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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Literaturgeschichte

Bruno Eelbo! Barons entdeckte Urkunde".
Die Lösung der Vacon-Shakespeare-Frage in
der Shakespeare-Folio-Ausgabe vom Jahre
1623. Leipzig, 191,4 und ISIS verlegt bei
H. A. Ludwig Dcgener. 2 Bde. (Bd. I
geheftet 3 M,, Bd. II geheftet 3,S0 M,).

Vermutungen, daß nicht William Shake¬
speare aus Stratford der Urheber der seinen
Namen tragenden Dramen sei, tauchten schon
im 18. Jahrhundert aus. Doch erst seit der
Mitte des 19. Jahrhunderts entbrannte der
Shakespeare-Bacon-Streit. Man suchte neben
inneren Gründen auch nach urkundlichen
Mitteilungen und Geständnissen, daß Francis
Bacon, der berühmte Philosoph und Staats¬
mann, die Dramen verfaßt habe.

Bruno Eelbo, der Weimarer Dichter und
Architekt aus Dithmarschen, hat sich seit
zwanzig Jahren an dieser Suche beteiligt
und zwar "in der festen Überzeugung, daß
die Urkunden, wenn sie überhaupt vorhanden
sind, von dem wirklichen Verfasser in seinen
eigenen, unter fremden Namen bekannten
Werken versteckt niedergelegt sein müssen."
Er hielt sich an Bacons verschiedentlich"
Äußerungen über Geheimschriften, vermutete
eine solche auch in der Folioausgabe von
1ö23 und mühte sich mit Hilfe des einfachen
Zahlenalphabets den Schlüssel der Geheim¬
schrift zu finden, was ihm nach seiner Meinung
auch mit der Auflösung der sogenannten
Shakespeare- und Bacon-Zeichen gelang.
Mit ihrer Hilfe begab er sich daran "das
Geheimnis der Seile 136 zu lösen, dieser
Seite, die nach manchen Zeichen die große
Urkunde enthalten mußte, und eine glückliche
Stunde brachte mir die Entdeckung der
.SLi-aps', die Bacon benutzt, um mit Hilfe des
langen Wortes .NonontiLabilituäim'tatibus'

[Spaltenumbruch]

die wichtige Urkunde herzustellen: ,W. LnaKe-
sperre is k^rauneis Kscon'." (II, S. 276.)

Eelbo glaubt also, die Shakespeare-Bacon-
Frage gelöst zu haben. Und er liefert in
seinem Peinlich gearbeiteten Werke auf Grund
des genannten Schlüssels der Baconschen
Geheimschrift nach allen Seiten hin vielfache
Beweise für seine Behauptung, Bacon, der
Sohn der Königin Elisabeth und Robert
Dudleys, sei der Verfasser der Dramen
und habe sich aus politisch-gesellschaftlichen
Gründen Shakespeare nur als Maskenträgcr
gewählt. Über sein Verhältnis zu diesem
Shakespeare offenbart die geheimnisvolle
Seite 136 nach Eelbo auch noch "außer-
ordentlich wichtige Bekenntnisse". In der
auffallend falschen Seitenzählung der Folio¬
ausgabe, im sonstigen krausen Druck, im
Einführungsgedicht "l^o eile Koalier", im
Widmungsbrief an die Grasen Pembroke und
Montgomery, in der Vorrede "an die große
Mannigfaltigkeit der Leser", die von Ben
Jonson stammt, sowie in dessen großem Ein¬
führungspoem und in dem von L. Digges,
im Northumberland-Manuskript und schließlich
auch in den Dramentitcln und Shakesspeares
Grabdenkmal in der Kirche zu Stratford --
überall stößt Eelbo auf das Bekenntnis:
William Shakespeare ist Francis Bacon.

Ich bin leider nicht in der Lage, Eelbos
sorgsame, auf schwierigsten Zahlen- und Buch¬
stabenreihen und die Folioausgabe von 1623
gegründete Beweisführung, wie sie es ver¬
dient, nachzuprüfen. Der Ernst und die
geistige Haltung des Buches aber, das von
einem Worte Kuno Fischers, der auch an eine
noch zu entdeckende geheime Urkunde in den
Dramen zur Klärung der Verfasserfrage
glaubte, ausgeht, verbieten es mir, mich
etwa leichtfertig ablehnend über Eelbos Be¬
weise zu äußern; ebensowenig kann ich mich

[Ende Spaltensatz]


Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Literaturgeschichte

Bruno Eelbo! Barons entdeckte Urkunde».
Die Lösung der Vacon-Shakespeare-Frage in
der Shakespeare-Folio-Ausgabe vom Jahre
1623. Leipzig, 191,4 und ISIS verlegt bei
H. A. Ludwig Dcgener. 2 Bde. (Bd. I
geheftet 3 M,, Bd. II geheftet 3,S0 M,).

