Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.slawische Grtsnamen im Brandenburgischen Namen, die sich auf frühere gottesdienstliche Stätten beziehen, sind ins¬ Manche Ortsnamen sind auch deutsch und slawisch gemischt, wie deren Viele Namen wurden schon erwähnt, die scheinbar deutsch, in Wirklichkeit "*
slawische Grtsnamen im Brandenburgischen Namen, die sich auf frühere gottesdienstliche Stätten beziehen, sind ins¬ Manche Ortsnamen sind auch deutsch und slawisch gemischt, wie deren Viele Namen wurden schon erwähnt, die scheinbar deutsch, in Wirklichkeit «*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0095" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329761"/> <fw type="header" place="top"> slawische Grtsnamen im Brandenburgischen</fw><lb/> <p xml:id="ID_243"> Namen, die sich auf frühere gottesdienstliche Stätten beziehen, sind ins¬<lb/> besondere Lietzow oder Lützoro, von litze, Gesicht, Person, verwandt mit ut,<lb/> Heiligenbild (daher Lyk in Ostpreußen), eine Benennung, die in der hier allein<lb/> in Betracht kommenden heidnischen Zeit Götterbild bedeutet und damit eine<lb/> Anbetungsstätte bezeichnet haben mag. Ähnlich ist Trebbin von treba, Opfer<lb/> und Rudow von ruda, Blut, abzuleiten, als Stellen blutiger Opfer. Von<lb/> chram, Tempel, kommt Kremmen. Von Kiekemal und Kiekebusch als von<lb/> Hindeutungen auf Waldgeister war schon die Rede; auch die heiligen und<lb/> Teufelsseen sind hier zu nennen, obschon ihre Namen jetzt deutsch sind. An<lb/> beiderlei Stellen mag man Natur- oder Waldgeister verehrt haben. Dabei<lb/> sind die heiligen Seen größere Seen neben einem anderen, noch größeren<lb/> Gewässer, die Teufelsseen kleinere, vereinzelt liegende Seen.</p><lb/> <p xml:id="ID_244"> Manche Ortsnamen sind auch deutsch und slawisch gemischt, wie deren<lb/> schon einige erwähnt worden sind; bei anderen hat man, dem Landesverbrauch<lb/> entsprechend, an einen deutschen Namen eine slawische Endung angehängt, wie<lb/> bei Templin (nach einer Besitzung der Tempelherrn benannt), bei Schönow oder<lb/> Eichow. Andere Orte wieder haben zwar einen slawischen Namen, aber doch<lb/> keinen alteinheimischen. Von diesen wurde Niesky schon genannt; ähnlich ist<lb/> auch Nowawes bei Potsdam eine Gründung eingewanderter Tschechen, vom<lb/> tschechischen Nowa-Weß, Neuendorf, Sadowa (von ßad, Garten) ist nur eine<lb/> Namensübertragung aus Böhmen, zu Ehren der Schlacht von Königgrätz oder<lb/> Sadowa; Neukölln ist eine ganz neue Umnennung von Rixdorf (ursprünglich<lb/> Richardsdorf), dessen Bürger plötzlich mit ihrem alten, ehrlichen Ortsnamen<lb/> nicht mehr zufrieden waren. Ähnlich kamen auch die Einwohner von Kiekemal<lb/> vor einiger Zeit darum ein, der Ort sollte Königsmal heißen, wurden aber<lb/> glücklicher Weise abgewiesen. Auch Nikolskoe ist hier zu nennen, die hübsch<lb/> gelegene Ansiedlung bei Potsdam, mit dem falsch geschriebenen und darum<lb/> jedem Besucher unaussprechlichen Namen: Nikolskoje, zu deutsch Nikolai. Es<lb/> stammt aus jener unglücklichen Zeit nach den Freiheitskriegen, als Preußen<lb/> fast eine russische Provinz war, und ist dem damaligen russischen Großfürsten<lb/> Nikolaus zu Ehren benannt.</p><lb/> <p xml:id="ID_245" next="#ID_246"> Viele Namen wurden schon erwähnt, die scheinbar deutsch, in Wirklichkeit<lb/> slawisch sind. Der wahre Sachverhalt könnte allerdings in vielen Fällen nur<lb/> dann ermittelt werden, wenn die Umstände aufgeklärt würden, unter denen der<lb/> Name entstanden ist. In früherer Zeit suchte man diesem Mangel durch<lb/> Namens- und Wappensagen abzuhelfen, Erzählungen, die seinerzeit sogar von<lb/> Geschichtsforschern und Dichtern ernst genommen wurden, uns Heutigen aber<lb/> fast wie faule Witze klingen. Wir sprachen von dieser Schwierigkeit schon<lb/> eingangs und wollen hier noch ein anderes Beispiel erwähnen. In Branden¬<lb/> burg gibt es zwei Orte, Löwendorf und Löwenberg, in Schlesien auch ein<lb/> Löwenberg. Woher kommen diese Namen? Vielleicht von loff, Fang oder<lb/> lowetz Jäger? Oder von Namen oder Wappen des Ortsgründers? Bei</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> «*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0095]
