Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

mit sich bringen. Immerhin ist die Frage der Vereinigung der Fürstentümer
in der überaus ernsten Zeit, wo Deutschland gegen eine Welt von Feinden in
dem schwersten Kampfe, den eZ je zu bestehen gehabt hat, um seine Existenz
ringt, plötzlich aufgeworfen worden, und es ist in Versammlungen und in der
Presse bereits lebhaft darüber gestritten worden, ob der Zeitpunkt glücklich
gewählt war. Andererseits ist aber auch betont worden, daß gerade die jetzige
Zeit geeignet sei. großzügige Entschlüsse zu fassen und Gegensätze zu mildern
oder zu überbrücken. Eine Vereinigung der Fürstentümer würde nicht nur
politische, sondern auch erhebliche wirschaftliche Veränderungen mit sich bringen.
Sie würde auch eine Änderung der Netchsversassung bedingen können, da jedes
der beiden Fürstentümer als selbständiger Bundesstaat eine Stimme im Bundes¬
rath besitzt, und im Falle der Vereinigung möglicherweise aus eine Stimme
Verzicht geleistet werden, oder eine andere Verteilung der Stimmen vorgenommen
werden könnte. Insofern erregt die Frage auch über die Grenzen der Fürsten¬
tümer hinaus Interesse.

I. Das wichtigste Hausgesetz der Fürsten zu Schwarzburg bildet der von
Christian Wilhelm dem Ersten, Anton Günther dem Zweiten und Ludwig
Friedrich dem Ersten geschlossene Erb- und Sukzessionsvertrag vom 7. Sep¬
tember 1713 (Hermann Schulze: Die Hausgesetze der regierenden deutschen
Fürstenhäuser Bd. 3 S. 320 f., Jimghans: Geschichte der Schwarzburgischen
Regenten S. 225 f.). Nach Artikel IV des Vertrages sollen "Lande und
Leuthe unzerrissen und unzertrennt samt und sonders beieinander bleiben".
Nach Artikel V soll "in jeder von beiden Linien mehr nicht als ein regierender
Herr sein und zwar allezeit der Erstgeborene". Artikel XII bestimmt, "wenn
von beiden in Zukunft regierenden Linien die eine in ihrem Fürstlichen
Mannesstamme gänzlich expirieren sollte, so ist auf solchen Fall verglichen und
verabredet worden, damit der Splendeur und das Ansehen des Hauses um so
viel conftderabler werde, daß sodann die gesamte Lande der ausgehenden
Sondershäusischen ode? Nudolstädttschen Linie als Fideikommißgüter dem zu
selbiger Zeit regierenden Landesfürsten der anderen Linie allein anheimfallen
und dabei zu ewigen Zeiten gelassen werden sollen, dergestalt, daß gedachte
Lande wiederum unter einem regierenden Herrn koaleszieren und also forderst
unzertrennt und ungetheilt ewig beisammen bleiben mögen". Der Hausvertrag
vom 7. September 1713 ist durch eine Vereinbarung vom 21. April 1896,
die von sämtlichen Agnaten des Schwarzburgischen Gesamthauses vollzogen und
durch Gesetz (im Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen: Geh. vom 14. August
1896, im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt: Gesetz vom 1. Juni 1896)
von den Landtagen genehmigt wurde, ergänzt werden. Die Vereinbarung
bestimmt, daß nach dem Erlöschen des Mannesstammes im Fürstlichen Hause
Schwarzburg.Sondershausen der regierende Fürst zu Schwnrzburg-Rudolstadt
und die durch rechtmäßige Geburt aus ebenbürtiger Ehe hervorgegangen"
männliche Deszendenz zur Regierungsnachfolge im Fürstentum Schwarzburg-'


mit sich bringen. Immerhin ist die Frage der Vereinigung der Fürstentümer
in der überaus ernsten Zeit, wo Deutschland gegen eine Welt von Feinden in
dem schwersten Kampfe, den eZ je zu bestehen gehabt hat, um seine Existenz
ringt, plötzlich aufgeworfen worden, und es ist in Versammlungen und in der
Presse bereits lebhaft darüber gestritten worden, ob der Zeitpunkt glücklich
gewählt war. Andererseits ist aber auch betont worden, daß gerade die jetzige
Zeit geeignet sei. großzügige Entschlüsse zu fassen und Gegensätze zu mildern
oder zu überbrücken. Eine Vereinigung der Fürstentümer würde nicht nur
politische, sondern auch erhebliche wirschaftliche Veränderungen mit sich bringen.
Sie würde auch eine Änderung der Netchsversassung bedingen können, da jedes
der beiden Fürstentümer als selbständiger Bundesstaat eine Stimme im Bundes¬
rath besitzt, und im Falle der Vereinigung möglicherweise aus eine Stimme
Verzicht geleistet werden, oder eine andere Verteilung der Stimmen vorgenommen
werden könnte. Insofern erregt die Frage auch über die Grenzen der Fürsten¬
tümer hinaus Interesse.