Vermutungen, daß nicht William Shake¬
speare aus Stratford der Urheber der seinen
Namen tragenden Dramen sei, tauchten schon
im 18. Jahrhundert aus. Doch erst seit der
Mitte des 19. Jahrhunderts entbrannte der
Shakespeare-Bacon-Streit. Man suchte neben
inneren Gründen auch nach urkundlichen
Mitteilungen und Geständnissen, daß Francis
Bacon, der berühmte Philosoph und Staats¬
mann, die Dramen verfaßt habe.

Bruno Eelbo, der Weimarer Dichter und
Architekt aus Dithmarschen, hat sich seit
zwanzig Jahren an dieser Suche beteiligt
und zwar „in der festen Überzeugung, daß
die Urkunden, wenn sie überhaupt vorhanden
sind, von dem wirklichen Verfasser in seinen
eigenen, unter fremden Namen bekannten
Werken versteckt niedergelegt sein müssen."
Er hielt sich an Bacons verschiedentlich«
Äußerungen über Geheimschriften, vermutete
eine solche auch in der Folioausgabe von
1ö23 und mühte sich mit Hilfe des einfachen
Zahlenalphabets den Schlüssel der Geheim¬
schrift zu finden, was ihm nach seiner Meinung
auch mit der Auflösung der sogenannten
Shakespeare- und Bacon-Zeichen gelang.
Mit ihrer Hilfe begab er sich daran „das
Geheimnis der Seile 136 zu lösen, dieser
Seite, die nach manchen Zeichen die große
Urkunde enthalten mußte, und eine glückliche
Stunde brachte mir die Entdeckung der
.SLi-aps', die Bacon benutzt, um mit Hilfe des
langen Wortes .NonontiLabilituäim'tatibus'

[Spaltenumbruch]

die wichtige Urkunde herzustellen: ,W. LnaKe-
sperre is k^rauneis Kscon'." (II, S. 276.)

Eelbo glaubt also, die Shakespeare-Bacon-
Frage gelöst zu haben. Und er liefert in
seinem Peinlich gearbeiteten Werke auf Grund
des genannten Schlüssels der Baconschen
Geheimschrift nach allen Seiten hin vielfache
Beweise für seine Behauptung, Bacon, der
Sohn der Königin Elisabeth und Robert
Dudleys, sei der Verfasser der Dramen
und habe sich aus politisch-gesellschaftlichen
Gründen Shakespeare nur als Maskenträgcr
gewählt. Über sein Verhältnis zu diesem
Shakespeare offenbart die geheimnisvolle
Seite 136 nach Eelbo auch noch „außer-
ordentlich wichtige Bekenntnisse". In der
auffallend falschen Seitenzählung der Folio¬
ausgabe, im sonstigen krausen Druck, im
Einführungsgedicht „l^o eile Koalier", im
Widmungsbrief an die Grasen Pembroke und
Montgomery, in der Vorrede „an die große
Mannigfaltigkeit der Leser", die von Ben
Jonson stammt, sowie in dessen großem Ein¬
führungspoem und in dem von L. Digges,
im Northumberland-Manuskript und schließlich
auch in den Dramentitcln und Shakesspeares
Grabdenkmal in der Kirche zu Stratford —
überall stößt Eelbo auf das Bekenntnis:
William Shakespeare ist Francis Bacon.

