Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Die Grientpolitik Friedrichs des Großen Aber noch während sein Gesandter auf der Reise war, brach der Sturm Ungeduldig, weil Varenne sich auf der Reise allzu lange verzögerte, sandte Trotz aller seiner Anstrengungen kamen aber auch diesmal die Ver¬ Es nützte auch nichts, daß er sich ehrlich mühte, alle Bedingungen, die Die Grientpolitik Friedrichs des Großen Aber noch während sein Gesandter auf der Reise war, brach der Sturm Ungeduldig, weil Varenne sich auf der Reise allzu lange verzögerte, sandte Trotz aller seiner Anstrengungen kamen aber auch diesmal die Ver¬ Es nützte auch nichts, daß er sich ehrlich mühte, alle Bedingungen, die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330044"/> <fw type="header" place="top"> Die Grientpolitik Friedrichs des Großen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1268"> Aber noch während sein Gesandter auf der Reise war, brach der Sturm<lb/> in Europa los. Eine vollständige Änderung vollzog sich in der politischen<lb/> Konstellation der Mächte. Österreich, um des verlorenen Schlesiens willen<lb/> seinen Jahrhunderte alten Gegensatz zu Frankreich vergessend, brachte den<lb/> bourbonischen Hof auf seine Seite. Rußland, Schweden und das Reich schlössen<lb/> sich diesen beiden Mächten an. Dieser Allianz gegenüber war Friedrich völlig<lb/> isoliert. Er hatte zwar durch die Westminsterkonvention England gewonnen,<lb/> doch wußte er, daß es nur ein lauer Verbündeter war, auf den er im Ernst¬<lb/> fall nicht zählen konnte. So von allen verlassen, im Osten, Süden und Westen<lb/> umklammert, erschien ihm der Türke als einziger Rettungsanker in seiner Not.<lb/> Wie ein Schiffer, der umtost vom Sturm, Ausschau hält nach dem rettenden<lb/> Hasen, spähte der König auf seiner einsamen Warte nach der Stadt mit den vielen<lb/> Türmen, ob sie nicht die Losung sende, die ihn retten konnte. Immer wieder<lb/> tauchen in seinen Briefen und Gesprächen aus jener Zeit Hoffnungsstrahlen auf, daß<lb/> der Sultan rüste, daß die Leute, „die keine Hüte tragen", sich endlich bewegten,<lb/> immer wieder fürchtet er, „ohne eine Diverston der Türken die nächste Kam¬<lb/> pagne nicht auszuhalten". Der Türke wurde ihm so, wie Eichel schrieb, der<lb/> „Veu8 ex lnactunÄ," der allein noch imstande war, den Sturm zu be¬<lb/> schwören und das Unheil abzuwenden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1269"> Ungeduldig, weil Varenne sich auf der Reise allzu lange verzögerte, sandte<lb/> der König zum zweitenmal im September 1756 Rexin nach Konstantinopel.<lb/> Er gab ihm die Weisung, alles aufzubieten, um entweder ein Defensivbündnis<lb/> mit der Pforte zu schließen, oder die Türken zu einer feindseligen Handlung<lb/> gegen Österreich und Rußland zu treiben. Er teilte auch damals der englischen<lb/> Regierung seine Pläne mit, er wies sie eifrig auf die Notwendigkeit hin, die<lb/> Pforte als Bundesgenossen zu gewinnen und bat sie dringend, seinen Emissär<lb/> in Konstantinopel zu unterstützen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1270"> Trotz aller seiner Anstrengungen kamen aber auch diesmal die Ver¬<lb/> handlungen nicht vom Fleck. Es nützte nichts, daß Friedrich der Türkei<lb/> „volle Garantie anbot für alle Eroberungen, die sie in Ungarn und im Banat<lb/> machen würde". Es nützte nichts, daß er ihr erklärte, der Untergang Preußens<lb/> liege nicht in türkischen Staatsinteressen, daß er ihr sagen ließ, es wäre ihre<lb/> eigene Schuld, wenn Österreich und Rußland sie vollends aus Europa ver¬<lb/> trieben, wenn sie durch ihr Zögern „endlich sukkombieren und überm Haufen<lb/> gehen müsse".