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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Die Rricgslyrik der deutschen Arbeiter

des Wissens friedliche Tat". Aber qualvoll entringt sich seinem Herzen der
Schrei: "die Welt speit Blut!" Wie schwer dünkt ihm jetzt das Dasein:

Hat jemals einer der Daheimgebliebenen diesen Krieg gewaltiger empfunden,
gleich einem Meer voll Sehnsucht, Qual und Leid, als dieser Dichter aus dem
Arbeiterstande? Sein Epos "Krieg" gibt uns dieses Fühlen kund. Er zer¬
wühlt sein Hirn, martert sein Herz und spricht in Angst und Pein:

Schmerzlich leid ist es ihm, nicht selbst Mitkämpfer sein zu können. Ver¬
zeihen soll es jedem die Heimat, dessen Blut krank ist und dem im Gebein die
Hämmer des Schmerzes pochen. Von seinen Stimmungen in den November¬
tagen des Jahres 1914 erzählt er uns, von jenen Tagen, die behutsamen
Schrittes durch fiebernde Städte und blutige Felder gehen:

Kraftvoll tönt aber sein Ruf an die Tiroler Bergbauern zum Kampfe
gegen Italien. Kein Schlachtenruf, mehr ein Stimmungsbild der trutzigen
und wehrhaften Bauerngestalten, gleich den Bauern- und Arbeitergestalten wie
sie uns Hodler gezeichnet. Die Schwere seines gegenwärtig tatenlosen Daseins
wuchtet auch auf seinen Gedanken, die in Dichterworten von seinem Proletarier¬
leben erzählen. Das sind Worte, wie sie nur ein Arbeiter geben und fühlen
kann. Selbst die stillstehende Fabrik wird ihm zu einem fühlenden Wesen:

Ein einziges seiner Krtegsgedichte ist ausgesprochene Lyrik. Dieses Gedicht
von der "Soldatenbraut", einem Fabrikmädchen, deren Herz am Grabe ihres


Die Rricgslyrik der deutschen Arbeiter

des Wissens friedliche Tat". Aber qualvoll entringt sich seinem Herzen der
Schrei: „die Welt speit Blut!" Wie schwer dünkt ihm jetzt das Dasein:

Hat jemals einer der Daheimgebliebenen diesen Krieg gewaltiger empfunden,
gleich einem Meer voll Sehnsucht, Qual und Leid, als dieser Dichter aus dem
Arbeiterstande? Sein Epos „Krieg" gibt uns dieses Fühlen kund. Er zer¬
wühlt sein Hirn, martert sein Herz und spricht in Angst und Pein:

Schmerzlich leid ist es ihm, nicht selbst Mitkämpfer sein zu können. Ver¬
zeihen soll es jedem die Heimat, dessen Blut krank ist und dem im Gebein die
Hämmer des Schmerzes pochen. Von seinen Stimmungen in den November¬
tagen des Jahres 1914 erzählt er uns, von jenen Tagen, die behutsamen
Schrittes durch fiebernde Städte und blutige Felder gehen:

Kraftvoll tönt aber sein Ruf an die Tiroler Bergbauern zum Kampfe
gegen Italien. Kein Schlachtenruf, mehr ein Stimmungsbild der trutzigen
und wehrhaften Bauerngestalten, gleich den Bauern- und Arbeitergestalten wie
sie uns Hodler gezeichnet. Die Schwere seines gegenwärtig tatenlosen Daseins
wuchtet auch auf seinen Gedanken, die in Dichterworten von seinem Proletarier¬
leben erzählen. Das sind Worte, wie sie nur ein Arbeiter geben und fühlen
kann. Selbst die stillstehende Fabrik wird ihm zu einem fühlenden Wesen:

Ein einziges seiner Krtegsgedichte ist ausgesprochene Lyrik. Dieses Gedicht
von der „Soldatenbraut", einem Fabrikmädchen, deren Herz am Grabe ihres


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[0233] Die Rricgslyrik der deutschen Arbeiter des Wissens friedliche Tat". Aber qualvoll entringt sich seinem Herzen der Schrei: „die Welt speit Blut!" Wie schwer dünkt ihm jetzt das Dasein: Hat jemals einer der Daheimgebliebenen diesen Krieg gewaltiger empfunden, gleich einem Meer voll Sehnsucht, Qual und Leid, als dieser Dichter aus dem Arbeiterstande? Sein Epos „Krieg" gibt uns dieses Fühlen kund. Er zer¬ wühlt sein Hirn, martert sein Herz und spricht in Angst und Pein: Schmerzlich leid ist es ihm, nicht selbst Mitkämpfer sein zu können. Ver¬ zeihen soll es jedem die Heimat, dessen Blut krank ist und dem im Gebein die Hämmer des Schmerzes pochen. Von seinen Stimmungen in den November¬ tagen des Jahres 1914 erzählt er uns, von jenen Tagen, die behutsamen Schrittes durch fiebernde Städte und blutige Felder gehen: Kraftvoll tönt aber sein Ruf an die Tiroler Bergbauern zum Kampfe gegen Italien. Kein Schlachtenruf, mehr ein Stimmungsbild der trutzigen und wehrhaften Bauerngestalten, gleich den Bauern- und Arbeitergestalten wie sie uns Hodler gezeichnet. Die Schwere seines gegenwärtig tatenlosen Daseins wuchtet auch auf seinen Gedanken, die in Dichterworten von seinem Proletarier¬ leben erzählen. Das sind Worte, wie sie nur ein Arbeiter geben und fühlen kann. Selbst die stillstehende Fabrik wird ihm zu einem fühlenden Wesen: Ein einziges seiner Krtegsgedichte ist ausgesprochene Lyrik. Dieses Gedicht von der „Soldatenbraut", einem Fabrikmädchen, deren Herz am Grabe ihres

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/233>, abgerufen am 28.07.2024.