/> ist, ist in seinem dichterischen Wert und Gedankengang gleich Gustav Falles<lb/> „In Polen steht eine Birke im Feld". Alle Kriegslieder dieses österreichischen<lb/> Arbeiterdichters sind geschrieben, um sich vom eigenen Leid, wie es der all¬<lb/> gewaltige Krieg in jedem hervorgerufen, zu befreien. Nichts von Zorn und<lb/> Haß gegen den Feind ist darin zu spüren. Nur das Entsetzen über das Leid,<lb/> das Tausende getroffen, das Mitempfinden dafür und die Sehnsucht nach dem<lb/> Ende dieses Völkerringens.</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_14" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_775"> Die Kriegsdichtungen von Alfons Petzold sind das Bekenntnis eines<lb/> Mannes aus dem Arbeiterstande, die edles, menschliches Fühlen offenbaren.<lb/> Nicht leerer Schall, sondern klingendes Erz. geläutert in heiligen, ernsten<lb/> Stunden! Ein hartes Arbeiterleben hat in ihm den Dichter entstehen lassen.<lb/> Aus einer Proletarierfamilie stammend, kannte er nur eine entbehrungsvolle<lb/> Jugend. Als Lausbursche. Schneeschaufler, Hausknecht und Tagelöhner mußte<lb/> er sein Leben fristen. Durch eiserne Kraft hat er sich zu geistiger Höhe empor¬<lb/> gerungen. Ein Lebens- und Menschenkenner ist dieser ehemalige Arbeiter ge¬<lb/> worden, aber auch ein Dichter, wie uns dieser Krieg nur wenige gegeben.</p><lb/> <p xml:id="ID_776"> Heinrich Lersch, von Beruf Kesselschmied, verdient es, „der volks¬<lb/> tümlichste Sänger des Weltkrieges" genannt zu werden. Sein Dichterwort ist<lb/> Gesang, seine Sprache von geistigem Wert, die Form seiner Gedichte die<lb/> balladenartige Erzählung und die Lyrik. Seine Gedichte, die von Kampfes-<lb/> tagen berichten, sind durchweht von Gottesglauben, der einen Grundzug feines<lb/> Wesens bildet. Heinrich Lersch ist Rheinländer von Geburt. In der Werkstatt<lb/> der Fabriken hat er meist sein Leben verbracht. Auch das Leben auf der Walze<lb/> hat er kennen gelernt, er hat also ein echtes Arbeiterleben geführt. Mit Be¬<lb/> ginn des Krieges regt sich auch in ihm das Dichterblut. Gleich sein am<lb/> ersten Mobilmachungstage entstandenes Gedicht „Soldatenabschied" mit dem<lb/> Endreim „Deutschland muß leben und wenn wir sterben müssen", hat in<lb/> Hunderten von Zeitungen Aufnahme gefunden. Die Wenigsten werden geahnt<lb/> haben, daß dieser von echter vaterländischer Begeisterung getragene Sang von<lb/> einem Arbeitsmann geschrieben wurde. „Herz, aufglühe dein Blut" hat<lb/> Heinrich Lersch seine Kriegsdichtungen genannt, die uns den Krieg geistig<lb/> durchleben lassen. Da ist sein ganz prächtiges Gedicht „Das Heer" zu nennen.<lb/> Welcher poetischer Schwung in jeder Verszeile, allen deutschen Truppengattungen<lb/> den Siegesweg kündend. Man fühlt in dieser Sprache förmlich den Trommel¬<lb/> rhythmus zum Sturmangriff. Hierzu die erste Zeile einiger Strophenanfänge:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_15" type="poem"> <l/> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0234]
Die Ariegslyrik der deutschen Arbeiter
Liebsten in Polen weint, wenn ihrem Denken am Feierabend Ruhe gegönnt
ist, ist in seinem dichterischen Wert und Gedankengang gleich Gustav Falles
„In Polen steht eine Birke im Feld". Alle Kriegslieder dieses österreichischen
Arbeiterdichters sind geschrieben, um sich vom eigenen Leid, wie es der all¬
gewaltige Krieg in jedem hervorgerufen, zu befreien. Nichts von Zorn und
Haß gegen den Feind ist darin zu spüren. Nur das Entsetzen über das Leid,
das Tausende getroffen, das Mitempfinden dafür und die Sehnsucht nach dem
Ende dieses Völkerringens.
Die Kriegsdichtungen von Alfons Petzold sind das Bekenntnis eines
Mannes aus dem Arbeiterstande, die edles, menschliches Fühlen offenbaren.
Nicht leerer Schall, sondern klingendes Erz. geläutert in heiligen, ernsten
Stunden! Ein hartes Arbeiterleben hat in ihm den Dichter entstehen lassen.
Aus einer Proletarierfamilie stammend, kannte er nur eine entbehrungsvolle
Jugend. Als Lausbursche. Schneeschaufler, Hausknecht und Tagelöhner mußte
er sein Leben fristen. Durch eiserne Kraft hat er sich zu geistiger Höhe empor¬
gerungen. Ein Lebens- und Menschenkenner ist dieser ehemalige Arbeiter ge¬
worden, aber auch ein Dichter, wie uns dieser Krieg nur wenige gegeben.
Heinrich Lersch, von Beruf Kesselschmied, verdient es, „der volks¬
tümlichste Sänger des Weltkrieges" genannt zu werden. Sein Dichterwort ist
Gesang, seine Sprache von geistigem Wert, die Form seiner Gedichte die
balladenartige Erzählung und die Lyrik. Seine Gedichte, die von Kampfes-
tagen berichten, sind durchweht von Gottesglauben, der einen Grundzug feines
Wesens bildet. Heinrich Lersch ist Rheinländer von Geburt. In der Werkstatt
der Fabriken hat er meist sein Leben verbracht. Auch das Leben auf der Walze
hat er kennen gelernt, er hat also ein echtes Arbeiterleben geführt. Mit Be¬
ginn des Krieges regt sich auch in ihm das Dichterblut. Gleich sein am
ersten Mobilmachungstage entstandenes Gedicht „Soldatenabschied" mit dem
Endreim „Deutschland muß leben und wenn wir sterben müssen", hat in
Hunderten von Zeitungen Aufnahme gefunden. Die Wenigsten werden geahnt
haben, daß dieser von echter vaterländischer Begeisterung getragene Sang von
einem Arbeitsmann geschrieben wurde. „Herz, aufglühe dein Blut" hat
Heinrich Lersch seine Kriegsdichtungen genannt, die uns den Krieg geistig
durchleben lassen. Da ist sein ganz prächtiges Gedicht „Das Heer" zu nennen.
Welcher poetischer Schwung in jeder Verszeile, allen deutschen Truppengattungen
den Siegesweg kündend. Man fühlt in dieser Sprache förmlich den Trommel¬
rhythmus zum Sturmangriff. Hierzu die erste Zeile einiger Strophenanfänge:
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