slawische Grtsnamen im Brandenburgischen
Namen, die sich auf frühere gottesdienstliche Stätten beziehen, sind ins¬
besondere Lietzow oder Lützoro, von litze, Gesicht, Person, verwandt mit ut,
Heiligenbild (daher Lyk in Ostpreußen), eine Benennung, die in der hier allein
in Betracht kommenden heidnischen Zeit Götterbild bedeutet und damit eine
Anbetungsstätte bezeichnet haben mag. Ähnlich ist Trebbin von treba, Opfer
und Rudow von ruda, Blut, abzuleiten, als Stellen blutiger Opfer. Von
chram, Tempel, kommt Kremmen. Von Kiekemal und Kiekebusch als von
Hindeutungen auf Waldgeister war schon die Rede; auch die heiligen und
Teufelsseen sind hier zu nennen, obschon ihre Namen jetzt deutsch sind. An
beiderlei Stellen mag man Natur- oder Waldgeister verehrt haben. Dabei
sind die heiligen Seen größere Seen neben einem anderen, noch größeren
Gewässer, die Teufelsseen kleinere, vereinzelt liegende Seen.
Manche Ortsnamen sind auch deutsch und slawisch gemischt, wie deren
schon einige erwähnt worden sind; bei anderen hat man, dem Landesverbrauch
entsprechend, an einen deutschen Namen eine slawische Endung angehängt, wie
bei Templin (nach einer Besitzung der Tempelherrn benannt), bei Schönow oder
Eichow. Andere Orte wieder haben zwar einen slawischen Namen, aber doch
keinen alteinheimischen. Von diesen wurde Niesky schon genannt; ähnlich ist
auch Nowawes bei Potsdam eine Gründung eingewanderter Tschechen, vom
tschechischen Nowa-Weß, Neuendorf, Sadowa (von ßad, Garten) ist nur eine
Namensübertragung aus Böhmen, zu Ehren der Schlacht von Königgrätz oder
Sadowa; Neukölln ist eine ganz neue Umnennung von Rixdorf (ursprünglich
Richardsdorf), dessen Bürger plötzlich mit ihrem alten, ehrlichen Ortsnamen
nicht mehr zufrieden waren. Ähnlich kamen auch die Einwohner von Kiekemal
vor einiger Zeit darum ein, der Ort sollte Königsmal heißen, wurden aber
glücklicher Weise abgewiesen. Auch Nikolskoe ist hier zu nennen, die hübsch
gelegene Ansiedlung bei Potsdam, mit dem falsch geschriebenen und darum
jedem Besucher unaussprechlichen Namen: Nikolskoje, zu deutsch Nikolai. Es
stammt aus jener unglücklichen Zeit nach den Freiheitskriegen, als Preußen
fast eine russische Provinz war, und ist dem damaligen russischen Großfürsten
Nikolaus zu Ehren benannt.
Viele Namen wurden schon erwähnt, die scheinbar deutsch, in Wirklichkeit
slawisch sind. Der wahre Sachverhalt könnte allerdings in vielen Fällen nur
dann ermittelt werden, wenn die Umstände aufgeklärt würden, unter denen der
Name entstanden ist. In früherer Zeit suchte man diesem Mangel durch
Namens- und Wappensagen abzuhelfen, Erzählungen, die seinerzeit sogar von
Geschichtsforschern und Dichtern ernst genommen wurden, uns Heutigen aber
fast wie faule Witze klingen. Wir sprachen von dieser Schwierigkeit schon
eingangs und wollen hier noch ein anderes Beispiel erwähnen. In Branden¬
burg gibt es zwei Orte, Löwendorf und Löwenberg, in Schlesien auch ein
Löwenberg. Woher kommen diese Namen? Vielleicht von loff, Fang oder
lowetz Jäger? Oder von Namen oder Wappen des Ortsgründers? Bei
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