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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Zum Kriegsausbruch

am 24. Juli den Eindruck, daß Frankreich alle Konsequenzen ziehen und
zusammen mit Rußland eine feste Haltung einnehmen werde. (It 8eens to me
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Frankreich betrachtete auch die serbische Frage nur vom Gesichtspunkt seiner
Revancheidee aus, war also von vornherein ausgesprochen österreichischfeindlich.

Für Italiens Ansicht ist bezeichnend, daß es. als es sich bereit erklärte,
bei der Vermittlung mitzuwirken, "sofort Öl ins Feuer goß, indem es die
hetzerische Nachricht verbreitete, Österreich-Ungarn beabsichtige, die Bahn nach
Saloniki zu besetzen, eine eigentliche Sensationsmeldung, die haltlos war"
(Rüchel S. 20). Der Marquis San Giulio.no "fand verschiedene Punkte
der österreich-ungarischen Note kindisch" (a. a. O. S. 19). Man braucht also
kein Wort darüber zu verlieren. --

Das war der Aeropag. dem die serbische Frage nach Englands Willen
unterbreitet werden sollte. Hier war Österreich allein durch Deutschland, die
Gegenpartei aber mit drei Stimmen vertreten. Es war klar, daß Deutschland
seinem Bundesgenossen niemals zumuten konnte, sich einem solchen Urteil zu
unterwerfen. Deutschland arbeitete statt dessen an der direkten Verständigung
zwischen Österreich-Ungarn und Rußland, und es wäre ihm gelungen, auf
diesem Wege die beiden Gegner zusammenzuführen, wenn nicht die russische
Gesamtmobilmachung alles verdorben hätte. Denn Österreich Ungarn zeigte
sich, je weiter die Krise anhielt, um so nachgiebiger und bereiter, eine Lösung
zu finden. Was taten inzwischen die beiden Westmächte? Frankreichs Be¬
strebungen zur Erhaltung des Friedens werden von Rüchel nicht einmal
gestreift oder erwähnt. Es waren eben keine da. Und England? -- "Grey
spornte die deutsche Regierung zu Friedensbemühungen an, obwohl er wußte,
daß Rußland mit keinen Versprechungen zu befriedigen war." (Rüchel S. 30.) --

Nachdem die österreichisch-russische und die deutsch.russische Frage entschieden
war, galt es die beiden übrigen Fragen: die deutsch-französische und die deutsch¬
englische zur Entscheidung zu bringen. Die erste war eigentlich von Uranfang
an im Sinne des Krieges von Frankreichs Seite aus entschieden. Die Anfrage
des Botschafters von Schön in Paris war nur noch eine Formalität. Aller¬
dings war in Frankreich ein großer Teil des Volkes gegen den Krieg gewesen,
aber man hatte diesen Teil des Volkes des Führers beraubt und man hatte,
wie die Kriegsgeschichte des "Manchester Guardian" feststellt, die öffentliche
Meinung des Landes dadurch gefälscht, daß man die Nachricht von der russischen
Mobilmachung zurückhielt und die deutsche Gegenmaßregel zuerst verkündigte.
Dadurch wurde im Volksbewußtsein Rußland der angegriffene Teil und man
konnte mit Begriffen wie "Ehre" und "Engagement" ungehindert operieren.
Auch die falsche Depesche einer Berliner Zeitung über die deutsche Mobil¬
machung, von der bis jetzt wohl noch nicht feststeht, wie sie herausgekommen
ist und wer ihre Ausgabe autorisiert hat, hat für die Verwirrung der offene-


Zum Kriegsausbruch

am 24. Juli den Eindruck, daß Frankreich alle Konsequenzen ziehen und
zusammen mit Rußland eine feste Haltung einnehmen werde. (It 8eens to me
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to join klein, Trance ana Kussia ars äetermineä to mains a stronZ flaua.)
Frankreich betrachtete auch die serbische Frage nur vom Gesichtspunkt seiner
Revancheidee aus, war also von vornherein ausgesprochen österreichischfeindlich.

Für Italiens Ansicht ist bezeichnend, daß es. als es sich bereit erklärte,
bei der Vermittlung mitzuwirken, „sofort Öl ins Feuer goß, indem es die
hetzerische Nachricht verbreitete, Österreich-Ungarn beabsichtige, die Bahn nach
Saloniki zu besetzen, eine eigentliche Sensationsmeldung, die haltlos war"
(Rüchel S. 20). Der Marquis San Giulio.no „fand verschiedene Punkte
der österreich-ungarischen Note kindisch" (a. a. O. S. 19). Man braucht also
kein Wort darüber zu verlieren. —

Das war der Aeropag. dem die serbische Frage nach Englands Willen
unterbreitet werden sollte. Hier war Österreich allein durch Deutschland, die
Gegenpartei aber mit drei Stimmen vertreten. Es war klar, daß Deutschland
seinem Bundesgenossen niemals zumuten konnte, sich einem solchen Urteil zu
unterwerfen. Deutschland arbeitete statt dessen an der direkten Verständigung
zwischen Österreich-Ungarn und Rußland, und es wäre ihm gelungen, auf
diesem Wege die beiden Gegner zusammenzuführen, wenn nicht die russische
Gesamtmobilmachung alles verdorben hätte. Denn Österreich Ungarn zeigte
sich, je weiter die Krise anhielt, um so nachgiebiger und bereiter, eine Lösung
zu finden. Was taten inzwischen die beiden Westmächte? Frankreichs Be¬
strebungen zur Erhaltung des Friedens werden von Rüchel nicht einmal
gestreift oder erwähnt. Es waren eben keine da. Und England? — „Grey
spornte die deutsche Regierung zu Friedensbemühungen an, obwohl er wußte,
daß Rußland mit keinen Versprechungen zu befriedigen war." (Rüchel S. 30.) —

Nachdem die österreichisch-russische und die deutsch.russische Frage entschieden
war, galt es die beiden übrigen Fragen: die deutsch-französische und die deutsch¬
englische zur Entscheidung zu bringen. Die erste war eigentlich von Uranfang
an im Sinne des Krieges von Frankreichs Seite aus entschieden. Die Anfrage
des Botschafters von Schön in Paris war nur noch eine Formalität. Aller¬
dings war in Frankreich ein großer Teil des Volkes gegen den Krieg gewesen,
aber man hatte diesen Teil des Volkes des Führers beraubt und man hatte,
wie die Kriegsgeschichte des „Manchester Guardian" feststellt, die öffentliche
Meinung des Landes dadurch gefälscht, daß man die Nachricht von der russischen
Mobilmachung zurückhielt und die deutsche Gegenmaßregel zuerst verkündigte.
Dadurch wurde im Volksbewußtsein Rußland der angegriffene Teil und man
konnte mit Begriffen wie „Ehre" und „Engagement" ungehindert operieren.
Auch die falsche Depesche einer Berliner Zeitung über die deutsche Mobil¬
machung, von der bis jetzt wohl noch nicht feststeht, wie sie herausgekommen
ist und wer ihre Ausgabe autorisiert hat, hat für die Verwirrung der offene-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/19>, abgerufen am 01.09.2024.