Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

Nun. wir werden den Mut nicht verlieren. Haben es schwer gehabt ans
Stellen. Die Kontrakte waren nicht auf einen Krieg berechnet. Noch jetzt ver¬
werte ich meine Milch bei der Molkerei auf Grund meines Kontraktes mit
16Vs Pfennig. Das ist kein Anreiz, die Viehzucht zu heben und mancher meiner
Berufsgenossen mit kleinerem Viehstände als ich, hat der Molkerei erklärt, es
lohne sich für ihn nicht mehr, die Milch herzustellen. Da gibt es Prozesse, und
die ganze Gegend kritisiert das Verhalten unseres Kollegen. Es sind schwierige
Fragen, die sich nicht aus dem Handgelenk entscheiden lassen. Denn in den
Molkereikontrakten ist nirgends eine bestimmte Viehhaltung vorgeschrieben.
Hoffentlich finden wir weise Richter, die beide Teile befriedigen und das Interesse
des Vaterlandes vor allem nicht aus den Augen lassen.

Bleiben die Saaten so. wie sie jetzt sind, so haben wir eine Staatsernte.
So schlecht wie im vorigen Jahr die Getreideernte war. kann es ja nicht mehr
kommen. Der Klee entwickelt sich prachtvoll. Auch an Futter wird es also
nicht mangeln. Wir werden mehr Mengkorn anbauen als im vorigen Jahr.
Manche Schwierigkeit wird zu überwinden sein. Wir werden den Landwirt¬
schaftskammern und den Gefangenenlagern so lange auf dem Halse liegen, bis
wir bei der Ernte die notwendigen Arbeiter haben, und wir werden sie schon
kriegen. Wenn alle Stränge reißen, gibt es schließlich Soldaten aus den Nach¬
bargarnisonen.

Macht Ihr nur Eure Sache gut in der Stadt und sorgt für einen ver¬
nünftigen Mann, der nicht hinter den Notständen hinterherläuft und mühsam
die Löcher zu stopfen versucht, ein Mann der vorschaut, der das Land kennt
und stark ist. --

Ein Aprilschauer, in den die Sonne hineinscheint, überrascht uns im
Walde an der Fohlenkoppel. Wir stehen minutenlang still und jeder überläßt
sich seinen Gedanken. Die Mühle rumort noch leise in der Ferne. Ein
Fasanenhahn fliegt auf. Pirr -- rh -- . . .

Verdun -- Wie mag es unseren tapferen Feldgrauen im Schlachten¬
gewimmel jetzt gehen, dem märkischen Regiment, in dem die Söhne dieser
Felder kämpfen oder gekämpft haben, bis sie bei Arras oder in Serbien den
letzen Atemzug für die geliebte Heimat, für ihr Dorf, für diese Felder getan
haben, die jetzt zum zweiten Male ohne sie im Frühlingsglanze prangen?

Schweigend und nachdenklich setzen wir unseren Weg sort, bis uns Park
und Hof aufnehmen, und die Fragen des Augenblicks den Hintergrund der
Seele beschatten.




Nun. wir werden den Mut nicht verlieren. Haben es schwer gehabt ans
Stellen. Die Kontrakte waren nicht auf einen Krieg berechnet. Noch jetzt ver¬
werte ich meine Milch bei der Molkerei auf Grund meines Kontraktes mit
16Vs Pfennig. Das ist kein Anreiz, die Viehzucht zu heben und mancher meiner
Berufsgenossen mit kleinerem Viehstände als ich, hat der Molkerei erklärt, es
lohne sich für ihn nicht mehr, die Milch herzustellen. Da gibt es Prozesse, und
die ganze Gegend kritisiert das Verhalten unseres Kollegen. Es sind schwierige
Fragen, die sich nicht aus dem Handgelenk entscheiden lassen. Denn in den
Molkereikontrakten ist nirgends eine bestimmte Viehhaltung vorgeschrieben.
Hoffentlich finden wir weise Richter, die beide Teile befriedigen und das Interesse
des Vaterlandes vor allem nicht aus den Augen lassen.