I. Das wichtigste Hausgesetz der Fürsten zu Schwarzburg bildet der von
Christian Wilhelm dem Ersten, Anton Günther dem Zweiten und Ludwig
Friedrich dem Ersten geschlossene Erb- und Sukzessionsvertrag vom 7. Sep¬
tember 1713 (Hermann Schulze: Die Hausgesetze der regierenden deutschen
Fürstenhäuser Bd. 3 S. 320 f., Jimghans: Geschichte der Schwarzburgischen
Regenten S. 225 f.). Nach Artikel IV des Vertrages sollen „Lande und
Leuthe unzerrissen und unzertrennt samt und sonders beieinander bleiben".
Nach Artikel V soll „in jeder von beiden Linien mehr nicht als ein regierender
Herr sein und zwar allezeit der Erstgeborene". Artikel XII bestimmt, „wenn
von beiden in Zukunft regierenden Linien die eine in ihrem Fürstlichen
Mannesstamme gänzlich expirieren sollte, so ist auf solchen Fall verglichen und
verabredet worden, damit der Splendeur und das Ansehen des Hauses um so
viel conftderabler werde, daß sodann die gesamte Lande der ausgehenden
Sondershäusischen ode? Nudolstädttschen Linie als Fideikommißgüter dem zu
selbiger Zeit regierenden Landesfürsten der anderen Linie allein anheimfallen
und dabei zu ewigen Zeiten gelassen werden sollen, dergestalt, daß gedachte
Lande wiederum unter einem regierenden Herrn koaleszieren und also forderst
unzertrennt und ungetheilt ewig beisammen bleiben mögen". Der Hausvertrag
vom 7. September 1713 ist durch eine Vereinbarung vom 21. April 1896,
die von sämtlichen Agnaten des Schwarzburgischen Gesamthauses vollzogen und
durch Gesetz (im Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen: Geh. vom 14. August
1896, im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt: Gesetz vom 1. Juni 1896)
von den Landtagen genehmigt wurde, ergänzt werden. Die Vereinbarung
bestimmt, daß nach dem Erlöschen des Mannesstammes im Fürstlichen Hause
Schwarzburg.Sondershausen der regierende Fürst zu Schwnrzburg-Rudolstadt
und die durch rechtmäßige Geburt aus ebenbürtiger Ehe hervorgegangen«
männliche Deszendenz zur Regierungsnachfolge im Fürstentum Schwarzburg-'