Ich bin leider nicht in der Lage, Eelbos
sorgsame, auf schwierigsten Zahlen- und Buch¬
stabenreihen und die Folioausgabe von 1623
gegründete Beweisführung, wie sie es ver¬
dient, nachzuprüfen. Der Ernst und die
geistige Haltung des Buches aber, das von
einem Worte Kuno Fischers, der auch an eine
noch zu entdeckende geheime Urkunde in den
Dramen zur Klärung der Verfasserfrage
glaubte, ausgeht, verbieten es mir, mich
etwa leichtfertig ablehnend über Eelbos Be¬
weise zu äußern; ebensowenig kann ich mich

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[0138] [Abbildung] Maßgebliches und Unmaßgebliches Literaturgeschichte Bruno Eelbo! Barons entdeckte Urkunde». Die Lösung der Vacon-Shakespeare-Frage in der Shakespeare-Folio-Ausgabe vom Jahre 1623. Leipzig, 191,4 und ISIS verlegt bei H. A. Ludwig Dcgener. 2 Bde. (Bd. I geheftet 3 M,, Bd. II geheftet 3,S0 M,). Vermutungen, daß nicht William Shake¬ speare aus Stratford der Urheber der seinen Namen tragenden Dramen sei, tauchten schon im 18. Jahrhundert aus. Doch erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entbrannte der Shakespeare-Bacon-Streit. Man suchte neben inneren Gründen auch nach urkundlichen Mitteilungen und Geständnissen, daß Francis Bacon, der berühmte Philosoph und Staats¬ mann, die Dramen verfaßt habe. Bruno Eelbo, der Weimarer Dichter und Architekt aus Dithmarschen, hat sich seit zwanzig Jahren an dieser Suche beteiligt und zwar „in der festen Überzeugung, daß die Urkunden, wenn sie überhaupt vorhanden sind, von dem wirklichen Verfasser in seinen eigenen, unter fremden Namen bekannten Werken versteckt niedergelegt sein müssen." Er hielt sich an Bacons verschiedentlich« Äußerungen über Geheimschriften, vermutete eine solche auch in der Folioausgabe von 1ö23 und mühte sich mit Hilfe des einfachen Zahlenalphabets den Schlüssel der Geheim¬ schrift zu finden, was ihm nach seiner Meinung auch mit der Auflösung der sogenannten Shakespeare- und Bacon-Zeichen gelang. Mit ihrer Hilfe begab er sich daran „das Geheimnis der Seile 136 zu lösen, dieser Seite, die nach manchen Zeichen die große Urkunde enthalten mußte, und eine glückliche Stunde brachte mir die Entdeckung der .SLi-aps', die Bacon benutzt, um mit Hilfe des langen Wortes .NonontiLabilituäim'tatibus' die wichtige Urkunde herzustellen: ,W. LnaKe- sperre is k^rauneis Kscon'." (II, S. 276.) Eelbo glaubt also, die Shakespeare-Bacon- Frage gelöst zu haben. Und er liefert in seinem Peinlich gearbeiteten Werke auf Grund des genannten Schlüssels der Baconschen Geheimschrift nach allen Seiten hin vielfache Beweise für seine Behauptung, Bacon, der Sohn der Königin Elisabeth und Robert Dudleys, sei der Verfasser der Dramen und habe sich aus politisch-gesellschaftlichen Gründen Shakespeare nur als Maskenträgcr gewählt. Über sein Verhältnis zu diesem Shakespeare offenbart die geheimnisvolle Seite 136 nach Eelbo auch noch „außer- ordentlich wichtige Bekenntnisse". In der auffallend falschen Seitenzählung der Folio¬ ausgabe, im sonstigen krausen Druck, im Einführungsgedicht „l^o eile Koalier", im Widmungsbrief an die Grasen Pembroke und Montgomery, in der Vorrede „an die große Mannigfaltigkeit der Leser", die von Ben Jonson stammt, sowie in dessen großem Ein¬ führungspoem und in dem von L. Digges, im Northumberland-Manuskript und schließlich auch in den Dramentitcln und Shakesspeares Grabdenkmal in der Kirche zu Stratford — überall stößt Eelbo auf das Bekenntnis: William Shakespeare ist Francis Bacon. Ich bin leider nicht in der Lage, Eelbos sorgsame, auf schwierigsten Zahlen- und Buch¬ stabenreihen und die Folioausgabe von 1623 gegründete Beweisführung, wie sie es ver¬ dient, nachzuprüfen. Der Ernst und die geistige Haltung des Buches aber, das von einem Worte Kuno Fischers, der auch an eine noch zu entdeckende geheime Urkunde in den Dramen zur Klärung der Verfasserfrage glaubte, ausgeht, verbieten es mir, mich etwa leichtfertig ablehnend über Eelbos Be¬ weise zu äußern; ebensowenig kann ich mich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/138>, abgerufen am 22.12.2024.