Bleiben die Saaten so. wie sie jetzt sind, so haben wir eine Staatsernte.
So schlecht wie im vorigen Jahr die Getreideernte war. kann es ja nicht mehr
kommen. Der Klee entwickelt sich prachtvoll. Auch an Futter wird es also
nicht mangeln. Wir werden mehr Mengkorn anbauen als im vorigen Jahr.
Manche Schwierigkeit wird zu überwinden sein. Wir werden den Landwirt¬
schaftskammern und den Gefangenenlagern so lange auf dem Halse liegen, bis
wir bei der Ernte die notwendigen Arbeiter haben, und wir werden sie schon
kriegen. Wenn alle Stränge reißen, gibt es schließlich Soldaten aus den Nach¬
bargarnisonen.

Macht Ihr nur Eure Sache gut in der Stadt und sorgt für einen ver¬
nünftigen Mann, der nicht hinter den Notständen hinterherläuft und mühsam
die Löcher zu stopfen versucht, ein Mann der vorschaut, der das Land kennt
und stark ist. —

Ein Aprilschauer, in den die Sonne hineinscheint, überrascht uns im
Walde an der Fohlenkoppel. Wir stehen minutenlang still und jeder überläßt
sich seinen Gedanken. Die Mühle rumort noch leise in der Ferne. Ein
Fasanenhahn fliegt auf. Pirr — rh — . . .

Verdun — Wie mag es unseren tapferen Feldgrauen im Schlachten¬
gewimmel jetzt gehen, dem märkischen Regiment, in dem die Söhne dieser
Felder kämpfen oder gekämpft haben, bis sie bei Arras oder in Serbien den
letzen Atemzug für die geliebte Heimat, für ihr Dorf, für diese Felder getan
haben, die jetzt zum zweiten Male ohne sie im Frühlingsglanze prangen?