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0212" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330312"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_691" prev="#ID_690"> mit sich bringen. Immerhin ist die Frage der Vereinigung der Fürstentümer<lb/>
in der überaus ernsten Zeit, wo Deutschland gegen eine Welt von Feinden in<lb/>
dem schwersten Kampfe, den eZ je zu bestehen gehabt hat, um seine Existenz<lb/>
ringt, plötzlich aufgeworfen worden, und es ist in Versammlungen und in der<lb/>
Presse bereits lebhaft darüber gestritten worden, ob der Zeitpunkt glücklich<lb/>
gewählt war. Andererseits ist aber auch betont worden, daß gerade die jetzige<lb/>
Zeit geeignet sei. großzügige Entschlüsse zu fassen und Gegensätze zu mildern<lb/>
oder zu überbrücken. Eine Vereinigung der Fürstentümer würde nicht nur<lb/>
politische, sondern auch erhebliche wirschaftliche Veränderungen mit sich bringen.<lb/>
Sie würde auch eine Änderung der Netchsversassung bedingen können, da jedes<lb/>
der beiden Fürstentümer als selbständiger Bundesstaat eine Stimme im Bundes¬<lb/>
rath besitzt, und im Falle der Vereinigung möglicherweise aus eine Stimme<lb/>
Verzicht geleistet werden, oder eine andere Verteilung der Stimmen vorgenommen<lb/>
werden könnte. Insofern erregt die Frage auch über die Grenzen der Fürsten¬<lb/>
tümer hinaus Interesse.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_692" next="#ID_693"> I. Das wichtigste Hausgesetz der Fürsten zu Schwarzburg bildet der von<lb/>
Christian Wilhelm dem Ersten, Anton Günther dem Zweiten und Ludwig<lb/>
Friedrich dem Ersten geschlossene Erb- und Sukzessionsvertrag vom 7. Sep¬<lb/>
tember 1713 (Hermann Schulze: Die Hausgesetze der regierenden deutschen<lb/>
Fürstenhäuser Bd. 3 S. 320 f., Jimghans: Geschichte der Schwarzburgischen<lb/>
Regenten S. 225 f.). Nach Artikel IV des Vertrages sollen &#x201E;Lande und<lb/>
Leuthe unzerrissen und unzertrennt samt und sonders beieinander bleiben".<lb/>
Nach Artikel V soll &#x201E;in jeder von beiden Linien mehr nicht als ein regierender<lb/>
Herr sein und zwar allezeit der Erstgeborene". Artikel XII bestimmt, &#x201E;wenn<lb/>
von beiden in Zukunft regierenden Linien die eine in ihrem Fürstlichen<lb/>
Mannesstamme gänzlich expirieren sollte, so ist auf solchen Fall verglichen und<lb/>
verabredet worden, damit der Splendeur und das Ansehen des Hauses um so<lb/>
viel conftderabler werde, daß sodann die gesamte Lande der ausgehenden<lb/>
Sondershäusischen ode? Nudolstädttschen Linie als Fideikommißgüter dem zu<lb/>
selbiger Zeit regierenden Landesfürsten der anderen Linie allein anheimfallen<lb/>
und dabei zu ewigen Zeiten gelassen werden sollen, dergestalt, daß gedachte<lb/>
Lande wiederum unter einem regierenden Herrn koaleszieren und also forderst<lb/>
unzertrennt und ungetheilt ewig beisammen bleiben mögen". Der Hausvertrag<lb/>
vom 7. September 1713 ist durch eine Vereinbarung vom 21. April 1896,<lb/>
die von sämtlichen Agnaten des Schwarzburgischen Gesamthauses vollzogen und<lb/>
durch Gesetz (im Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen: Geh. vom 14. August<lb/>
1896, im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt: Gesetz vom 1. Juni 1896)<lb/>
von den Landtagen genehmigt wurde, ergänzt werden. Die Vereinbarung<lb/>
bestimmt, daß nach dem Erlöschen des Mannesstammes im Fürstlichen Hause<lb/>
Schwarzburg.Sondershausen der regierende Fürst zu Schwnrzburg-Rudolstadt<lb/>
und die durch rechtmäßige Geburt aus ebenbürtiger Ehe hervorgegangen«<lb/>
männliche Deszendenz zur Regierungsnachfolge im Fürstentum Schwarzburg-'</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0212] mit sich bringen. Immerhin ist die Frage der Vereinigung der Fürstentümer in der überaus ernsten Zeit, wo Deutschland gegen eine Welt von Feinden in dem schwersten Kampfe, den eZ je zu bestehen gehabt hat, um seine Existenz ringt, plötzlich aufgeworfen worden, und es ist in Versammlungen und in der Presse bereits lebhaft darüber gestritten worden, ob der Zeitpunkt glücklich gewählt war. Andererseits ist aber auch betont worden, daß gerade die jetzige Zeit geeignet sei. großzügige Entschlüsse zu fassen und Gegensätze zu mildern oder zu überbrücken. Eine Vereinigung der Fürstentümer würde nicht nur politische, sondern auch erhebliche wirschaftliche Veränderungen mit sich bringen. Sie würde auch eine Änderung der Netchsversassung bedingen können, da jedes der beiden Fürstentümer als selbständiger Bundesstaat eine Stimme im Bundes¬ rath besitzt, und im Falle der Vereinigung möglicherweise aus eine Stimme Verzicht geleistet werden, oder eine andere Verteilung der Stimmen vorgenommen werden könnte. Insofern erregt die Frage auch über die Grenzen der Fürsten¬ tümer hinaus Interesse. I. Das wichtigste Hausgesetz der Fürsten zu Schwarzburg bildet der von Christian Wilhelm dem Ersten, Anton Günther dem Zweiten und Ludwig Friedrich dem Ersten geschlossene Erb- und Sukzessionsvertrag vom 7. Sep¬ tember 1713 (Hermann Schulze: Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser Bd. 3 S. 320 f., Jimghans: Geschichte der Schwarzburgischen Regenten S. 225 f.). Nach Artikel IV des Vertrages sollen „Lande und Leuthe unzerrissen und unzertrennt samt und sonders beieinander bleiben". Nach Artikel V soll „in jeder von beiden Linien mehr nicht als ein regierender Herr sein und zwar allezeit der Erstgeborene". Artikel XII bestimmt, „wenn von beiden in Zukunft regierenden Linien die eine in ihrem Fürstlichen Mannesstamme gänzlich expirieren sollte, so ist auf solchen Fall verglichen und verabredet worden, damit der Splendeur und das Ansehen des Hauses um so viel conftderabler werde, daß sodann die gesamte Lande der ausgehenden Sondershäusischen ode? Nudolstädttschen Linie als Fideikommißgüter dem zu selbiger Zeit regierenden Landesfürsten der anderen Linie allein anheimfallen und dabei zu ewigen Zeiten gelassen werden sollen, dergestalt, daß gedachte Lande wiederum unter einem regierenden Herrn koaleszieren und also forderst unzertrennt und ungetheilt ewig beisammen bleiben mögen". Der Hausvertrag vom 7. September 1713 ist durch eine Vereinbarung vom 21. April 1896, die von sämtlichen Agnaten des Schwarzburgischen Gesamthauses vollzogen und durch Gesetz (im Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen: Geh. vom 14. August 1896, im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt: Gesetz vom 1. Juni 1896) von den Landtagen genehmigt wurde, ergänzt werden. Die Vereinbarung bestimmt, daß nach dem Erlöschen des Mannesstammes im Fürstlichen Hause Schwarzburg.Sondershausen der regierende Fürst zu Schwnrzburg-Rudolstadt und die durch rechtmäßige Geburt aus ebenbürtiger Ehe hervorgegangen« männliche Deszendenz zur Regierungsnachfolge im Fürstentum Schwarzburg-'

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/212
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/212>, abgerufen am 27.07.2024.