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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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slawische Ortsnamen im Brandenburgischen

einem anderen, gleichfalls vom "Löwen" sich ableitender Ort können wir dies
beantworten. Es ist Lemberg in Galizien, polnisch Lwow. Diese Stadt wurde
1L59 zu Ehren des Fühlen Leo oder Leo von Halitsch benannt, woraus dann
mit deutscher Endung Löwenberg, Leonberg oder Lemberg, mit polnischer Lewow
oder Lwow wurde. Der Name kommt also nicht, wie scheinbar ganz selbst¬
verständlich, von Lehm her.

Kaum zu ermitteln ist es auch, ob nicht etwa eine Anzahl, oder vielleicht
viele der hiesigen Ortsnamen ursprünglich deutsch gewesen und dann beim
Eindringen der Slawen slawisiert worden sind. Dies könnte z. B. bei Brander"
bürg der Fall sein. Aber hier fehlt es fast ganz an Anhaltspunkten; so läßt
auch weiter nur einer der bekannteren Ortsnamen eine solche germanische Urform
vermuten, nämlich Danzig. Gewöhnlich leitet man diesen Namen von Dansk
(dänisch) ab und erklärt den Ort für eine dänische Gründung; aber dann bleibt
es immer rätselhaft, wie die polnische Form Gdansk und die lateinische Gedania
zu ihrem G kommen. Berücksichtigen wir aber, daß vor den Slawen die
deutschen Guttonen oder Goten jene Gegenden bewohnten, so kann der Name
zuerst etwa Gotenburg oder Guttonia gelautet haben, woraus dann Gedania
und nach Abfall des Anlautes Ge, und mit slawischer Endung, Danzig ent¬
standen sein kann. Das ist aber nur ein vereinzeltes Beispiel; jedenfalls aber
dürste das eine feststehen, daß die eindringenden Wenden mit den vorhandenen
germanischen Ortsnamen rücksichtsloser umgesprungen find, als wir nach der
Rückeroberung des Ostens mit den inzwischen alleinherrschend gewordenen slawischen.

sprachlich fällt unter den besprochenen Namen besonders das auf, daß der
vokalische Amiant fast ganz fehlt. Wir haben keinen Namen mit A, E und I,
nnr wenige mit O und U gebracht. So fangen auch im Russischen fast nur
Fremdwörter mit A oder E an; darüber hinaus schlägt aber das Wendische
auch noch da ein W oder I vor, wo dort vokalischer Amiant noch vorhanden
ist. So z.B. in osero (See): jesero; in vinda (Erle): roolscha; in oßina
(Zitterpappel): woßa. In beiden genannten slawischen Sprachen mit vor¬
geschlagenen I, dagegen im Deutschen mit vokalischem Amiant beginnen Stämme
wie jaßenj. Esche und jablonj, Apfel.

Und nun zum Schluß noch eine Bemerkung. Es sollte nicht die Aufgabe
vorliegender Abhandlung sein, den Stoff zu erschöpfen, also weder alle in
Brandenburg vorkommenden Namen auf ihren Stammbaum zu prüfen, noch
aber auch alle irgend einmal und irgendwo geäußerten Ansichten mitzuteilen
und je nachdem anzunehmen oder zu verwerfen. Demgemäß sind auch solche
anderen Meinungen nur ganz gelegentlich einmal erwähnt; im übrigen erschien
es dem Verfasser besser, dem Leser eine Anregung, als ein Nachschlagewerk
zu geben.




slawische Ortsnamen im Brandenburgischen

einem anderen, gleichfalls vom „Löwen" sich ableitender Ort können wir dies
beantworten. Es ist Lemberg in Galizien, polnisch Lwow. Diese Stadt wurde
1L59 zu Ehren des Fühlen Leo oder Leo von Halitsch benannt, woraus dann
mit deutscher Endung Löwenberg, Leonberg oder Lemberg, mit polnischer Lewow
oder Lwow wurde. Der Name kommt also nicht, wie scheinbar ganz selbst¬
verständlich, von Lehm her.

Kaum zu ermitteln ist es auch, ob nicht etwa eine Anzahl, oder vielleicht
viele der hiesigen Ortsnamen ursprünglich deutsch gewesen und dann beim
Eindringen der Slawen slawisiert worden sind. Dies könnte z. B. bei Brander«
bürg der Fall sein. Aber hier fehlt es fast ganz an Anhaltspunkten; so läßt
auch weiter nur einer der bekannteren Ortsnamen eine solche germanische Urform
vermuten, nämlich Danzig. Gewöhnlich leitet man diesen Namen von Dansk
(dänisch) ab und erklärt den Ort für eine dänische Gründung; aber dann bleibt
es immer rätselhaft, wie die polnische Form Gdansk und die lateinische Gedania
zu ihrem G kommen. Berücksichtigen wir aber, daß vor den Slawen die
deutschen Guttonen oder Goten jene Gegenden bewohnten, so kann der Name
zuerst etwa Gotenburg oder Guttonia gelautet haben, woraus dann Gedania
und nach Abfall des Anlautes Ge, und mit slawischer Endung, Danzig ent¬
standen sein kann. Das ist aber nur ein vereinzeltes Beispiel; jedenfalls aber
dürste das eine feststehen, daß die eindringenden Wenden mit den vorhandenen
germanischen Ortsnamen rücksichtsloser umgesprungen find, als wir nach der
Rückeroberung des Ostens mit den inzwischen alleinherrschend gewordenen slawischen.

sprachlich fällt unter den besprochenen Namen besonders das auf, daß der
vokalische Amiant fast ganz fehlt. Wir haben keinen Namen mit A, E und I,
nnr wenige mit O und U gebracht. So fangen auch im Russischen fast nur
Fremdwörter mit A oder E an; darüber hinaus schlägt aber das Wendische
auch noch da ein W oder I vor, wo dort vokalischer Amiant noch vorhanden
ist. So z.B. in osero (See): jesero; in vinda (Erle): roolscha; in oßina
(Zitterpappel): woßa. In beiden genannten slawischen Sprachen mit vor¬
geschlagenen I, dagegen im Deutschen mit vokalischem Amiant beginnen Stämme
wie jaßenj. Esche und jablonj, Apfel.

Und nun zum Schluß noch eine Bemerkung. Es sollte nicht die Aufgabe
vorliegender Abhandlung sein, den Stoff zu erschöpfen, also weder alle in
Brandenburg vorkommenden Namen auf ihren Stammbaum zu prüfen, noch
aber auch alle irgend einmal und irgendwo geäußerten Ansichten mitzuteilen
und je nachdem anzunehmen oder zu verwerfen. Demgemäß sind auch solche
anderen Meinungen nur ganz gelegentlich einmal erwähnt; im übrigen erschien
es dem Verfasser besser, dem Leser eine Anregung, als ein Nachschlagewerk
zu geben.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/96>, abgerufen am 15.01.2025.