Schweigend und nachdenklich setzen wir unseren Weg sort, bis uns Park
und Hof aufnehmen, und die Fragen des Augenblicks den Hintergrund der
Seele beschatten.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0137" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330237"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_473"> Nun. wir werden den Mut nicht verlieren. Haben es schwer gehabt ans<lb/>
Stellen. Die Kontrakte waren nicht auf einen Krieg berechnet. Noch jetzt ver¬<lb/>
werte ich meine Milch bei der Molkerei auf Grund meines Kontraktes mit<lb/>
16Vs Pfennig. Das ist kein Anreiz, die Viehzucht zu heben und mancher meiner<lb/>
Berufsgenossen mit kleinerem Viehstände als ich, hat der Molkerei erklärt, es<lb/>
lohne sich für ihn nicht mehr, die Milch herzustellen. Da gibt es Prozesse, und<lb/>
die ganze Gegend kritisiert das Verhalten unseres Kollegen. Es sind schwierige<lb/>
Fragen, die sich nicht aus dem Handgelenk entscheiden lassen. Denn in den<lb/>
Molkereikontrakten ist nirgends eine bestimmte Viehhaltung vorgeschrieben.<lb/>
Hoffentlich finden wir weise Richter, die beide Teile befriedigen und das Interesse<lb/>
des Vaterlandes vor allem nicht aus den Augen lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_474"> Bleiben die Saaten so. wie sie jetzt sind, so haben wir eine Staatsernte.<lb/>
So schlecht wie im vorigen Jahr die Getreideernte war. kann es ja nicht mehr<lb/>
kommen. Der Klee entwickelt sich prachtvoll. Auch an Futter wird es also<lb/>
nicht mangeln. Wir werden mehr Mengkorn anbauen als im vorigen Jahr.<lb/>
Manche Schwierigkeit wird zu überwinden sein. Wir werden den Landwirt¬<lb/>
schaftskammern und den Gefangenenlagern so lange auf dem Halse liegen, bis<lb/>
wir bei der Ernte die notwendigen Arbeiter haben, und wir werden sie schon<lb/>
kriegen. Wenn alle Stränge reißen, gibt es schließlich Soldaten aus den Nach¬<lb/>
bargarnisonen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_475"> Macht Ihr nur Eure Sache gut in der Stadt und sorgt für einen ver¬<lb/>
nünftigen Mann, der nicht hinter den Notständen hinterherläuft und mühsam<lb/>
die Löcher zu stopfen versucht, ein Mann der vorschaut, der das Land kennt<lb/>
und stark ist. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_476"> Ein Aprilschauer, in den die Sonne hineinscheint, überrascht uns im<lb/>
Walde an der Fohlenkoppel. Wir stehen minutenlang still und jeder überläßt<lb/>
sich seinen Gedanken. Die Mühle rumort noch leise in der Ferne. Ein<lb/>
Fasanenhahn fliegt auf. Pirr &#x2014; rh &#x2014; . . .</p><lb/>
          <p xml:id="ID_477"> Verdun &#x2014; Wie mag es unseren tapferen Feldgrauen im Schlachten¬<lb/>
gewimmel jetzt gehen, dem märkischen Regiment, in dem die Söhne dieser<lb/>
Felder kämpfen oder gekämpft haben, bis sie bei Arras oder in Serbien den<lb/>
letzen Atemzug für die geliebte Heimat, für ihr Dorf, für diese Felder getan<lb/>
haben, die jetzt zum zweiten Male ohne sie im Frühlingsglanze prangen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_478"> Schweigend und nachdenklich setzen wir unseren Weg sort, bis uns Park<lb/>
und Hof aufnehmen, und die Fragen des Augenblicks den Hintergrund der<lb/>
Seele beschatten.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0137] Nun. wir werden den Mut nicht verlieren. Haben es schwer gehabt ans Stellen. Die Kontrakte waren nicht auf einen Krieg berechnet. Noch jetzt ver¬ werte ich meine Milch bei der Molkerei auf Grund meines Kontraktes mit 16Vs Pfennig. Das ist kein Anreiz, die Viehzucht zu heben und mancher meiner Berufsgenossen mit kleinerem Viehstände als ich, hat der Molkerei erklärt, es lohne sich für ihn nicht mehr, die Milch herzustellen. Da gibt es Prozesse, und die ganze Gegend kritisiert das Verhalten unseres Kollegen. Es sind schwierige Fragen, die sich nicht aus dem Handgelenk entscheiden lassen. Denn in den Molkereikontrakten ist nirgends eine bestimmte Viehhaltung vorgeschrieben. Hoffentlich finden wir weise Richter, die beide Teile befriedigen und das Interesse des Vaterlandes vor allem nicht aus den Augen lassen. Bleiben die Saaten so. wie sie jetzt sind, so haben wir eine Staatsernte. So schlecht wie im vorigen Jahr die Getreideernte war. kann es ja nicht mehr kommen. Der Klee entwickelt sich prachtvoll. Auch an Futter wird es also nicht mangeln. Wir werden mehr Mengkorn anbauen als im vorigen Jahr. Manche Schwierigkeit wird zu überwinden sein. Wir werden den Landwirt¬ schaftskammern und den Gefangenenlagern so lange auf dem Halse liegen, bis wir bei der Ernte die notwendigen Arbeiter haben, und wir werden sie schon kriegen. Wenn alle Stränge reißen, gibt es schließlich Soldaten aus den Nach¬ bargarnisonen. Macht Ihr nur Eure Sache gut in der Stadt und sorgt für einen ver¬ nünftigen Mann, der nicht hinter den Notständen hinterherläuft und mühsam die Löcher zu stopfen versucht, ein Mann der vorschaut, der das Land kennt und stark ist. — Ein Aprilschauer, in den die Sonne hineinscheint, überrascht uns im Walde an der Fohlenkoppel. Wir stehen minutenlang still und jeder überläßt sich seinen Gedanken. Die Mühle rumort noch leise in der Ferne. Ein Fasanenhahn fliegt auf. Pirr — rh — . . . Verdun — Wie mag es unseren tapferen Feldgrauen im Schlachten¬ gewimmel jetzt gehen, dem märkischen Regiment, in dem die Söhne dieser Felder kämpfen oder gekämpft haben, bis sie bei Arras oder in Serbien den letzen Atemzug für die geliebte Heimat, für ihr Dorf, für diese Felder getan haben, die jetzt zum zweiten Male ohne sie im Frühlingsglanze prangen? Schweigend und nachdenklich setzen wir unseren Weg sort, bis uns Park und Hof aufnehmen, und die Fragen des Augenblicks den Hintergrund der Seele beschatten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/137
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/137>, abgerufen am 01.09.2024.