</p><lb/> <p xml:id="ID_1271" next="#ID_1272"> Es nützte auch nichts, daß er sich ehrlich mühte, alle Bedingungen, die<lb/> der Großvezier ihm damals stellte, sofort zu erfüllen, daß er seinem Gesandten<lb/> die größten Summen zur Verfügung stellte, „um davon den Großvezier,<lb/> andere Veziers, den Mufti, den Kanzler und dergleich nötigen Personen, auch<lb/> den Dolmetscher des Sultans und selbst in dem Serail einige Personen zu<lb/> gewinnen". Es war selbst vergebens, daß Rexin, den Friedrich fieberhaft zur<lb/> Eile anspornte, zum Schluß auch noch die Favorit-Sultanin und die Sultanin-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0376]
Die Grientpolitik Friedrichs des Großen
Aber noch während sein Gesandter auf der Reise war, brach der Sturm
in Europa los. Eine vollständige Änderung vollzog sich in der politischen
Konstellation der Mächte. Österreich, um des verlorenen Schlesiens willen
seinen Jahrhunderte alten Gegensatz zu Frankreich vergessend, brachte den
bourbonischen Hof auf seine Seite. Rußland, Schweden und das Reich schlössen
sich diesen beiden Mächten an. Dieser Allianz gegenüber war Friedrich völlig
isoliert. Er hatte zwar durch die Westminsterkonvention England gewonnen,
doch wußte er, daß es nur ein lauer Verbündeter war, auf den er im Ernst¬
fall nicht zählen konnte. So von allen verlassen, im Osten, Süden und Westen
umklammert, erschien ihm der Türke als einziger Rettungsanker in seiner Not.
Wie ein Schiffer, der umtost vom Sturm, Ausschau hält nach dem rettenden
Hasen, spähte der König auf seiner einsamen Warte nach der Stadt mit den vielen
Türmen, ob sie nicht die Losung sende, die ihn retten konnte. Immer wieder
tauchen in seinen Briefen und Gesprächen aus jener Zeit Hoffnungsstrahlen auf, daß
der Sultan rüste, daß die Leute, „die keine Hüte tragen", sich endlich bewegten,
immer wieder fürchtet er, „ohne eine Diverston der Türken die nächste Kam¬
pagne nicht auszuhalten". Der Türke wurde ihm so, wie Eichel schrieb, der
„Veu8 ex lnactunÄ," der allein noch imstande war, den Sturm zu be¬
schwören und das Unheil abzuwenden.
Ungeduldig, weil Varenne sich auf der Reise allzu lange verzögerte, sandte
der König zum zweitenmal im September 1756 Rexin nach Konstantinopel.
Er gab ihm die Weisung, alles aufzubieten, um entweder ein Defensivbündnis
mit der Pforte zu schließen, oder die Türken zu einer feindseligen Handlung
gegen Österreich und Rußland zu treiben. Er teilte auch damals der englischen
Regierung seine Pläne mit, er wies sie eifrig auf die Notwendigkeit hin, die
Pforte als Bundesgenossen zu gewinnen und bat sie dringend, seinen Emissär
in Konstantinopel zu unterstützen.
Trotz aller seiner Anstrengungen kamen aber auch diesmal die Ver¬
handlungen nicht vom Fleck. Es nützte nichts, daß Friedrich der Türkei
„volle Garantie anbot für alle Eroberungen, die sie in Ungarn und im Banat
machen würde". Es nützte nichts, daß er ihr erklärte, der Untergang Preußens
liege nicht in türkischen Staatsinteressen, daß er ihr sagen ließ, es wäre ihre
eigene Schuld, wenn Österreich und Rußland sie vollends aus Europa ver¬
trieben, wenn sie durch ihr Zögern „endlich sukkombieren und überm Haufen
gehen müsse".
Es nützte auch nichts, daß er sich ehrlich mühte, alle Bedingungen, die
der Großvezier ihm damals stellte, sofort zu erfüllen, daß er seinem Gesandten
die größten Summen zur Verfügung stellte, „um davon den Großvezier,
andere Veziers, den Mufti, den Kanzler und dergleich nötigen Personen, auch
den Dolmetscher des Sultans und selbst in dem Serail einige Personen zu
gewinnen". Es war selbst vergebens, daß Rexin, den Friedrich fieberhaft zur
Eile anspornte, zum Schluß auch noch die Favorit-Sultanin und die Sultanin-
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